Warum sah die serbische Regierung Franz Ferdinand als Gegner, obwohl er dem Balkan mehr Freiheit geben wollte?

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Die Attentäter waren von der Schwarzen Hand ausgebildet und bewaffnet worden. Die Schwarze Hand war halb Terrororganisation, halb serbischer Geheimdienst. Erst nach der Niederlage von Österreich-Ungarn und Deutschland bekannte sich die serbische Regierung zu dem Anschlag und stellte Gavrilo Princip ein paar Denkmäler auf. Hätten Österreich-Ungarn und Deutschland den Krieg gewonnen, würde Serbien vermutlich noch heute eine Beteiligung bestreiten.

Das Problem des Balkans war einerseits die Panslawismus-Politik von dem "Blutzar" (weil er Tausende Oppositionelle hinrichten ließ) Nikolaus II. Damit meinte Serbien berechtigt zu sein, alle serbo-kroatisch sprechende Völker unter seiner Führung vereinen zu müssen. Das hätte für diese aber auch Hinwendung zum serbisch-orthodoxen Christentum bedeutet.

Auf der anderen Seite lebten dort viele Muslime, die ihre Religion dann hätten aufgeben müssen. In Deutschland und Österreich-Ungarn gab es Glaubensfreiheit und schon damals viele Muslime. Preußen unter Friedrich dem Großen war in Europa der erste Staat mit Religionsfreiheit und starker muslimischer Minderheit. Außerdem gab es in D und Ö starke Minderheitenrechte. Deshalb hatten die Muslime des Balkans Österreich-Ungarn darum gebeten, für sie als "Schutzmacht" aufzutreten.

Dagegen gingen Russland, Frankreich und GB in den Kolonien strikt gegen den Islam vor. In Frankreich waren zuvor sogar die (evangelischen) Hugenotten vertrieben worden. Dort war nur der römisch-katholische Glaube geduldet.

Serbien hatte gedacht/gehofft, dass es den Attentätern gelungen wäre, sich selbst zu töten. Im Zuge rigoroser österreichischer Ermittlungen in Bosnien-Herzegowina (so geplant von Serbien), hätte dann die Stimmung dort pro serbisch umschlagen sollen.

Da Princip aber lebend gefangen wurde und Ö das erste Wahrheitsserum der Welt hatte (damals Skopolamin mit Morphium, Folter war schon damals in Ö verboten), kam alles schnell ans Licht. Einen Krieg gegen Ö hatte meiner Ansicht nach Serbien nicht geplant. Das Ultimatum wurde von Serbien erst abgelehnt, nachdem es Garantien von Russland erhalten hatte, das seinerseits Garantien von Frankreich hatte, das seinerseits Garantien von GB hatte, das seinerseits Garantien von den USA hatte. Warum auch China in den Krieg gegen D und Ö zog, weiß ich nicht, aber sie waren damals wohl stark von ihren europäischen Besatzern abhängig. Warum auch Japan in den Krieg gegen D und Ö zog ist mir dagegen völlig unbekannt.


earnest  22.03.2023, 07:03

Die Behauptung über die "Ablehnung" des überscharfen Ultimatum von Ö-U ist in dieser Form schlicht falsch.

Die Antwort Serbiens fiel nämlich so überraschend konziliant aus, dass Kaiser Wilhelm nach deren Lektüre notierte, dass damit nun jeder Kriegsgrund entfalle.

FabianPavian  11.04.2023, 14:25
@earnest

Kaiser Wilhelm II war eine gute Seele, aber leider etwas naiv und gutgläubig. Natürlich war die Ablehnung des wichtigsten Punktes eine Kriegserklärung gegenüber Österreich-Ungarn, sofern man das Attentat selbst nicht als Kriegserklärung ansieht.

earnest  11.04.2023, 14:29
@FabianPavian

Auch das ist Unsinn.

Wie kann der Akt eines Individuums eine Kriegserklärung an Ö-U sein?

(Zur überraschend konzilianten Reaktion Serbiens auf das überscharfe Ultimatum von Ö-U hatte ich mich schon geäußert.)

FabianPavian  11.04.2023, 14:32
@earnest
Wie kann der Akt eines Individuums eine Kriegserklärung an Ö-U sein?

Wenn Serbien von Anfang an hinter der Ausbildung und Bewaffnung gestanden hat, dann war das natürlich eine Kriegserklärung. Ebenso wie die Bombardierung seitens Frankreichs der deutschen Bahnstrecke.

earnest  11.04.2023, 14:36
@FabianPavian

LOL.

Du weißt, was eine "Wenn-dann-Beziehung" ist?

Und du möchtest doch wohl nicht im Ernst andeuten, dass nach dem Bruch der belgischen Neutralität durch den Einmarsch deutscher Truppen die Bombardierung einer deutschen Bahnstrecke in irgendeiner Weise relevant war ...?