Warum reden wir nicht alle Berlinerisch?
In Frankreich wurde der Pariser Dialekt zu französisch, in Polen der warschauer Dialekt, in Rußland der Moskauer Dialekt usw.
Gut, England ist Ausnahme, in London quatscht man wohl anders als in Oxford. Aber warum ist bei uns nicht auch Berlinerisch die Hochsprache geworden?
Berlinerisch weicht sogar relativ stark ab vom "Hochdeutschen". Zwar jetzt nicht so schlimm wie bei uns Schwaben, aber "ick", "jerne, jewesen", "och" usw., Hochdeutsch ist das mal nicht ^^
Aber warum? Also warum hat man nicht einfach Berlinerisch zum Standard erklärt?
11 Antworten
Die Standardsprache ist eine etwas komplizierte Geschichte, aber begonnen hat es mit Martin Luthers Bibelübersetzung. Seine Wortwahl war mittel- und oberdeutsch geprägt, und weniger niederdeutsch.
Daher heißt es z.B. "das" und nicht "det" wie in Berlin. Die Berliner Variante ist natürlich verschieden von echt plattdeutschen Varianten, hat jedoch deutlich mehr niederdeutsche Einflüsse zu verzeichnen.
Interessanterweise zieht sich die Aussprache mit dem -t weit nach Süden, selbst im Norden des Saarlandes heißt es "dat" (und nicht "das") (wie in NRW auch). Die dat-das-Linie durchzieht Deutschland von West nach Ost (und sowohl das nördliche Saarland als auch Berlin liegen nördlich davon).
https://de.wikipedia.org/wiki/Dat-das-Linie
Die Standardsprache (auch "Hochdeutsch" genannt) hat also mehr oberdeutsche (südliche) Einflüsse als die Berliner Variante. Sie breitete sich auch da aus, wo früher Niederdeutsch gesnackt wurde, das Gebiet an der Weser (z.B. Hameln) war früher niederdeutsch geprägt, heute spricht man dort (wie in Hannover) Hochdeutsch (mit nur noch geringem niederdeutschen Einfluss - meine Schwiegermutter spricht "Frühstück" mit einem "skandinavischen" "st" - also nicht "scht" wie im Hochdeutschen, sondern eben "st", wie dies auch ein Hamburger machen würde, oder "Meister Röhrich" aus den Werner Comic-Filmen, der einen holsteinischen Dialekt spricht).
In Hannover spricht man Hochdeutsch? Das wäre mir neu. Ich arbeite da schon ein paar Jahrzehnte und habe auch ein paar Jahre in der Landesprovinzstadt gelebt, aber Hochdeutsch ist mir da nur selten untergekommen.
Man höre sich nur einmal die Eingeborenen der älteren Stadtteile an. Das wird aus der Gurke eine Gu(r)chke und Ahnliches. Die Arschkrampen geben des im hannoverschen Umfeld gesprochene Idiom sehr gut wieder.
Bayern hat eine jahrhundertealte Geschichte und gehört zu den Gebieten, in denen um das Jahr 800 die deutsche Sprache entstanden ist. Da hat es Berlin noch gar nicht gegeben, und Deutsch hätte dort niemand verstanden.
Die deutsche Standardsprache ist kein Regionaldialekt, der als landesweit vorbildlich erklärt wurde, sondern ein Kunstprodukt, das aus einem Wortschatz aus mittel- und oberdeutschen Dialekten besteht, die nach weitgehend niederdeutschen Regeln ausgesprochen werden.
Die Normierung der Aussprache wurde ursprünglich für Theaterbühnen festgelegt, aber spätestens durch Verbreitung von Rundfunk und Fernsehen (deren Sprecher ja die gleiche Sprachausbildung haben wie Schauspieler) gilt diese in ganz Deutschland als Vorbild.
Meine subjektive Sicht auf die Dinge: Weil es sich k4cke anhört.
Wäre Luther Wiener gewesen, wäre wienerisch hochdeutsch.