Was glaubt ihr über Depression?


01.08.2024, 22:17

Theoretisch kann halt jeder heutzutage depressiv sein. Es geht darum wie man damit umgeht, oder?

10 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich habe in meiner Familie Erfahrungen gemacht mit psychischen Erkrankungen.

Mein Bruder hat sich mit 37 das Leben genommen. Er war davor 3 Wochen in einer Klinik. Und da bin ich bei dir: Ich verstehe nicht, warum er medizinisch nicht so eingestellt wurde, dass es ihm besser ging.

Es war nicht akut, er litt schon sehr lange. Er hat uns einen Brief hinterlassen in dem er sich entschuldigte. Er schrieb, jeder Tag ist einer zu viel. Er leidet sehr und hat keine Angst vor dem Tot. Der Tot ist für ihn nichts anderes als ein Ende aller Gefühle.

Ich habe vorher mal das Buch ' Die Leiden des jungen Werthers ' gelesen.

Als mein Bruder sich das Leben nahm, dachte ich sehr oft daran.

Man kann nicht nur an einem Krebs oder einem Tumor sterben, ein seelisches Leiden kann genauso schlimm sein. Und man geht daran zugrunde.

Ein anderes Beispiel: Mein Sohn hatte als Kind ADHS. Es hat sehr lange gedauert, bis wir zu einer Diagnose kamen. Wir waren bei Heilpraktikern, Psychologen. Ich bekam alle möglichen Tipps.

Keine Laktose, keine Glukose. Fliegende Achter üben damit die zwei Gehirnhälften zusammenarbeiten. Am schlimmsten fand ich einen Satz eines Psychologen:

Ich hab selbst drei Kinder! Bei mir gab es das nie!

So quasi: zu deppat für ein Kind!

Als von der Schule her das Thema Sonderschule fiel, haben wir uns entschlossen, den medizinischen Weg einzuschlagen. Wir gingen zum Psychiater und der stellte sofort fest: ADHS!

Eine Krankheit, die es ja angeblich gar nicht gibt nach einigen Leuten...

Der Arzt hat uns eine Elternberaterin empfohlen die Gold wert war weil sie auf ADHS Kinder spezialisiert war. Und er hat uns geraten: Nicht mit anderen Eltern darüber sprechen.

Und das kann ich auch nur jeden raten. Weil es gibt ja so viele oberschlaue Menschen die sagen:

Du, ich bin auch manchmal traurig. aber deswegen bring ich mich nicht um!

Mein Kind ist auch manchmal hippelig, aber deswegen setz ich es doch nicht unter Drogen!

Menschen, die diese Probleme nicht kennen, können sie auch nicht verstehen!


Linalu1006 
Beitragsersteller
 02.08.2024, 00:11

Ich habe Gänsehaut 😭

Mein Bruder ist gerade auch in einer Klinik weshalb ich das auch besser verstehen möchte und ich mache mir wirklich Sorgen .

Mein Beileid zu ihren Verlust.

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Gretchen911  02.08.2024, 20:50
@Linalu1006

Alles Gute dir und deinem Bruder! Ich hoffe, er kommt da wieder raus.

Für Angehörige ist das echt nicht schön, weil es einem so sinnlos erscheint. Aber man muss das wirklich ernst nehmen und versuchen, sich da reinzuversetzen.

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Hier mal von einer Person mit Depressionen :)

Es gibt starke Unterschiede zwischen einer "depressiven Verstimmung", was zurückzuführen ist auf bspw. schlechte Phasen die Menschen durchgehen können wie bspw. eine Trennung etc. Eine "Depression" ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Menschen mit Depressionen können die Erkrankung auf gar keinen Fall nur durch "Kopfsache" oder Gedanken regeln. Es hat auch nichts damit zu tun wie man damit umgeht. Man ist eben krank, genauso wie Menschen mit Diabetes oder einer sonstigen physischen Erkrankung einfach krank sind und es sich nicht aussuchen können.

Ein Therapeut kann durchaus helfen! Man muss sagen, dass es auf jedenfall zwischen Therapeut und Patient passen muss, jedoch haben diese Menschen lange studiert und können mit dem Patient gut arbeiten. Natürlich muss der Patient so stabil sein sich auf eine Therapie einzulassen. Bedeutet jedoch nicht, dass man einfach sagt man macht eine Therapie und ist geheilt. Eine Depression kann ein Leben lang bleiben. Es gibt meistens schwierigere und einfachere Phasen, jedoch kann es ein Leben lang bleiben und die Phasen können immer wieder kommen!

Kein Mensch sucht sich aus krank zu sein. Ich leide mittlerweile seit 5 Jahren an Depressionen und es hat nichts mit Kopfsache zu tun. Sowas sagen leider nur Menschen, die es nicht selber kennen…

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Linalu1006 
Beitragsersteller
 02.08.2024, 00:08

Vielen Dank für diese ausführliche Antwort.

Es tut mir leid das sie das gerade durchmachen müssen und ich wünsche ihnen gute Besserung und alles gute

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Eine Depression hat doch nichts mit Glauben zu tun. Du hast da irgendwas komplett falsch verstanden. Eine Depression ist eine von der Weltgesundheitsorganisation anerkannte Krankheit. Sie wird unter anderem im ICD-10, ICD-11 und im DMS-5 geführt. (ICD ist das bei uns gültige Verzeichnis, in dem alle Erkrankungen beschrieben sind). Eine Depression ist genau so eine ernsthafte und anerkannte Krankheit wie z.B. Krebs. Das hat nichts mit daran glauben oder ähnlichem zu tun.

Vielleicht meinst du die selbstdiagnostizierten Depressionen von Kindern und Jugendlichen, die einfach nur behaupten, sie seinen an einer Depression erkrankt, obwohl gar keine fachkundige Diagnose gestellt wurde. Das hat viel mit Unwissenheit und der Suche nach Aufmerksamkeit zu tun. Das ist natürlich etwas anderes. Aber es sollte ja klar sein, dass das nicht als Depression zählt, weil man sich nicht selbst diagnostizieren kann. Für das Stellen der Diagnose einer Depression gibt es genau definierte Kriterien. Zudem dürfen nur Ärzte oder Psychotherapeuten eine Depression diagnostizieren.

Eine Depression ist ein komplexes Krankheitsbild, bei dem man nicht einfach nur irgendwelche negativen Gedanken umgehen kann. Es ist keine Kopf- oder Einstellungssache. Ansonsten wärs ja recht einfach wieder gesund zu werden.

Ein Psychotherapeut kann einem depressiven Menschen helfen, dass seine Depression wieder besser wird. Dies dauert aber meist recht lange. In vielen Fällen werden zusätzlich Medikamente zur Behandlung eingesetzt. Manche Betroffene müssen sogar stationär in eine Klinik behandelt werden. Eine unbehandelte Depression wird meist mit der Zeit immer schlimmer und zudem schwerer zu behandeln. Daher sollte man so schnell wie möglich mit der Behandlung beginnen, sobald eine Diagnose gestellt wurde.

Ja, jeder kann an einer Depression erkranken. Durchschnittlich erkrankt knapp jeder Fünfte (in Deutschland) mindestens einmal im Leben an einer Depression. Eine Depression ist eine sehr häufig auftretende Krankheit.

Es ist Kopfsache, aber wenn man von Psyche spricht, denken alle immer, das sind die Gedanken. Das sind aber nicht mal die Gedanken, sondern das Unterbewusstsein, und das kann oft nicht mal das Gehirn bewusst wahrnehmen. Ich hatte z.B. mal eine Zeit, wo mir jeden Tag schlecht war und ich Bauchschmerzen hatte, und es stellte sich heraus, dass das von meinem Unterbewusstsein kam, obwohl ich keinen psychischen Probleme hatte und es nicht mal mitbekommen hätte. Also ja, man denkt von depressiven Menschen immer, dass sie halt mal an was anderes denken sollen, nur geht das halt nicht. Weil sie es nicht mal selbst wahrnehmen.

Eine "depressive Verstimmung" ist etwas ganz anderes als eine echte Depression.