Warum behaupten russlanddeutsche Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, dass Deutschland ihre Heimat sei und Deutsch ihre Muttersprache?
Ich habe gehört, gelesen, dass viele sogenannte Russlanddeutsche sagen, Deutschland sei ihre Heimat und sie seien in ihre Heimat zurückgekehrt.
Nur, die Definition von Heimat ist ja Ort/Land, wo man geboren ist. Das ist ja bei Russlanddeutschen NICHT Deutschland.
Oder ich habe öfters gelesen, dass sie behaupten, Deutsch sei ihre Muttersprache. Gerade die Aussage, sie hätten in Deutschland ihre eigentliche Muttersprache gelernt, klingt komisch. Ihre Muttersprache ist Russisch, das ist Fakt!
Definition von Muttersprache ist: Sprache, die man als erstes als Kind (von den Eltern) gelernt und primär im Sprachgebrauch hat. Das ist bei Russlanddeutschen logischerweise Russisch. Sie widersprechen also sich selbst, da sie untereinander Russisch sprechen. Also was jetzt?
Deswegen frage ich mich, ob sie das jetzt nur wegen des Krieges sagen, weil sie sich von russischer Kultur abgrenzen wollen und ihnen das peinlich ist, oder was ist der Grund?
10 Antworten
Moin Christina, Deutschland ist unsere historische Heimat, was anderes behauptet niemand. Unsere neue Heimat war bis 1943 die Ukraine, dann kamen wieder zwei Jahre Deutschland, und dann ging es plötzlich nach Sibirien in den Gulag. Russland ist nicht wirklich unsere Heimat sondern lediglich der Verbannungsort unserer Eltern und Großeltern, freiwillig wären wir dort nie gelandet. Auf der Suche nach neuem Land gingen unsere Vorfahren schon um 1900 eher nach Kanada als weiter ins Zarenreich hinein, deswegen habe ich jetzt auch viele entfernte Verwandte dort. Bei Wolgadeutschen war das freilich anders.
Und ja, wir sprachen Deutsch auch zu Hause in Russland bis zum Schluss, es ist tatsächlich meine zweite Muttersprache, so wie für viele Einwanderer hier Russisch oder Türkisch. Hier in Deutschland hat sich das Verhältnis der Sprachen zueinander praktisch umgedreht.
So ist es, meine Schwester - wie viele andere Deutsche aus Russland, die in Kasachstan, Russland oder auch in den anderen Republiken der früheren Sowjetunion (heute eigenständige Länder) gelebt haben - bis zur Einschulung in der Tat nur einen deutschen Dialekt gesprochen. Da kann man nicht davon sprechen, dass Russisch unsere Muttersprache sei. Da es sich eben um einen alten deutschen Dialekt handelt, der nach der Einschulung leider auch fast unterging und Russisch dann mehr dominierte, kommt es vielen unwissenden so vor, als ob die Muttersprache der Deutschen aus Russland Russisch wäre.
Woher ich das weiß: Eigene Erfahrung.
Heimat ist kein feststehender Begriff.
Dass Russlanddeutsche russisch sprechen, liegt daran, dass sie dort aufgewachsen sind und deutsch sprechen mindestens zeitweise verboten war. Aber zuhause haben sie eigentlich deutsch gelernt.
Und Russlanddeutsche waren in Russland auch nicht gerade gut angesehen, weshalb sie sich eher nach Deutschland orientiert haben - wo sie wiederum nicht willkommen sind.
Mit dem Krieg hat das nicht viel zu tun, weil das früher schon so war. Möglicherweise hat es sich durch den Krieg aber wieder verstärkt.
Die Deutschen aus Russland oft auch Russlanddeutsche genannt kommen bereits sein den 1950-ger Jahren und nicht erst seit 1990 nach Deutschland.
wd-3-036-16-pdf-data.pdf (bundestag.de) (Seite 3, Punkt 2)
https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Glossar/glossar.html?nn=1215960&cms_lv2=1215772
stimmt auch wieder. Aber es gab Zeiten, da durften sie dort nicht raus.
Und seit der Eiserne Vorhang sich gelüftet hat, wurden es eben sehr viele.
Wer also in Somalia geboren ist, weil seine Eltern dort an der deutschen Botschaft gearbeitet haben, hat dort seine Heimat. Wer auf einem Schiff in neutralen Gewässern geboren ist, hat gar keine Heimat. Wer in der Gefangenschaft geboren ist, dessen Heimat soll Gefängnis sein.
Die meisten Russlanddeutschen sind übrigens nicht in Russland geboren, sondern in Kasachstan, wohin ihre Grosseltern verschleppt wurden und wo sie festgehalten wurden. Die Kasachen sind nicht damit einverstanden, dass eine ihnen völlig fremde ( kulturell, sprachlich und religiös fremde) Ethnie ihr Land für sich als Heimat beanspruchen würde.
Die Russlanddeutschen meinen, dass Deutschland Heimat ihrer Vorfahren ist. Dazu stehen sie und warum nicht...
Es ist mir klar, dass dir das alles egal ist. Weil zu kompliziert für dich.
Die durften in Russland doch gar nicht deutsch sprechen. Die alten Leute die auch nach DE kamen, konnten es noch. So kam es dass z.B. in der Schulklasse meiner Tochter immer die Oma zum Elternsprechtag mitkam, weil die Mutter eines Kindes aus Russland kein deutsch sprach. Die Oma dagegen schon. Erst in den 80ern durften sie ausreisen. Lebten also schon seit mehreren Generationen in Russland und wurden von Stalin aus ihren Gebieten vertrieben.
"Die durften in Russland doch gar nicht deutsch sprechen"
Das stimmt doch gar nicht. Mein Patenonkel hat in Russland immer deutsch gesprochen und hatte sogar Deutschunterricht in der Schule
Ich meinte unter Stalin. Später kam ja die DDR dazu, da wurde ja auch russisch in der DDR gelehrt.
Unter Stalin war es verboten, ja. Aber später nicht mehr. Mein Patenonkel ist Jahrgang 1957, geboren in Sibirien und seine Muttersprache ist deutsch
Warum behaupten russlanddeutsche Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, dass Deutschland ihre Heimat sei und Deutsch ihre Muttersprache?
Das kannst du alles hier nachlesen:
https://www.ekd.de/ein-ueberblick-der-russlanddeutschen-geschichte-72351.htm
Ich habe gehört, gelesen, dass viele sogenannte Russlanddeutsche sagen, Deutschland sei ihre Heimat und sie seien in ihre Heimat zurückgekehrt.
Russlanddeutsche werden nicht nur so genannt. Sie sind es auch tatsächlich, ob du es glaubst oder nicht. Und ja, Deutschland ist unsere Heimat.
Oder ich habe öfters gelesen, dass sie behaupten, Deutsch sei ihre Muttersprache. Gerade die Aussage, sie hätten in Deutschland ihre eigentliche Muttersprache gelernt, klingt komisch. Ihre Muttersprache ist Russisch, das ist Fakt!
Bei einigen trifft das zu. Die meisten haben jedoch Russisch als Muttersprache, was jedoch normal ist, wenn man in Russland geboren wird, dort lebt, KiTa und Schule besucht und später arbeitet. Dennoch können viele Deutsch als zweite Muttersprache.
Deswegen frage ich mich, ob sie das jetzt nur wegen des Krieges sagen, weil sie sich von russischer Kultur abgrenzen wollen und ihnen das peinlich ist, oder was ist der Grund?
Russlanddeutsche Kultur ist eine Mischung aus beiden Kulturen bzw. teilweise sogar aus mehreren. Schließlich wurde der Großteil der Russlanddeutschen 1941 nach Zentralasien deportiert. Zu der Zeit war die deutsche Kultur dort aus verständlichen Gründen tabu und man wurde gezwungen als Deutscher eine andere Kultur zu leben.
die Rußlanddeutschen kommen seit 1990, da war von Krieg noch keine Rede.