Wann ist es eine Notwehrsituation und straffrei?

7 Antworten

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Also das Notwehrrecht richtet sich nach § 32 StGB.

Strafgesetzbuch (StGB) § 32 Notwehr

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Du müsstest prüfen:

I. Notwehrlage

Es bedarf für eine Notwehrhandlung zuerst der Notwehrlage: Diese ist ausweislich des § 32 II StGB dann gegeben, sofern ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegt.
Dieser liegt bei den Bsp, die du genannt hast vor (will dich jetzt nicht mit den ganzen juristischen Definitionen quälen ).

II. Notwehrhandlung

Verteidigen darfst du dich innerhalb von § 32 StGB nur gegen die Rechtsgüter des Angreifers; wenn nicht, sind wir im Bereich der Notstände (§§ 34 StGB, 228, 904 BGB);

Deine Handlung muss erforderlich sein, also geeignet und das relativ mildeste Mittel.
Das mildestes Mittel könnte problematisch bei dir sein, wir unterstellen aber mal, es wäre das mildeste.

Der eig. Schwerpunkt ist im Bereich der Gebotenheit.

Du wehrst dich gegen Bagatelldelikte (Kleinkram) und das ist nicht vom § 32 StGB umfasst. Beleidigungen sind, sofern sie ausgesprochen sind auch nicht mehr unmittelbar gegenwärtig.

Deshalb wäre das Schlagen gegen den Kopf hier völlig ungeboten.

Jedoch kann sich der andere, der dich provoziert hat, nicht auf Notwehr unmittelbar berufen, wenn du ihn danach angreifst, da er dich provoziert hat. Dann würde Ausweichen, Schutzwehr und dann erst Trutzwehr gelten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Das ist keine Notwehr sondern Körperverletzung. Du kannst dich auch verbal wehren ohne gewalttätig zu werden oder dem aus dem Weg gehen, einfach weggehen und nicht die Beherrschung verlieren. Notwehr ist eine Situation wo man ernsthaft um sein Leben fürchten muß, wenn dich jemand mit einem Messer bedroht oder so.


SuperKuhnibert4  28.09.2024, 11:50

Jedes Individualrechtsgut ist notwehrfähig. Und "einfach weggehen" muss man eben nicht. Man muss dem Unrecht nicht weichen.

BlackSoul818  28.09.2024, 11:52
@SuperKuhnibert4

Brauchst ja nicht weichen, kannst dich wie gesagt auch mit Worten wehren, statt den die fresse zu polieren oder einfach ignorieren und weggehen. Es ist keine Situation wo man um sein Leben fürchten muss.

BeviBaby  28.09.2024, 12:03
Notwehr ist eine Situation wo man ernsthaft um sein Leben fürchten muß, wenn dich jemand mit einem Messer bedroht oder so.

Nein, Notwehr ist dann statthaft, wenn dein Rechtsgut durch einen gegenwärtigen Angriff bedroht wird.

Auch die persönliche Ehre ist notwehrfähig und tatsächlich ist dagegen auch körperliche Gewalt erlaubt, wenn das ein geeignetes und erforderliches Mittel ist.
Das kann z.B. insbesondere dann der Fall sein, wenn vorhergehende verbale Versuche die Beleidigungen zu stoppen nichts gebracht haben.

Weggehen wiederum mutet dir das Gesetz nicht zu. Recht muss Unrecht nicht weichen.

BlackSoul818  28.09.2024, 12:09
@BeviBaby

Aber das beschriebene ist doch keine Situation die Schläge rechtfertigen. Das ist eine Situation wo man sich provozieren lässt und ein Grund zum zu schlagen sieht, sprich Körperverletzung. Denn es gab genug andere Gründe dies zu vermeiden, wie einfach weggehen.

Notwehr ist die Handlung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff gegen ein geschütztes Rechtsgut zu beenden. Der von Dir beschriebene Angriff ist ein Angriff auf die Ehre, die zu den geschützten Rechtsgütern zählt.

Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen. Du bist also nicht verpflichtet, den Schauplatz einfach zu verlassen und damit dem Angriff auszuweichen. Das wäre anders, wenn es sich beim Angreifer und eine erkennbar nicht zurechnungsfähige Person handelt (Rauschmittel, geistige Einschränkungen). Dann musst Du ausweichen.

Das Gesetz sieht keine Angemessenheitsprüfung für die Notwehrhandlung vor. Wohl aber muss der Verteidigende das mildeste unter allen ihm in diesem Augenblick zur Verfügung stehenden Mitteln wählen, das den Angriff nachhaltig beendet. Für bestimmte Abwehrmittel (Schusswaffen) gelten ergänzende Regeln.

Wichtig in dem von Dir beschriebenen Fall ist die Einschätzung, ob der Angriff voraussichtlich andauert (Notwehr) oder in dem Moment eigentlich beendet war, weil der Angreifer bereits weiter zieht (keine Notwehr mehr).

Bei der Auswahl der Notwehrmittel ist ein Schlag eigentlich das mildeste Mittel, er muss aber nicht immer wirksam sein. Gegenrede, auch Schreien, muss nicht wirken. Mildere Mittel standen damit nicht zur Verfügung. Das könnte anders bewertet werden, wenn Du kampferfahren bist (Profi-Boxer). In diesem Fall wäre vielleicht ein Schlag auf eine andere Körperregion risikoärmer aber ebenso wirkungsvoll.

Die Folgen der Notwehrhandlung muss der Angreifer hinnehmen, auch wenn Sie schwerwiegend sind. Sogar ein Tod infolge des Schlags führt nicht zur Bestrafung, weil er ja nicht bezweckt, sondern nur Begleiterscheinung ist.

ABER: bei jeder Notwehrhandlung mit gesundheitlichen Folgen muss die Staatsanwaltschaft ermitteln und ggf. ein Gericht urteilen. Vor Gericht und auf hoher See sind wir alle ja bekanntlich in Gottes Hand. Mit anderen Worten: wie der Richter urteilt, ist oft nicht vorhersehbar. Dieses Risiko trägt der Angegriffene. Ob Du dieses Risiko eingehst oder vielleicht doch besser den Rückzug antrittst, musst Du wissen.

Kriegt man dann Strafe? 

Kommt auf den individuellen Fall an.

Wenn jemand dich ärgert, beleidigt, mit Wasser nassspritzt, sich dann umdreht, um wegzugehen und DANN schlägst du ihm mit der Faust gegen den Schädel, dann ist das nicht mehr von Notwehr gedeckt.

Notwehr dient dazu eine gegenwärtige Gefahr von sich abzuwenden. Wenn die Gefahr schon durch ist, dann ist das Handeln auch nicht mehr von der Notwehr an sich gedeckt. Höchstens von der Erweiterung des Wortlauts des Notwehrexzesses, doch danach klingt es für mich auch nicht.

Ich persönlich würde es sein lassen. Schlicht weil ein körperlicher Angriff die ganze Sache in aller Regel nur auf die nächste Eskalationsstufe hebt. Aber das sind praktische Erwägungen, keine rechtliche Bewertung deines Handelns.


SuperKuhnibert4  28.09.2024, 11:52
Notwehr dient dazu eine gegenwärtige Gefahr von sich abzuwenden. 

Oder von anderen Personen.

BeviBaby  28.09.2024, 12:04
@SuperKuhnibert4

Stimmt, ich persönlich differenziere da bzgl. 'Notwehr' und 'Nothilfe', aber das Gesetz deckt als Notwehr natürlich beides ab.

Man bleibt dann straffrei, wenn die Handlung erforderlich war, einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abzuwenden. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit findet nicht statt.

Da muss immer der Einzelfall betrachtet werden.