Warum ist das Jobcenter so menschenunwürdig?

10 Antworten

Neuerdings beziehe ich nicht nur teilweise Leistungen vom jobcenter und arbeite für es, indem ich Jugendliche qualifiziere, sondern studiere auch noch Soziale Arbeit. Ein bisschen. Ich übe mit meinem Kind für die Klausuren in diesem Fach.

Das hilft mir nun, diese Sachbearbeiter besser einzuschätzen. Diese sehen ihre Arbeit als einen Spagat zwischen einerseits dem Ermöglichen von Teilhabe, Teilhabe ist ein Schlüsselwort, und andererseits der Verwaltung.

Teilhabe bedeutet nun, dass man ein ausgefülltes Leben hat mit allem was dazu gehört, natürlich auch Arbeit, und nicht allein zuhause sein Leben ablebt. Das hört sich zunächst ganz gut an, ist aber in der Realität ätzend. Was geht diese Leute mein Privatleben und meine seelische Verfassung an? Dafür bin ich selbst zuständig. Ich möchte nicht wie ein Kind bekümmert werden. Ich will Geld von denen, sonst nichts, d. h. eventuell noch einen guten Auftrag.

Verwaltung verlangt eine ganz andere Grundhaltung. Im jobcenter bedeutet das neben der Schreibarbeit Disziplinierung über die Androhung oder Vollstreckung von Sanktionen. Verwaltung heißt auch Zwangsbewerbungen, inszenierte Vorstellungsgespräche, Teilnahme an Zwangsmaßnahmen, eben das Abarbeiten eines ganzen Programms, zu dem der Sachbearbeiter verpflichtet ist, mit dem Ziel den Kunden loszuwerden.

Dieser Spagat ist für den Angestellten nicht einfach. Er sieht z. B., dass ihn die Macht, die er durch die Verwaltung hat, langsam zu einem größenwahnsinnigen Despoten macht und dass von seinem ursprünglichen Anspruch, nämlich Leuten zu helfen, nicht viel übrig geblieben ist. Wie lässt sich diese Dilemma lösen? Nun, ganz einfach: Man stellt fest, dass der Kunde es nicht anders verdient. Er ist nun mal ein fauler Sozialschnorrer, der nicht in die Gänge kommt. Wenn ich ihn diszipliniere, dann nur, weil er das braucht. Er muss erzogen werden zu seinem besten. Sind die Maßnahmen, in den ich ihn stecke, sinnfrei und entwürdigend: umso besser. Anders will er es ja anscheinend nicht begreifen.

So schließt sich der Kreis. Der Sachbearbeiter kann Böses in bester Absicht tun. 

Ganz problematisch wird es, wenn man als Kunde selber etwas will und die irrige Vorstellung hat, das jobcenter können einem tatsächlich helfen, z. B. eine Ausbildung oder einen Job zu bekommen, für den man sich interessiert. Das ist zunächst nämlich nicht vorgesehen. Der Sachbearbeiter kann aus einem Pool von Bildungsträgern mit ihren Maßnahmen, die in erster Linie eben diesen Trägern und ihren Angestellten nutzen,  Angebote aussuchen oder einen in eine der beliebten Zeitarbeitsfirmen vermitteln. Erst wenn das alles erfolglos durchgestanden ist, besteht eine Chance, dass tatsächlich eine Vermittlung auf Augenhöhe stattfindet. Vorher steht der Frust. Gibt es Ärger im jobcenter mit Kunden, dann immer mit welchen, deren falsche Hoffnungen enttäuscht wurden, nicht mit den Opfern der Sanktioniererei. Die sind ganz kleinlaut.   

Diesen Leuten wird ein solches Verhalten antrainiert, und sie machen täglich Erfahrungen mit Schmarotzer, welche ihr leben lang auf Staatskosten leben. Das stumpft ab und macht vielleicht auch etwas mürrisch.

Dazu kommt dann noch das einige dieser „Arbeitsvermittler“ selber nie in der Wirtschaft gearbeitet haben. Sie haben dort ihre Lehre gemacht und Zeitlebens nichts anderes kennen gelernt als ihre 8 Räume, 8 Stunden und 30 Urlaubstage. Und da ist arbeiten doch so leicht und für Jeden zu bewältigen. Für diese Menschen ist es unverständlich warum es ein wirklich hartes Arbeitsleben geben könnte.

Zuletzt sind sie sich ihrer Nutzlosigkeit wohl bewusst. Das A Amt dient eigentlich nur den Arbeitern dazu, im Falle einer Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld zu erhalten. Arbeit wird dort nicht mehr vermittelt, dazu gibt es Zeitarbeits- Firmen und andere Organisationen welche sich rund und Pummelig an der Vermittlung verdienen.


Ich habe da ganz andere Erfahrungen.

Inkompetente Mitarbeiter, totales Bürokratie-Chaos, dort gehen ab und zu auch mal irgendwelche Dokumente flöten, die man ihnen zugeschickt hat.

Dann kommen noch Fehlentscheidungen dazu, bei denen man ständig Widerruf einlegen muss. Viele der Mitarbeiter kennen sich nicht mal mit dem SGB aus (falsche Angaben, unvollständige Zitate aus dem SGB, eigentlich formelle Nichtigkeit, da kein Grund für die Kürzungen der Leistungen ersichtlich wird).

Wenn solche Arbeitsweisen nur auf 50% der Mitarbeiter dort zutreffen, dann möchte ich sagen, deine Tante hat verdammtes Glück gehabt!


spaeschel85  13.03.2016, 23:42

Davon habe ich gehört. Von verschiedenen Personen in verschiedenen Städten in NRW!

Dokumente gehen verloren. Deshalb sollte man nichts schicken (auch nicht per Einschreiben), sondern muss alles persönlich hinbringen. Am Besten sogar noch zum entsprechenden Sacharbeiter. Und immer Kopien bereit- oder Originale zurückhalten.

Beim Verhalten der Mitarbeiter ist alles dabei. Inklusive sehr freundlichen und fähigen aber "im System gefangenen" Mitarbeitern, und inklusive inkompetenten Mitarbeitern die jedem Leistungsberechtigten unterstellen ein Schmarotzer zu sein.

Eine Dame von der Rezeption im Jobcenter sagte mal, seien Sie froh, dass sie hier (im ALG1-Bereich) sind, und nicht dort (im ALG2-Bereich). Dort wäre wohl die Hölle los.

Unsere Arbeitslosen dürfen nicht für unsere stockende Wirtschaft verantwortlich gemacht werden. So eine Behandlung ist menschenunwürdig.


@Fragesteller

Das ist so, weil die Politik mit Gewalt und künstlichen Mitteln versucht die Arbeitslosenzahlen runterzuschrauben. Auf Kosten der arbeitswilligen Arbeitslosen, die aus verschiedenen Gründen einfach keine Arbeit finden. Arbeit ist heute nun mal schwerer zu finden als noch vor 30 Jahren.

Zum Beispiel haben es Personen ab 40-45 Jahre schwer, je nach dem Zustand des Arbeitsmarkts vor Ort. Auf dem Land in Bayern findet eine 50 jährige Büromitarbeiterin leichter einen Job, als im Ruhrgebiet, wo die 21 jährigen Kolleginnen mit gleicher Ausbildung Schlange stehen.

Setz dich mal einen Tag lang beim Jobcenter oder beim Sozialamt auf den Flur und beobachte, was da los ist. Dann wunderst du dich, dass es noch so viele freundliche Mitarbeiter gibt!! 

Ich hatte zweimal Kontakt im Arbeitsamt, einmal meldete ich mich arbeitssuchend ohne Leistungsanspruch, da wurde ich sehr harsch behandelt. Den Job habe ich mir dann selbst gesucht (bekam keine Vermittlungsvorschläge), aber gerade meine Wut hat mich beflügelt und zum positiven Ergebnis geführt.

Das zweite Mal betraf es meinen Sohn, und hier wurden wir sehr freundlich und beratend kompetent behandelt, so daß ich nichts Schlechtes sagen kann. Er bekam auch zeitnah ALG1-Leistungen, ohne irgendwelche Schikanen.