Texte in althochdeutsche Sprache?

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Dass man am Hofe Karls des Großen auch Latein sprach, ist zwar richtig, dennoch muss man bedenken, dass damals (800 n.Chr. oder später) nahezu alle Menschen, die Latein konnten, dies lediglich als erlernte Zweitsprache benutzten (und der praktische Grund war klar: am Hofe lebten Menschen unterschiedlichster Herkunft und Muttersprache) und dies keine Muttersprache mehr darstellte.

Und im Rahmen der Kirche war Latein natürlich auch weit verbreitet (Klerus, Klöster, Messen usw.). Und dies auch noch lange nach Karl, erst durch Martin Luther setzte ein gewisser Rückgang (aber kein vollständiger) der lateinischen Sprache ein.

Freilich war Karls Muttersprache Fränkisch, also eine germanische Sprache, welche dem Althochdeutschen ähnlich war. Menschen lernten in der Schule Latein als zweite Sprache (und selbst auf Island gab es "Lateinschulen"), ähnlich wie wir heute Englisch als zusätzliche Sprache lernen.

Man konnte also mit Althochdeutsch durchaus recht viele Menschen erreichen, zumal man auch bedenken musste, dass das "einfache Volk" im Regelfall kein Latein konnte. Ein Text wie der "Muspilli" konnte freilich nur von solchen Leuten gelesen werden, die eben auch lesen konnten (wohl eher eine Minderheit), die aber keine zusätzliche lateinische Bildung mehr benötigten.

Die waren wohl weniger zum Lesen gedacht, als dafür, Wissen zu bewahren. Geschrieben wurde in Klöstern, wo die Bücher in Bibliotheken aufbewahrt wurden. Bücher waren extrem wertvoll und teuer. "Leser" in dem Sinne von heute, wo man Bücher an jeder Ecke geschenkt bekommt, gab es nicht.

Und dann gab es natürlich Gesetzestexte. Google mal nach hexenhammer, sachsenspiegel.. (ja, die waren deutlich später, ich weiß)

Die Ritter sprachen schon auch ihre jeweilige Landessprache. International verständigten sie sich aber auf Laien, denn das sprachen alle. Wahrscheinlich nicht wie Cicero, aber zum Verständigen reichte es.

Nein, Ritter sprachen kein Latein, so gebildet waren die nicht. Latein beschränkte sich auf den Klerus und ggfalls den höheren Adel.

Einige Mönche haben die Texte auch einfach aus akademischen Interesse dokumentiert und viele althochdeutsche Texte sind Übersetzungen von biblischen und kirchlichen Texten.


OlliBjoern  22.10.2024, 19:16

Stimmt.

Interessanterweise ist der "Muspilli" keine simple Übersetzung eines biblischen Textes, auch wenn er sicher biblische Motive enthält (die Endzeit, Elias usw.), sondern eine interessante Mischung aus biblischen und "germanischen" Motiven.

Auch wenn eindeutig Elias genannt wird in diesem "Endkampf", so erinnern etliche Motive und Formulierungen auch Motiven aus nordgermanischen Mythen, so etwa um Ragnarök, Thor und "Muspellsheim" (und "Midgard").

Mir scheint es fast, als habe man hier den Ragnarök-Kampf, der ja auch von Thor handelt, als bekannt vorausgesetzt, und hat stattdessen "Elias" als biblische Figur hineingesetzt ("Thor" wird nicht namentlich genannt).

Im Muspilli steht " Sobald das Blut des Elias auf den Boden tropft, dann geraten die Berge in Brand, nicht ein Baum bleibt auf der Erde stehen, die Wasser trocknen aus, das Moor versiegt, es schwellt in Lohe der Himmel, der Mond fällt herab, ‚Mittelgart‘ (= Midgard) verbrennt, kein Stein bleibt stehen."

Das erinnert stark an diese Stelle aus der Edda (nachdem Thor gefallen ist):
"Sól tér sortna, sígr fold í mar,
hverfa af himni heiðar stjörnur;
geisar eimi ok aldrnari, 
leikr hár hiti við himin sjálfan."

Ich bin mir recht sicher, dass in der Bibel keine Moore versiegen (dass es in Palästina Moore gab/gibt, scheint mir eher unwahrscheinlich), das sieht nach einem germanischen Motiv aus.

Auch "es schwellt in Lohe der Himmel" passt sehr gut zu dem altnordischen Text. "Muspell" ist im Altnordischen stets ein Verweis auf Feuer/Weltuntergang durch Feuer.

Auch in der Bibel gibt es eine Verbindung von Elias mit Feuer (dort wird aber ein "feuriger Wagen" erwähnt), manche Motive lassen sich gar nicht eindeutig zuordnen, da sie in beiden Mythen vorkommen.

MasonI567 
Beitragsersteller
 22.10.2024, 18:13

Ich glaube auch, dass schon lange vor Luther deutschsprachige Bibel entstanden.

salome77  22.10.2024, 18:15
@MasonI567

Gab es ja auch. Nur waren die Übersetzungen kein großer Wurf.

Stellwerk  22.10.2024, 19:01
@MasonI567

Das hat nichts mit glauben zu tun, das war nun mal ein Teil der Texte, dazu juristische bzw. Verwaltungsdokumente, Heldensagen, Zaubersprüche aus dem Volksmund. Vieles wurde nicht für jemanden geschrieben, sondern dokumentarisch aufgezeichnet.

Die Qualität und der Umfang der Lutherschen Bibelübersetzung sind eine völlig andere Liga.

Wer meint denn, dass unter Rittern und am Hofe Latein gesprochen wurde? Das stimmt ganz sicher nicht.

Bücher wurden zur Zeit des Althochdeutschen in erster Linie mit religiöser Motivation geschrieben. Außerdem konnte so Wissen, auch jenseits der Religion, festgehalten und weitergegeben werden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Master in Linguistik