Warum wird das Bohr'sche Atommodell noch unterrichtet?

12 Antworten

Zunähst einmal ist ein Modell nicht richtig oder falsch, sondern höchstens zweckmäßig oder nicht zweckmäßig.

Und da ist es meiner Meinung nach in der Tat so, dass ich das Atommodell von Bohr für unzweckmäßig halte, und das aus einem einfachen Grund: Es wird viel Zeit darauf verwendet, Zeit, die für andere wichtigere Dinge im Physikunterricht unbedingt nötig wäre, nur damit später gesagt wird, dass dieses Modell nicht besonders gut passt. Was aber viel schlimmer ist: Frage mal einen Physikstudenten im Vordiplom nach seiner Vorstellung vom Atom: Wenn er konkret eine Anschauung vermitteln will, greift er immer auf das Bohrsche Atommodell zurück, obwohl er genau weiß, dass damit viele Aspekte nicht gut veranschaulicht werden können. Das Gemeine am Bohrschen Atommodell ist seine Einfachheit und Verwandschaft zu unserem Sonnensystem, eine Analogie, die sich irgendwann so fest in die Köpfe einbrennt, dass man sie schlecht wieder rausbekommt.

Es gibt andere Modelle des Atoms, besonders der Atomhülle, eins wurde sogar von Schrödinger selbst vorgeschlagen, Modelle, die in der Schule sich aber nie so richtig durchgesetzt haben, und hier kommt ein weiterer Aspekt zutage: Physiker, vor allem Physikdidaktiker und Lehrer, neigen dazu, in ihrem eigenen Haus nicht so richtig aufzuräumen :-) Das heißt, die Schüler werden quasi gezwungen, den kompletten historischen Weg der Physik nachzugehen, um Physik zu lernen. Das führt dann insbesondere dazu, dass viele verkrustete Strukturen nicht aufgebrochen werden können.

Um keine falsches Bild zu vermitteln: Physiker unter sich verstehen sich schon, sie haben ihre eigene Fachsprache und wissen, was der andere meint. Hier geht es aber um die Schule mit Schülern, die eben keine Physiker sind. Und hier wäre es meiner Meinung nach mal an der Zeit, einige alte Zöpfe abzuschneiden.


prohaska2  19.04.2014, 17:52

Nu frag' ich mich, ob das Modell von der flachen Erde nicht doch falsch gewesen sein könnte ...

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Das Bohrsche Modell ist nicht falsch. Es ist ein Modell, wie alle anderen Modelle auch. Und es wird nicht als Wahrheit unterrichtet, sondern als Modell. Und als solches kann es alle Phänomene der Anfangschemie (und oft auch darüberhinaus) erklären helfen, weshalb es seine volle Berechtigung hat.


akanton4  16.04.2014, 23:52

kann es nicht, das bohrsche atom modell ist als falsch erwiesen worden <.< es dient lediglich als anschaulicher versuch den schülern grob beizubringen was ein atom ist.

wissenschaftlich wurde allerdings bereits belegt das es falsch ist.

gruß

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botanicus  17.04.2014, 00:09
@akanton4

Ein Modell beschreibt immer nur Aspekte der Wirklichkeit, es erhebt nicht den Anspruch, die Wirklichkeit als Ganzes abzubilden. Das Bohrsche Atommodell ist genauso gut wie alle anderen Modelle, und ebenso wie diese kann es bestimmte Dinge anschaulich machen und erklären, andere nicht.

Das Bohrsche Modell als falsch und widerlegt zu deklassieren, ist eine unwissenschaftliche Überheblichkeit, die nur in Unkenntnis über die Natur von Modellen wurzeln kann.

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Bernte  17.04.2014, 13:34
@botanicus

So ist es, und nicht anders! Das Bohrsche Atommodell ist genauso wenig falsch wie die Newtonsche Mechanik, welche man immer noch bemüht, um z.B. Maschinen zu bauen. Selbst das Die-Erde-ist-eine-Scheibe-Modell ist nicht perse falsch. Es wird immernoch verwendet, um z.B. Tische zu bauen. Oder hat jemand schon mal von einem Schreiner gehört, der kugelschalenförmige Tische baut, um dem tatsächlichen Schwerkraftverlauf zu folgen?

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Zoelomat  19.04.2014, 20:29
@Bernte

Das Die-Erde-ist-eine-Scheibe-Modell mit Tischen in Verbindung zu bringen, ist zwar mutig, aber erfrischend.

Hoffe mal, und bin optimistisch, das dieser Sachverstand auch dann zum tragen kommt, wenn die Sachverständigen zur Minderheit zu werden drohen. Alles schon erlebt, und ganz ohne Ironie.

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TomRichter  17.04.2014, 15:35
Phänomene der Anfangschemie (und oft auch darüberhinaus) erklären helfen,

und obendrein ist es auch mit den Kenntnissen eines Schülers mathematisch fassbar.

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Es gibt diverse Atommodelle und mit jedem dieser Modelle lässt sich etwas beschreiben. Das Bohrsche Modell beschreibt ein erstes grundlegendes Verständis des Atomaufbaus, und das ist in der Jahrgangsstufe sicherlich nicht verkehrt. Hier gleich mit dem Orbitalmodell oder ähnlichem anfangen zu wollen sprengt mit Sicherheit den Unterrichtsrahmen.

Hi Chrissy,

sowohl das rein fachliche Wissen als auch das schulische beinhaltet immer auch den geschichtlichen Aspekt.

Es geht nicht nur um die Erkenntnisse, sondern auch um den Weg dahin. Auch manchen Irrweg, wenn er nicht allzu irre ist.

Und das Bohrsche Atommodell ist da keineswegs total falsch (gewesen). Siehe mal nach Korrespondenzprinzip. Ein Elektron in mehreren Millimetern Abstand von einem Kern gehorcht den Gesetzen der klassischen Elektrostatik. Und bei allmählicher Annäherung an den Kern geht es nahtlos zu etwas über, was mit der klassischen Physk nicht mehr zu beschreiben ist. Sondern nur mit Quantengesezten, die zu Bohrs Zeiten noch nicht bekannt waren.

Die Bohrschen sind also eine Beschreibung mit Gesetzen, die ihre Gültigkeit verloren haben. Die aber nach dem Korrespondenzprinzip trotzdem nicht falsch sind, sondern nur nicht mehr sachlich zutreffend. Und obwohl sie Gesetze in eine Welt fortsetzen, wo sie eigentlich nicht mehr zutreffen, treffen sie doch eine Reihe von sehr präzisen Voraussagen bzw. Erklärungen, v.a. die Spektren betreffend.

Und die "Umlaufradien" des Bohrschen Atommodells sind nicht ganz zufällig mit den größten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten nach Schrödinger identisch.

Solche Beispiele sind nicht allzu häufig. In der Biologie gibt es das Haeckelsche Biogenetische Grundgesetz (Biogenetische Grundregel).

Wenn du also erst in der 10. Klasse bist, dann mach weiter so, und demnächst solltest du hier in der Riege der Experten sein. Das übt, und reif dazu bist du. Zoelomat

Eigentlich ist das, was du in der Schule an Physik und Chemie lernst eher "Geschichte", also Geschichte der Physik und Geschichte der Chemie. In der 13. Klasse geht es dann etwas tiefer, aber die neuen Sachen lernst du erst an der Uni.


lks72  17.04.2014, 09:46

Genau. Schüler lernen "Geschichte der Physik" bzw. Chemie. Und hier liegt das Problem: Ziel eines naturwissenschaftlichen Unterrichts kann das nicht sein.

Es ist also dringend Zeit, dass man sich didaktisch Gedanken macht, wie man den "Saustall" entrümpeln kann :-)

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botanicus  17.04.2014, 14:52
@lks72

Möchtest Du einem Achtklässler die Grundlagen der Chemie erklären, indem Du ihm zuerst das Orbitalmodell um die Ohren haust? Gut, dass Didaktiker sich mehr Gedanken machen als Du.

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lks72  17.04.2014, 16:55
@botanicus

@botanicus:

Wieso denkst du, dass die Alternative zum Bohrschen Adtommodell das Orbitalmodell ist?

Das ist es nicht, hier geht es um was ganz anderes.

Und, keine Sorge, ich mache mir Genug Gedanken :-)

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mgausmann  17.04.2014, 19:43
@lks72

welche alternative würdest du denn vorschlagen? Irgendwie musst du dem Schüler ja irgendein Atommodell beibringen, ansonsten kommt man im Untericht nicht weiter... doch das Bohr'sche Atommodell erfüllt dort einwandfrei seinen Zweck. Chemie, die mit dem Atommodell nach Bohr nicht erklärt werden kann, ist sowieso so gut wie kein Unterrichtsgegenstand!

Und ja, die MO-Theorie ist momentan die anerkannteste Theorie... und es wurde noch nichts entdeckt, was ihr widerspricht... im gegensatz zu allen anderen Theorien (z.B. VB-Theorie)...was natürlich nicht heißt, dass sie nicht irgendwann widerlegt wird ;)

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lks72  20.04.2014, 22:43
@mgausmann

Zunächst einmal geht es nicht um eine Theorie, denn eine solche ist eine mathematische Erfindung des Menschen, um die Natur zu beschreiben und Dinge vorherzusagen. Die Theorie von den Orbitalen sattelt auf die Quantenmechanik auf und gehört zu dem oben Gesagten.

Hier aber geht es, wenn ich den Fragesteller verstanden habe, ja um etwas ganz anderes: es geht um ein Modell, in diesem Fall das Bohrsche Atommodell. Ein Modell ist immer nur ein Übersetzungsschema, um Dinge der Physik in ein "es ist so wie bei" zu übersetzen. Das Bohrsche Atommodell übersetzt halt in "das ist mit den Elektronen wie mit den Planeten um die Sonne". Man macht sich ein Bild, und dieses Bild stellt einen zufrieden, weil man glaubt, etwas handfestes zu haben.

Das Modell ist nun dermaßen suggestiv, dass man den Atomaufbau immer mit den Planetenbahnen assoziert, und dies ist später eher hinderlich meiner Meinung nach.

Wohlgemerkt: Es geht mir nicht darum, ein späteres Modell (wie etwa das Schalenmodell) an den Anfang zu stellen, oder einer physikalischen Theorie einen Modellcharakter zu verleihen (so habe ich deinen Einwand mit der MO Theorie verstanden), sondern um etwas ganz anderes:

Man sollte direkt an den Anfang ein anderes Modell stellen, eines, was gewisse Aspekte der Quantenmechanik von Anfang an besser in den Fokus rückt. Man könnte zum Beispiel sich die Atomhülle als eben nicht leer, sondern als vollständige Hülle vorstellen, deren Dichte nach außen hin immer mehr abnimmt. Diese Atomhülle hat nun die Eigenschaft, dass man sie verformen kann (dazu Energie braucht), sie in ihren Ausgangszustand zurückspringen kann (dabei die gleiche Energie wieder abgibt), sie in bestimmten Zuständen für einige Zeit einrasten kann (wie ein Gummiball, den man stark eindrückt), dies nennt man dann stationäre Zustände, in den anderen Verformungen schwingt die Hülle und emittiert die Energie dann mit Hilfe von Strahlung usw.

Eine weitere Eigenschaft dieses Hüllenstoffs ist, dass man nur bestimmte Elementarportionen herausnehmen kann, diese nennt man dann Elektronen usw.

Es führt zu weit, das Modell mit seinen Vor- und Nachteilen hier zu diskutieren, nur soviel: Es ist natürlich nicht von mir, sondern wurde von Erwin Schrödinger direkt vorgeschlagen und dann von einem anderen Physiker verfeinert (der Name fällt mir jetzt nicht ein, ist aber nicht so bekannt wie Schr.)

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