Warum haben die USA ein 110Volt Netz?
Hallo,
warum haben die USA ein 110 Volt Strom Netz? Klar, jetzt noch zu ändern wird wohl nicht gehen, aber sonst.
Ich habe mal gelesen, das es um Sicherheit geht, aber als Durchschlagsspannung ist der unterschied wohl zu klein. Aber sonst ist es ja eher der Strom der limitiert werden sollte (Sicherung?) und nicht die Spannung.
5 Antworten
Das hat eigentlich lediglich historische Gründe, die man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts suchen muß. Damals war eben die USA Vorreiter und Pionier in der Elektrisierung. Ein Hauptgrund war die noch mangelnde Isolation der Leitungen, die meist noch durch Textilisolatoren ausgeführt war. Man erachtete 110V - meist zunächst noch als Gleichstromnetz ausgeführt - als sicher. Es gab damals auch einen großen Machtkampf zwischen Edison und Westinghouse ob nun DC oder AC verwendet werden soll mit teilweise skurrilen Demonstrationen. Man hat sich dann schließlich - allein schon wegen der Vorteile durch die Transformierbarkeit für 110V-AC entschieden. Als die Isolation der Leitungen und Geräte verbessert wurde, und Europa seine Elektrisierung vorantrieb, fiel die Wahl auf 220V. Zu diesem Zeitpunkt war in USA aber bereits so viel investiert und installiert, daß ein Wechsel nicht mehr vollzogen wurde. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde dann die Netzspannung auf 120V 60Hz geändert - Ähnlich wie in Europa ab 1987 auch die Änderung auf 230V 50Hz erfolgte.
Das hat meines Wissens rein historische Gründe. Das ist halt so gewachsen und alles wurde dafür ausgelegt. Alle Anlagen und Geräte zu ersetzen um auf andere Spannungen zu wechseln ist schlichtweg unmöglich.
Der Unterschied der Gefahr die von dem Strom ausgeht ist marginal zu unserem 230V System.
Gleiches ist übrigens bei unserem Eisenbahnsystem so. Die Oberleitungen haben eine Frequenz von 16 2/3 Hz (mittlerweile 16,7Hz). Das ist auch historisch gewachsen. Alle Anlagen und Fahrzeuge umzurüsten wäre viel zu aufwändig, als das Netz einfach so wie es ist weiterzubetreiben, auch wenn es effizienter sein könnte, mit höherer Frequenz.
Diese technische Entscheidung fiel in den USA in der Phase des Streits um die Stromart (Gleichstrom, Wechselstrom). Man entschied sich - auch wegen seinerzeit noch vergleichsweise mangelhaften Isolationstechniken - v.a. aus Sicherheitsgründen für eine - bei Wechselstrom - kaum lebensgefährliche Netzspannung.
Nach meiner Erinnerung wurde in den 50er Jahren auch noch hier in meinem Nachbardorf ein 120-V-Netz betrieben und in Heidelberg sogar noch ein Gleichstromnetz. Die heutigen technischen Normen setzten sich also auch hierzulande erst zögerlich durch.
Deine Überlegung "..sonst ist es ja eher der Strom der limitiert werden sollte"
ist nicht nachvollziehbar. Im Vergleich zum europäischen Versorgungsnetz ist die Spannung in den USA rund halb so groß. Das bedeutet bei der gegebenen Leistung jeweils die doppelte Stromstärke, die doppelte Querschnittsfläche der Kupferleiter und die doppelte Auslösespannung der Sicherung. Was sollte denn damit "limitiert" werden?
Es waren doch v.a. die hohen Stromstärken mit den hohen Kosten für starke Kupferleitungen, die in Europa zur Entscheidung für die höhere Spannung und damit zur "Limitierung der Stromstärke" führte.
Was sollte denn damit "limitiert" werden?
Ich hatte im Kopf, das bei gleicher Leistung ein höherer Strom Schädlicher ist.
"Schädlicher" für wen oder was?
Bei gleicher Leistung ist für das Opfer eines Stromunfalls die höhere Netzspannung "schädlicher".
Bei gleicher Leistung ist für den Geldbeutel des Elektro-Installations-Kunden der größere Kupferdrahtquerschnitt für die größere Stromstärke "schädlicher".
Genaugenommen haben sie ein 120V-Netz.
Edison favorisierte damals 110V DC, Tesla 240V AC. Die Idee DC zu nutzen, wurde schnell verworfen. Die 110V (inzwischen 120V) sind aber hängen geblieben.
Die Historie ist hier ausreichend und korrekt erläutert worden.
Soviel ich weiß, gibt es auch heute noch einige wenige Anschlussbereiche in Deutschland (alte Gebiete der DDR) wie auch in Belgien, in denen 110V- Netze noch vorhanden sind.
Eine darüber hinaus gehende bohrende Frage nach dem "warum" kann ich nicht nachvollziehen, denn wie du weißt, gibt es in den USA einiges, was anders (historisch gewachsen) ist, als in WESTeuropa:
- inch statt cm (Fuß statt Meter) (jeder dusselige IC mit Sockel ist zöllig)
- Galonen statt Liter
- pounds statt kg
- 60 Hz statt 50 Hz
- metrische Gewindewinkel, aber zöllige Steigung, in "Gängen" pro Zoll definiert
- UL statt CE und VDE
- Installationen üblich mit Motorcontroll-Centern abgesichert
- AWG statt europäische Querschnitte (Drähte)
- Fahrenheit statt Celsius
- Dollar statt Euro (ja, auch das ist relevant, ohne den Euro hätten wir wahrscheinlich sonst schon den Dollar, weil dieser weit verbreitet ist!)
Im Übrigen stimmt bezüglich Spannung Japan mit den USA überein (120V / 208V). Und im Baltikum gilt wie in einigen anderen östlichen Ländern in Europa immer noch 220V, während wir in Deutschland durch Wind- und Sonnenenergie getrieben schon die englischen Spannungen von früher überschreiten: bei der DB messe ich im öffentlichen Netz 418V (240V), im privaten Netz an der Steckdose teils 245V (GB hatte 240V).
Manche Leute erklären die DB-üblichen 16,7Hz falsch:
- entstanden ist diese niederfrequente Wechselspannung durch die früheren Mischstrommotoren, deren Verluste bei 50Hz zu hoch wären (dann hätte man wie im Trafo Feinbleche einsetzen müssen)
- die Übertragungsverluste bei 110kV (höchste Spannungsebene der DB-Netze) sind geringer (deshalb bleibt es beim eigenen 1-Phasen-Netz)
- der Ferranti-Effekt ist mit entscheidend
- 16,7 Hz statt 16 2/3 Hz wegen der heute üblichen elektronischen Umformung aus dem 50Hz-Netz, um (auch in den Harmonischen) asynchron zu sein (gleichmäßige Belastung der 3 Phasen aus dem 50 Hz Quellnetz)
Alles Gute!
Das es jetzt nicht mehr geändert werden (kann) habe ich ja schon geschrieben, aber wieso dennoch?