Stimmt es, dass Heinrich Heine eine Hassliebe zu Deutschland hatte?

5 Antworten

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Hallo ostara94!

Steht hinter Deiner Frage die Vorstellung, man könne ein Land entweder nur lieben oder nur hassen? Scheint mir so!

Aber guck Dir mal die politischen Verhältnisse im Deutschland der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an!

Während in Frankreich die Revolution die Macht des Adels und der Fürsten beseitigt hatte, wurde in Deutschland nach dem Wiener Kongress 1815 die Kleinstaaterei und Fürstenwillkür wieder eingeführt. Damit waren eine Menge von Grenzen innerhalb Deutschlands verbunden, sowie Zensur, politische Verfolgung, Kadavergehorsam und totalitäre Herrschaft.

Sollte Heine diese Verhältnisse lieben? Und gerade die Ablehnung dieser Zustände dokumentiert ja auch seine Liebe zu einem freien, demokratischen Deutschland. Ein Land ist doch mehr als nur eine Landschaft, eine Sprache oder ein Regime - daraus folgt, dass man zu einem Land immer nur ein ambivalentes Verhaltnis haben kann. (Jedenfalls, wenn man einigermaßen bei Trost ist!)

Gruß Friedemann


schmidtmechau  07.05.2018, 08:00

Danke für den Stern!

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Iamiam  27.11.2018, 02:30
@schmidtmechau

Du sprichst genau das aus, was ich mir grade zu formulieren überlegt hatte. Dabei bin ich schon am Begriff Deutschland hängengeblieben: Gibt es "Deutschland" überhaupt? Ich bin Bayer und erinnere mich noch an den Preussenhass meiner Jugend, Nachwehen eines historisch gewachsenen Verhältnisses. Hat mich nie daran gehindert, die Leute ernst zu nehmen (etwas Spott gehört immer dazu), aber wirklich warm bin ich mit keinem geworden. da waren einfach andere Traditionen bestimmend. Und ich bin selbst im nahen Baden-Württemberg mit meinem bayrischen Temperament (samt Grantelei) angeeckt. Ich war als Oberbayer ein paar Jahre in Franken: genau das selbe.

Trotzdem fühle ich mich hier heimisch und selbst in Norddeutschland wahrscheinlich heimischer als in zB der Tschechei, dafür sorgt schon die im Prinzip doch gemeinsame Sprache (die Dialekte sind ja heute viel geglätteter als zu Heines Zeiten dank Radio und Fernsehen). Und die im Großen und Ganzen gemeinsame Kultur empfindet man auch erst, wenn man mit Leuten aus stark patriarchal geprägten Gesellschaften zu tun hat oder mit traditionellen Händlervölkern wie Holländer. Man muss sich überall erst einleben und anpassen (und ich habe sehr gelacht bei dem Film "Willkommen bei den Schties") - bloß: das hat mit Heine nichts mehr zu tun. Entschuldigt die Abschweifung!

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Ich halte H. Heine für einen großen und ehrlichen Patrioten. Nirgends wird dies deutlicher als im "Wintermärchen". Wer liebt, darf die Augen auftun und somit Kritik üben. Seine Kritik hatten nichts mit Hass zu tun, es war ein Ausdruck einer berechtigten Enttäuschung - nicht über das Land und die Menschen, vielmehr über die herrschenden Kräfte. Wie aktuell!

Natürlich, denn er war Jude und die wurden damals (und leider auch heute wieder) massiv angefeindet.

Deutschland hat sich schon immer schwer getan mit Menschen, die nach Meinung der Deutschen "anders" waren.


Iamiam  27.11.2018, 02:44

Aufgrund des Handwerksverbots und wegen ihrer traditionell geschulten Kritik (sie setzen sich immer von neuem mit dem richtigen Verständnis ihrer Glaubensbücher auseinander, anders als die gehorsamen Katholiken) stellten die Juden ein sehr großes Kontingent an Intellektuellen, Und die waren zu allen Zeiten der Obrigkeit ein Stachel im Fleisch. Die verstand es allerdings glänzend, die Kritik an sich als Kritik am Volk erscheinen zu lassen, was den Judenhass immer wieder befeuerte.

Nein, Heine hasste nicht "Deutschland", die deutsche Obrigkeit und große Teile der Deutschen hassten ihn!

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mychrissie  27.11.2018, 10:48
@Iamiam

Ich bin bei meiner Antwort leider wieder mal auf den heutigen Trend reingefallen, dass es offenbar nur noch Hass oder Liebe gibt, aber keine Zwischenstufen mehr. Vielleicht dem Digitalismus zu verdanken. Da gibt's ja auch nur 1 oder 0 und nichts dazwischen, wenn man mal von fuzzy logic absieht.

Heine hat Deutschlands Obrigkeit und die Deutschtümelei nicht geliebt, aber er hat sich mit ihr niemals anfreunden können und sich deshalb weidlich über sie lustig gemacht. Man muss nur mal das "Wintermärchen" lesen. Das ist ja keine milde ironie mehr, sondern streckenweise regelrechter Zynismus.

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Umständehalber - ja.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Innerhalb meines Studiums hatte ich viel mit Politik z utun

Iamiam  27.11.2018, 02:45

andersrum wird ein Schuh draus (s. m. Kommentar zur AW mychrissie)

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voayager  27.11.2018, 10:11
@Iamiam

sehe ich nicht so, verstehe daher nicht deinen Einwand

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Iamiam  27.11.2018, 12:55
@voayager

wenn ich wo rausgeschmissen werde, hasst doch der mich, der mich rausschmeißt, oder?

Ob ich den dann zurückhasse oder eher ihn bemitleide dafür, dass er sich aus seiner Intoleranz nicht befreien kann, ist dann erst eigentlich die Frage, die aber so nicht gestellt wurde.

Heine hat sich mit seiner Kritik nie zurückgehalten, aber er hat Deutschland nie gehasst!

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Heinrich Heine wurde aus seiner Kritik an D ein Strick gedreht. Goethe aber, der nicht minder kritisch war, kam damit durch.