Taugt Tschernobyl überhaupt noch als Argument gegen Atomkraft wenn man sich die Informationen zu dem GAU ansieht?
Hey ich habe mir auf ZDF eine Dokoreie über Tschernobyl angesehen (Tschernobyl-Die Katastrophe) und wie es dazu kam und danach hatte ich das Gefühl:
Tschernobyl ist eigentlich kein Argument gegen Atomkraft, weil da so viel passiert ist was nicht wirklich was mit Atomkraft zu tun hat.
Informationen aus der Doku:
- Der Reaktortyp wurde vorher nicht getestet und gemäß der politischen Agenda sehr groß gebaut.
- Der Reaktortyp ist schwierig zu steuern und anfällig für den Negativ-Void Effekt.
- Die Bauqualität war nicht so gut.
- Die Computer die die Daten auswerten brauchen 20-30 Minuten dafür so das kaum Echtzeitdaten gibt.
- In anderen Anlagen gesammelten Daten und Erfahrungen wurden geheim gehalten und nicht an ähnliche Anlagen weitergeleitet.
- Bei niedriger Leistung werden die Messdaten ungenau weil dann nur noch in 6 statt 12 Zonen die Temperatur gemessen wird.
- Der verantwortliche Mitarbeiter musste gegen sein Bauchgefühl handeln weil sein Vorgesetzter das befolen hat.
- Der ganze Vorfall wurde versucht zu vertuschen, wodurch die Leute in anderen Bereichen des AKW und der Stadt daneben den Strahlen ausgesetzt wurden.
5 Antworten
Hallo,
Wenn ich deine Argumentation richtig verstehe, dann sagst du, dass Tschernobyl nicht als Argument gegen Atomkraft taugt, weil es eine ganze Reihe von menschlichem Versagen gab, und die "Havarie" nur deswegen zustande kam?
Einer solchen Argumentation möchte ich widersprechen:
Das würde ja bedeuten, nur solche Technik wäre abzulehnen, die selbst bei vollständig korrekter Konstruktion und Bedienung, letztendlich also zwangsläufig und immer, zu schweren Unglücken führt.
Für mich zeigt Tschernobyl vielmehr zusammen mit der Liste von weitern Kernkraftwerksunfällen:
https://www.global2000.at/unfaelle-atomkraftwerke
dass dieser menschliche Faktor mit in die Betrachtung einzubeziehen ist. Es kommt bei dieser Technik doch offensichtlich immer wieder zu Störfällen, von denen sich jeder einzelne ein kleines bisschen gravierender auf die gesamte Erde auswirkt als, sagen wir, eine überlaufede Kaffeemaschine. Im Falle der Kaffemaschine finde ich es absolut in Ordnung, lediglich im Einzelfall zu hinterfragen, ob vielleicht eine Fehlbedienung vorlag (und diese spezielle Person vielleicht nicht mehr mit der verantwortungsvollen Aufgabe des Kaffekochens betraut werden sollte!) oder ob dieses spezielle Modell vielleicht falsch konstruiert ist (ich hab mal eine Maschine erlebt, bei der war das Fassungsvermögen des Wassertanks größer als das der Kanne!) Deswegen fordere ich nicht gleich einen weltweiten Bann von Kaffeemaschinen. Bei Kernkraftwerken aber sehe ich das anders!
Der Operator hat verbotener Weise alle Kühlpumpen abgeschaltet.
Das Grid hat eine Leistung im niedrigen, unzulässigen Bereich gefordert über mehrere Stunden.
Der militärische Reaktor ist nicht druckdicht eingehaust.
Den brennbaren Graphitmoderator brauchen nur Reaktoren für den Atombombenbau.
Tschernobyl war so ein toller grosser Unfall, genau das hat den AKW Gegnern immer gefehlt.
Wen stört schon, das der Reaktor völlig veraltet war und das so ein Unfall in Deutschland niemals möglich war.
Aber Fukushima war sogar noch besser:
Nicht meine Baustelle, habe aber ein paar Teile auch gesehen.
Frage, die mir nach dem Anschauen kam: die Explosion hat man doch bis in weite Entfernungen hören müssen, wieso hat angeblich kaum jemand (außer den unmittelbar Betroffenen) etwas mitbekommen ?
Tja, beherrscht man die Technik, sind z.B. die menschlichen Fehler heute ausgeschlossen ?
Naja in der UDSSR sollte man generell sivh nicht so viele Gedanken über Vorkommnisse machen wenn man keinen Ärger mit den Behörden haben wollte.
"... der Großteil des Geräuschs ..." naja.
Niemand konnte sich vorstellen wie das klingt, und niemand konnte sich damals vorstellen, dass das passiert.
Genau. Deswegen haben viele nicht gleich ans AKW gedacht. Übrigens nicht mal die Leute, die in der Nacht da gearbeitet haben. Die haben zuerst an ein Erdbeben oder einen Luftangriff gedacht.
Bei dem Argument geht es ja weniger darum so zu Argumentieren, dass moderne Reaktoren ebenso unsicher wären und auch die verbesserten RBMK der Russen sind es nicht mehr, sondern es zeigt einfach viel mehr zu was sich so ein Störfall entwickeln kann. Die Art und Weise wie es dazu kommt ist dafür zunächst mal zweitrangig, bei der Argumentation gehts am Ende nur darum worin das Enden kann.
Natürlich kann in einem modernen Reaktor nicht 1 zu 1 der selbe Störfall ablaufen wie in Tschernobyl und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu so einem Störfall in einem modernen Reaktor kommt ist natürlich klein.
Tschernobyl ist ein militärischer Reaktor zur Atombombenproduktion und hat deshalb einen 3400 Tonnen schweren brennbaren Graphitkern eine druckdichte Umhausung gab es nicht.
So etwas gibt es bei uns nicht, wir haben ungefahrliche wassermoderierte Reaktoren die in in 2 druckdichten Cantainments untergebracht sind.
Ich habe doch klar geschrieben:
Natürlich kann in einem modernen Reaktor nicht 1 zu 1 der selbe Störfall ablaufen wie in Tschernobyl und die Wahrscheinlichkeit, dass es zu so einem Störfall in einem modernen Reaktor kommt ist natürlich klein.
Natürlich steckt in diesem Satz auch drinnen, dass andere Reaktorkonzepte nicht die selben Unsicherheiten haben wie der RBMK.
Druckdicht war der RBMK natürlich schon, aber er hatte kein Extra Containment wobei das bei dem Unfall aber auch nichts gebracht hatte.
Der Reaktor mit Graphitkern (Tschernobyl) läuft einfach weiter nach der Havarie.
Bei einem wassermoderierter Reaktor (unsere) klingt die Reaktion sofort ab wenn es zu Undichtigkeiten kommt. Bei unseren Reaktoren hilft die 56m durchmessende Stahlkugel sehr wohl um den Druck, der durch die Nachzerfallswärme entsteht, sicher aufzunehmen.
Bei einem wassermoderierter Reaktor (unsere) klingt die Reaktion sofort ab wenn es zu Undichtigkeiten kommt.
Was in der Natur der Sache liegt ja.
Bei unseren Reaktoren hilft die 56m durchmessende Stahlkugel sehr wohl um den Druck, der durch die Nachzerfallswärme entsteht, sicher aufzunehmen.
Das Problem ist nicht der Druck sondern das Knallgas welches sich bei hohen Temperaturen bildet und welches bei der Explosion auch das Containment sprengen kann. In Fokushima ist zB das auch passiert, obwohl der Reaktor Wassermoderiert war.
Klar war nicht der mondernste Reaktor, aber vergleichbar mit denen in Deutschland und die Sicherheitsstandards in Japan sind auch nicht weniger als bei uns, hier hat durchaus der Betreiber eine Mitschuld und das ist nirgendwo ausgeschlossen.
Ändert aber am Ende auch nichts an meiner Antwort, denn ich habe ja geschrieben, dass ein Unfall wie in Tschernobyl bei uns so nicht passieren kann.
Aber natürlich können andere Störfälle eintreten.
Hallo Kelec, ich freue mich immer, wenn ich mit jemand diskutiern kann, der das Thema kennt.
Bei europäischen Reaktoren ist ein Rekombinator eingebaut, der das Knallgas (das bei der Überhitzung entsteht) neutralisiert. Im 40 Jahre alten Fukushima Projekt gab es diese Einrichtung nicht - hier haben die Japaner eindeutig geschlampt.
Beim deutschen Konvoi Reaktortyp wurden effiktive Sicherheitsmechanismen eingebaut, wie die doppelte druckdichte Einhausung des Primärkreises und der vierfach redundante Aufbau.
Das genialste ist aber die Notborierung. Wenn im gesamten Notstandsgebäude (dient nur zum autarken Abfahren des Reaktors) die gesamte Spannung in allen vier Scheiben ausfällt, starten 4 Stück 1000 PS starke Dieselmotoren per Pressluft und pumpen 4 x 360 Kubikmeter Bor in den Primärkreis was die Reaktion sicher chemisch abwürgt.
Ich weiß dass es in Deutschen Reaktoren Rekombinatoren gibt, aber vor Schlamperei oder Kostenersparnis wenns die Regelung zulässt ist nun mal keiner sicher.
Am Ende werden diese Reaktoren von irgendeinem Unternehmen betrieben und wenn da jetzt irgendwer mal draufkommt dass ein Ereignis praktisch unwahrscheinlich ist und dieses Ereignis daher in der Risikoplanung ausgeschlossen wird dann kann es eben genau dazu kommen. Die in Japan haben zB nicht damit gerechnet dass in der Laufzeit des AKWs so ein Tsunami kommt. Daher waren die Notstromaggergate, die den Kühlkreislauf aufrecht erhalten im Keller und wurden überflutet ansonsten wäre das auch nicht so abgelaufen wie es ist.
Fokushima ist am Ende wieder nur Teil einer Kette die zeigt, dass es so etwas wie absolute Sicherheit nicht gibt und nicht geben kann sondern nur relative Sicherheit, daher habe ich auch geschrieben, dass der genaue Hergang des Unglücks für die Argumentation egal ist.
In Tschernobyl wars ein unsicheres Reaktorkonzept gepaart mit einer Mannschaft die zu wenig auf Sicherheit bedacht war. In Fokushima wars der Gedanke dass im Falle eines Stromausfalls die Reaktoren durch das Notstromsystem gekühlt werden.
Werden beide Fälle sich 1 zu 1 in Deutschland wiederholen? Nein. Sind Deutsche AKWs sicherer? Ja. Kann es in deutschen Reaktoren zu keinem Störfall kommen? Nein.
Das ist das was ich mit meiner Antwort ausgesagt habe und nicht, dass 1 zu 1 der selbe Fehler zum selben Resultat führt.
Jeder Unfall taugt als Gegenargument
Laut "Minuten vor dem Unglück" haben wohl manche etwas mitbekommen, aber nicht direkt an den Reaktor gedacht. Außerdem muss man bedenken, dass die nächste Stadt mehrere Kilometer vom AKW entfernt war. Da hat sich der Großteil des Geräuschs einfach in der Entfernung "verlaufen".