Warum dürfen Heilpraktiker in Deutschland ohne echte medizinische Ausbildung an Kranken herumdoktern?
Warum reagiert die deutsche Gesetzgebung nicht, obwohl durch diese Kurpfuscherei immer wieder Menschen sterben?
Siehe Sendung in ARD "Heilpraktiker - Quacksalber oder sanfte Medizin?" am 09.11.2020.
8 Antworten
Das Berufsbild des Heilpraktikers, ist längst überaltert, das Gesetz stammt noch aus dem Jahre 1939!. Es fehlt sämtliche gesetzlich geregelte Ausbildung für den Beruf "Heilpraktiker/in", stattdessen, muss man lediglich eine Prüfung beim zuständigen Gesundheitsamt ablegen, die auch erst seit 2017 durch eine Leitlinie des Bundesministeriums für Gesundheit genauer geregelt ist, davor, entschied jedes Gesundheitsamt selber über die Inhalte und über den Umfang der Prüfung. Auch die Prüfung seit 2017, ist verglichen mit den Prüfungen in den Gesundheitsfachberufen nicht wirklich anspruchsvoll, zum Beispiel umfasst die schriftliche Prüfung von Heilpraktiker/innen eine Dauer von zwei Stunden und enthält 60 Prüfungsfragen, in jedem Gesundheitsfachberuf, dauern die schriftlichen Prüfungen hingegen mindestens sechs Stunden, also das Dreifache. Zudem, dient die Prüfung zum Heilpraktiker nicht dem Nachweis von tatsächlichen medizinischen Kenntnissen und Fähigkeiten sondern dient der Gefahrenabwehr, der angehende Heilpraktiker muss "nur" nachweisen, dass er "keine Gefahr für die Volksgesundheit" darstellt- Durchführungsbestimmung zum Heilpraktikergesetz (HeilprG) und höchstrichterliche Rechtsprechung, u.a. des Bundesverwaltungsgerichtes.
Besonders "bedenklich" ist die fehlende Ausbildung und die Tatsache, dass es zwar etliche Schulen für Heilpraktiker/innen gibt, aufgrund der nicht existierenden gesetzlichen Ausbildungsvorschriften jedoch jede Schule ihren "eigenen Brei kocht", was die Dauer und die Inhalte der Ausbildung anbelangt. Zudem, fehlt komplett die praktische Ausbildung an echten Patientinnen und Patienten, es gibt lediglich einen theoretischen Unterricht und praktische Übungen unter den Schülerinnen und Schülern, dieser Unterricht, kann aber kein vollständiger Ersatz einer praktischen Ausbildung an echten Patient/innen sein, denn, wie soll man es bitteschön erlernen, auf ein bestimmtes Krankheitsbild zu schließen, wenn die Mitschülerin/ der Mitschüler, an der/ an dem man die Untersuchung durchführt, das jeweilige Krankheitsbild überhaupt gar nicht hat?!, man kann es nicht lernen, Abweichungen zu erkennen, wenn man in der Ausbildung nur gesunde Menschen untersucht, zum Beispiel beim Abhören von Lunge, Herz und Bauchraum.
Der absolute "Oberhammer" ist jedoch, dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker fast die gleichen Befugnisse wie Ärztinnen und Ärzte haben. Soweit mir bekannt ist, ja, ich habe den Kommentar unten gelesen, dürften sie sehr wohl sogar auch Operationen durchführen, wenn da nicht der Paragraph 13 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) wäre, wonach Betäubungsmittel und ohne diese ist halt keine Operation durchführbar, nur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht werden dürfen. Ansonsten, ja, dürften sie nach meinem Kenntnisstand sogar Operationen vornehmen, denn die Heilpraktiker/innen, dürfen als Einzige neben den Ärztinnen und Ärzten die Heilkunde ausüben.
Ich will den Berufsstand nicht "schlechtreden", allerdings besteht ein dringender Reformbedarf!, es bedarf dringend unbedingt einer staatlich geregelten Berufsausbildung und einer umfangreicheren Prüfung.
Mfg.
Hi,
Warum dürfen Heilpraktiker in Deutschland ohne echte medizinische Ausbildung an Kranken herumdoktern?
Du sprichst da durchaus ein Problem an - die Tätigkeit als Heilpraktiker unter den derzeitig geltenden Bestimmungen kann man leider nur als Anachronismus bezeichnen.
Warum das Ganze?
Zum einen haben Heilpraktiker durchaus eine "Lobby" und sind oftmals in entsprechenden Berufsverbänden organisiert. Auch an der alternativmedizinischen Branche hängt eine Menge Geld - ein Jahresumsatz im Milliardenbereich ist auch für den Staat nicht zu verachten (nur, um mal eine Parallele zur "bösen Pharmaindustrie" zu ziehen).
Zum anderen: "sanfte Heilverfahren" über Naturheilkunde, Homöopathie bis zu sonstigen alternativmedizinischen Angeboten stehen in der Bevölkerung sehr hoch im Kurs - vollkommen egal, ob wissenschaftlich belegt oder reine Esoterik.
Viele Leute möchten genau sowas, egal, ob sie Homöopathie von der Naturheilkunde unterscheiden können oder "sinnvolle Behandlung" von pseudowissenschaftlichen Mumpitz.
Viele wissen nicht einmal, dass sich hinter dem Heilpraktiker ein Titel ohne jedwede vorgeschriebene Ausbildung verbirgt. In einem Bereich, wo man praktisch für alles eine Qualifikation nachweisen muss, eine Farce.
Der Heilpraktiker kann "Bauchpinseln", die Leute finden es toll, gehen hin und halten das Geschäftsmodell fleißig am laufen.
Der "Krux an der Demokratie", wenn man es so nennen will, ist - die Mehrheit entscheidet, egal ob die Entscheidung eine fundierte Basis hat oder nicht. Und solange entsprechende Behandlungsmethoden gut ankommen, wird auch kein Politiker sich trauen, daran zu rütteln.
Lösungen
Im Prinzip gibt es nur zwei wirkliche Varianten, um den Status quo zu ändern:
- Abschaffungslösung - die Qualifikation zum Heilpraktiker wird einfach abgeschafft. Da man nicht einfach Berufsbezeichnungen von heute auf morgen unbrauchbar machen kann, wären sehr lange Übergangsfristen notwendig.
- Kompetenzlösung - entweder man macht den Heilpraktiker selbst zu einer geregelten Ausbildung mit staatlicher Prüfung (angesichts der Kompetenzen müsste sich das schon auf Hochschulniveau bewegen), oder man setzt zumindest eine Ausbildung im Gesundheitswesen mit mehrjähriger Berufserfahrung voraus.
Fazit
Das Problem sind meines Erachtens nicht die Heilpraktiker, die einen medizinischen Background haben, sich kontinuierlich weiterbilden und innerhalb des gegebenen Rahmens evidenzbasiert und patientensicher arbeiten und die Grenzen ihrer Kompetenz kennen.
Das Problem sind die "Frühverrentete Oma Erna, die noch nie was mit Medizin zu tun hatte und nach dem zehnten Prüfungsanlauf beim Gesundheitsamt nun Gesundheitsguru ist"-Heilpraktiker, deren Arbeit mehr mit Esoterik, als mit Medizin zu tun hat.
Und das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und die dazugehörige Durchführungsverordnung (HeilprGDV 1) lassen eben die Tätigkeit letzterer zu - die Minimalmaßstäbe, die gesetzt werden, reichen für eine sichere Arbeit am Patienten nicht aus. Und genau nach diesen arbeiten eben (zu) viele.
Zeitgleich wirft das Gesetz Steine in den Weg für andere, die einen Gesundheitsberuf erlernt haben, eine geregelte Ausbildung und staatliche Prüfung durchlaufen haben, und trotzdem nicht tätig werden dürfen - weil sie keine Heilpraktiker sind (z.B. Notfallsanitäter).
LG
Meine Freundin hat eine Heilpraktierausbildung. Klar darf man das jetzt nicht mit einem Medizinstudium vergleichen, aber die haben eine ganze Latte an medizinischer Ausbildung. Was sie mir immer für Fotos zwischendurch gezeigt hat..Bäh ;)
Das wusste ich nicht, ich bin davon ausgegangen dass das verpflichtend ist (das sollte es dann aber auch sein o o)
Das ist es definitiv nicht.
Wenn es Dich interessiert, es gibt die o.a. Sendung sicher noch in der ARD Mediathek.
Heilpraktiker brauchen bis heute keine gesetzlich geregelte Berufsausbildung, sie müssen lediglich eine Prüfung beim örtlichen Gesundheitsamt ablegen, welche auch erst seit 2017 durch eine Leitlinie des Bundesministeriums für Gesundheit genauer geregelt ist, vorher, entschied das zuständige Gesundheitsamt selber über den Umfang der Prüfung. Verglichen mit den Gesundheitsfachberufen, ist die Prüfung zum Heilpraktiker auch nicht gerade umfangreich, z.B. zwei Stunden schriftliche Prüfung mit 60 Prüfungsfragen, jeder Gesundheitsfachberuf, hat mindestens sechs Stunden schriftliche Prüfungen. Eine staatlich geregelte Ausbildung, ist für den Beruf Heilpraktiker/in bis heute ebenfalls nicht vorgeschrieben, es gibt zwar Schulen für Heilpraktiker, jedoch kocht da mangels gesetzlicher Vorschriften auch jede Schule ihren eigenen Brei, was die Dauer und die Inhalte der Ausbildung anbelangt. Zudem, fehlt sämtliche Ausbildung an echten Patientinnen und Patienten, es gibt nur Theorie und Übungen, was aber die praktische Ausbildung am echten Patienten niemals vollständig ersetzten kann, denn wie soll man zum Beispiel erlernen, auf ein bestimmtes Krankheitsbild zu schließen, wenn die Person, an der man in der Schule die Untersuchungen durchführt, dieses Krankheitsbild überhaupt gar nicht hat?!. Ich will den Berufsstand nicht "schlechtreden", denn es gibt auch "gute" Heilpraktiker/innen, welche vorher eine medizinische Berufsausbildung absolviert haben aber es gibt eben auch diese, welche komplett ohne Ausbildung nur die Prüfung bestanden haben und der HP hat fast Handlungskompetenzen wie Ärzte. Mfg.
Soweit ich weiß dürfen Heilpraktiker keine Operationen durchführen. Zudem ist es ihnen untersagt, eine Diagnose zu stellen.
Bin mir aber nicht ganz sicher.
Das, dass Heilpraktiker nicht operieren dürfen, das stimmt.
Aber sonst dürfen sie halt recht viel, und das obwohl jede Krankenschwester mehr Kenntnisse von Medizin hat.
Hab soeben gelesen, das Heilpraktiker tatsächlich keine Diagnose stellen dürfen
Wahrscheinlich, weil die Heilpraktiker eine gute Lobby haben. Würde man das Gesetz abschaffen/verschärfen, dürften tausende Heilpraktiker ihren Beruf nicht mehr ausüben. (Und es kann ein sehr lukrativer Beruf sein!) Heilpraktikerschulen-/Seminare etc. könnten kein Geld mehr mit Lehrgängen verdienen. Klar, dass es da Widerstand gibt.
Von mir aus könnt's weg …
Gute Antwort, kann ich gut nachvollziehen.
Aber das ist dann ein Armutszeichen für die deutsche Demokratie.
Das spricht für Deine Freundin.
Denn ihre Ausbildung war dann quasi ihr Hobby, denn etwas derartiges wird in Deutschland schlichtweg nicht verlangt.