War dieses Auto Ende der 90er noch modern oder schon altmodisch?

7 Antworten

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Das ist ein Mercedes W124, gebaut von 11/1984 bis 07/1997. Als wie modern man dieses Auto einstuft hängt aufgrund des langen Bauzeitraums vom Baujahr und von der Motorisierung ab und ist bisweilen widersprüchlich:

Das Design des damaligen Mercedes-Chefsesigners und Deutsch-Italieners Bruno Sacco würde ich zeitos nennen. Es orientiert sich streng an aerodynamischen Gesichtspunkten, ist ein funktionaler Stufenheck-Keil mit klaren Linien. Bei modernen Mercedes-Modellen hat man bisweilen den Eindruck dass abfallende Heck dem hüftkranken Deutschen Schäferhund des Designers nachempfunden ist!

Das bis 1990 produzierte Basismodell Mercedes 200 verfügte aber nicht einmal über eine elektronische Einspritzung und konnten schon damals nicht mehr als "modern" eingestuft werden.

Ebenso verwendete Mercedes in den 2.0-Liter-Diesel-Basismodellen bis zum Ende der Bauzeit träge Vorkammer-Saugdieselmotoren Turboaufladung war nicht einmal gegen Aufpreis erhältlich. Deren Beschleunigungsvermögen von 18.5 bis über 20 Sekunden (je nach Krosserie/Getriebe) von 0-100Km/h war damals schon veraltet. Peugeot oder Citroen waren erheblich flotter, und der 1989 auf der IAA vorgestellte Audi 100 2.5 TDI schwang sich gar zu einer Höchstgeschwidigkeit von 200Km/h auf. Die Mercedes 2.5-Liter Turbodieselmotoren boten für teures Geld ein ähnliches Leistungsniveau, nicht jedoch einen vergleichbar niedrigen Verbrauch weil es sich um Motoren mit Vorkammern statt Direkteinspritzung handelte, Vorteil: leiseres Verbrennungsgeräusch.

Die Mercedes-Saug-Dieselmotoren sind für ihre Lebensdauer legendär, teilweise über 500.000Km. Auch z.B. der Benziner 230E mit der älteren 2-Ventiltechnik gilt als sehr haltbar, anders als beispielsweise der 300er 24-Ventiler. Die sonstige Qualität bereitete anfangs viele Probleme, z.B. aufplatzende Tür-Innenverkleidungen, und führte sogar zu einem Taxifahrer-Streik. Im Laufe seiner langen Bauzeit erlangte die W124 Baujahre jedoch eine ausserordentliche Reife.

Ende der 90er war das tatsächlich noch modern. Aber schon 2002 zum Beispiel war das Design restlos veraltet.

Es war altmodisch von Anfang an. Aber auch etwas zeitlos.

Hallo!

Dazu kann ich sehr viel sagen, weil ein W124 als 230E Automatik von 1989 bis 2012 unser treuer und immer sehr zuverlässiger, wenn auch ab ca. 15 Jahren rostfreudiger Begleiter war. Wir hatten ihn durch meine gesamte Schulzeit (1997 bis 2007) und in dieser Zeit merkte man sehr deutlich, wie sein "Ansehen" sich veränderte.

Hat man mich anfangs noch wegen unserem Mercedes bewundert, zumal der 124er für lange Zeit als einer der besten und beliebtesten Gebrauchtwagen gegolten hat und der Einstieg für vernünftige 124er bei mindestens 15000 D-Mark begonnen hat - die Eltern der anderen fuhren damals sehr häufig den Ford Sierra, gern als Kombi mit abgedunkelten hinteren Fenstern, den VW-Passat Variant oft als 32B (bis 1988) oder den Opel-Kadett E Caravan, gern auch als heute sehr seltenen Dreitürer, sowie Renault R-19, Ford Escort, ältere Audi 80 und Ähnliches - sank das Ansehen ab etwa 2001 deutlich: Viele Leute nahmen den W124 fortan nur noch als biederes "Alte-Leute-Auto" für trutschige Rentner oder billigste Gelegenheit einen Benz zu fahren oder als grundsätzlich nach Diesel riechendes Taximobil wahr, als Inbegriff von Spießigkeit und Langeweile, oder als Zeichen von sozial schwachen Leuten, die ihr "Image" aufpolieren wollen, indem sie einen einigermaßen fertigen frühen 200-Vergaser ohne Kat oder Ähnliches in ausgekreidetem "Taigabeige" oder altmodischem "Silberdistel-Metallic" von der Resterampe für 2990 D-Mark holten.

Ich musste mir ab dieser Zeit auch tatsächlich sehr viel wegen dem 230E anhören, gerade meine Mitschüler der Realschule - die aber auch sehr materialistisch denkende verwöhnte Kiddies aus Familien aus einer noblen Siedlung waren, in der sich die Eltern gegenseitig mit dem Kauf von Passat VR6 oder danach TDI Pumpedüse, Sharan, Touran bester Ausstattung und Ähnlichem ausstechen wollten - hatten immer was zu meckern, belustigten sich über dieses Fahrzeug und auch die Eltern meiner Mitschüler munkelten in der 9. oder 10. Klasse zeitweilig, wir würden den alten beige-braunen Mercedes fahren, weil es am Geld klemmt...

Je älter er wurde, umso "kultiger" wurde er aber und mein erstes eigenes Auto ab Ende 2008, ein 1989er Audi 100 C3, der einige Wochen jünger war als unser 230E, gefiel einigen grade weil er so erkennbar alt, kantig und klassisch ("old-schoolig" sagten manche, nun denn^^) dahergekommen ist -----> und unser 124er galt bei manchen dann auch als cool. Bin mir sicher: Gäbe es unseren 230E - mit typischen 80er-ALufelgen der Marke "Stinnes", Gelhard Cassetten-Radio und Heckblende, die Ende der 80er der letzte Schrei war - noch heute, würden die einst so amüsierten Mitschüler von damals mich wegen dem "kultigen Youngtimer" loben. Einige haben's zumindest vor 2-3 Jahren mit meinem dem 124er sehr ähnlichen W202 in typischem 90er-Jahre-Grün getan und das klang nicht nach Ironie.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

JJJCC 
Beitragsersteller
 06.10.2018, 23:45

du hast dich aber eingehend mit eurem Familienauto beschäftigt :)

habt ihr den noch?

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rotesand  07.10.2018, 10:24
@JJJCC

Nein, mein Opa hat 2012 das Autofahren aufgegeben. Das Problem war aber nicht seine Gesundheit, sondern die schlechte und rostige Substanz des Wagens - mein Opa meinte dann, dass man mit 87 Jahren nicht mehr zwingend selber fahren muss, er war auch zu Fuß noch sehr gut und wir haben das Fahrzeug dann ins Ausland verkauft. Ein paar Sachen wie den Stern, die Mappe mit Betriebsanleitung, Wartungsheft usw., das alte Radio und die Fellsitzbezüge habe ich aufgehoben.

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Eidolon150  06.10.2018, 21:35

Bei meinen Freunden und Bekannten war vor allem die Coupe - Version sehr beliebt. Ein guter Bekannter fährt den 300CE noch heute sehr gerne. Vorbesìtzer war sein Schwiegervater.

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Diese alten Mercedes sind eigentlich zeitlos. Auch wenn sie technisch schon veraltet waren, sind sie in den 90er und heute noch top. Lieber eine alte E Klasse als eine neue.

Damaliges Design war so gemacht, dass es lange gut aussieht. Nach und nach wurde das Design auch bei Mercedes kurzlebiger.


JJJCC 
Beitragsersteller
 06.10.2018, 20:13

Ich verstehe aubsolut was du mit der Kurz- und Langlebigkeit von Designs meinst. Ich versuche seit langem herauszufinden, was beides eigentlich ausmacht (auch in der Architektur und so weiter). Ich glaube, um so mehr die Designs einfachen geometischen Formen nahekommen, desto zeitloser sind sie. Außerdem ändert sich ständig, welche Farben und Farbkombinationen und Muster gerade inn sind. Naja, ich bin noch am Anfang meiner "Forschung" : )

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Die5W  06.10.2018, 22:23
@JJJCC

Würde mich auch interessieren, was zeitloses Design ausmacht. Wahrscheinlich ist es die Einfachheit, die Trends überdauert. Eventuell, wird auch mehr Zeit und Aufmerksamkeit ins Detail gelegt.

Guter Ausgangspunkt sind vielleicht die 10 Design Prinzipien von Dieter Rams. Egal ob Braun Produkte, die später von Apple kopiert wurden, oder Mercedes E Klasse. Ist auf alles übertragbar.

http://www.designwissen.net/seiten/10-thesen-von-dieter-rams-ueber-gutes-produktdesign

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