Warum setzt der Duden laut dem Autor eine Abwärtsspirale?

3 Antworten

Von Experte LottaKirsch bestätigt

In vergangenen Jahrzehnte waren bestimmte Formulierungen, gram­ma­ti­sche Kon­struk­ti­onen oder Vokabeln „falsch“, weil der Duden sie nicht erlaubt hat. Die Leute ha­ben sie aber trotzdem verwendet, und heute erlaubt der Duden manches, was früher ver­boten war.

Der Autor zieht daraus folgenden Schluß: Da manches am heute „erlaubten“ Deutsch noch vor wenigen Jahrzehnten „falsch“ gewesen wäre, ist Deutsch ins­ge­samt eine schlechtere Sprache geworden. Die Sprache entwickelt sich abwärts, weil der Duden das vulgäre Gebrabbel des Pöbels zum Standard adelt. Was gestern noch ein „Fehler“ war, kann übermorgen bereits „korrekt“ sein, wenn morgen genug Spre­cher und Schrei­ber genau diesen Fehler begehen. Wenn häufig gemachte Fehler aber letzt­lich im­mer in den Stan­dard aufgenommen werden, dann muß der Standard im­mer schlech­ter wer­den; die Sprachentwicklung zielt also nach unten („Abwärts­spi­ra­le“).

Das Argument ist nicht komplett unsinnig, hat aber seine Probleme. Zuerst einmal stellt sich die Frage, ob es nach Meinung des Autors überhaupt eine Entwicklung zum Bes­seren geben kann. Jede Veränderung in der Sprache setzt ja voraus, daß ir­gend­etwas, was früher falsch oder zumindest selten war, plötzlich erlaubt und häu­fig wird. Da kann man immer sagen „Früher hätte es das nicht gegeben“ und von Ver­fall und Endzeit schwadronieren.

Außerdem stellt ich die Frage, warum wir den Standard von 1980 (oder 1950, oder 1900, oder …) als den „Besten“ betrachten sollen, von dem aus die Entwicklung „ab­wärts“ geht. Immerhin gibt es Deutsch ja schon viel länger, und wir reden ja nicht mehr mit­tel­hoch­deutsch wie die Ritter (oder frühneuhochdeutsch wie Luther). Der wah­re Grund ist eher biographisch, denn jede Generation tendiert dazu, zu glauben, in der ei­ge­nen Jugend wurde das beste Deutsch gesprochen, die beste Musik ge­spielt, die besten Filme gedreht, und ja, die Lippen der Mädchen schmeckten damals auch noch süßer (ich übertreibe, aber nicht viel).

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

... weil der Duden ehemals falsche Dinge als richtig aufnimmt, sofern sie dem Sprachgebrauch entsprechen. Damit hält oder erhöht der Duden nicht das sprachliche Niveau, sondern er senkt es, weil er als Referenz für korrektes Deutsch auch falsche Dinge, die sich eingeschliffen haben, wegen der Häufigkeit ihres Gebrauches als richtig definiert.

In den letzten Jahren, als der Duden noch als Buch verkauft wurde, ging es dem Verlag und der Redaktion nur noch darum, noch mehr Wörter in der Ausgabe unterzubringen.

Dabei ging es gar nicht mehr um deutsche Worte, vielmehr las sich das Machwerk zunehmend wie ein Fremdsprachenwörterbuch voller exotischer Worte, die nur in einem schweizer Bergdorf Verwendung finden, oder wie Worte, die besser im Englischwörterbuch stünden.

In der Online-Ausgabe fand man sogar den Superlativ von minimal, obwohl dieses Wort gar nicht gesteigert werden kann.

Der Steigerungswahn hat mittlerweile leider auch schon Einzug in die deutschsprachige Literatur gefunden. Das Ärgerliche daran ist, dass selbst Übersetzern diese Fehler unterlaufen und Lektoren in den Verlagen derartige Fehler nicht mehr ins Auge springen. Dafür gibt es zahllose Beispiele.

Wenn man Sprachregeln zunehmend verwässert unter dem Deckmantel einer "lebendigen, sich weiter entwickelnden Sprache" ist das kulturell armselig und anspruchslos, außerdem senkt man damit das Bildungsniveau.

Aber wie sagte Heinz Erhardt so treffend?

"Was weiß Duden?"