Sind Hebräisch und Griechisch verwandt?
Wie erklären sich solche Wortlisten? (Gibt noch zahlreiche weitere)
Ist das Altgriechisch? Oder Neugriechisch?
Neugriechisch glaube ich, zumindest steht in der Überschrift nur "Griechisch"
3 Antworten
Griechisch ist eine indogermanische Sprache, aber natürlich findet man auch das ein oder andere Wort darin, welches mit einer semitischen Sprache verbunden werden kann (also Lehnwörter aus einer semitischen Sprache, übrigens ist auch die "Gegenrichtung" nicht ausgeschlossen). Dennoch scheint man zumindest bomos, hedone, ágora und misgein auf rein indogermanische Stämme zurückführen zu können (soweit ich das nun gesehen habe). Das scheinen also eher "false friends" zu sein, so wie es aussieht.
Bei "ágape" gibt es mind. 3 verschiedene Vorschläge, einer davon ist tatsächlich ein semitischer Stamm (passend zum arabischen "ʔaḥabba", das wäre also derselbe Stamm wie bei "habibi", h-b-b), ein anderer ist indogermanisch, ein dritter nordwestkaukasisch. Darin sieht man: so ganz genau kennt man auch nicht alle Details dazu.
Ich meine: Adyghe гуапэ (gʷapɛ) "nice, cordial, pleasurable” liegt auch nicht so extrem weit weg und wäre eine Möglichkeit.
ἀγαπάω - Wiktionary, the free dictionary
Bei "áráchne" (Spinne) gefällt mir das semitische arag (weben) rein phonetisch etwas besser als das baskische aramu (Spinne).
Was ich noch kürzlich gelesen habe:
Vermutlich sind gr. dápto (das Verb bedeutet "verschlingen"), gr. hegros (lat. ager, dt. "Acker") und gr. andos ("Blume") semitischen Ursprungs (Quelle: eine Publikation von Rasmus G. Bjørn).
dabh = Opfer, hagar = Nutzfeld (semitisch) (gr. = griechisch)
Auch die deutschen Wörter "Kuh", "Geiß" (von *gaido) und "Katze" stammen möglicherweise aus einer afroasiatischen Sprache (semitisch ist eine Möglichkeit, das ist aber nicht die einzig denkbare). Das ist auch recht plausibel, denn Katzen stammen ursprünglich aus Nordafrika/dem Nahen Osten.
"from Latin catta (c. 75 A.D., Martial),[1] from an Afroasiatic language"
Daneben kannte Latein natürlich noch "felis" (daher "Felidae").
Und das Wort "vinum" (lat.) "vino" (it.) oder "oinos" (gr.) kennt zahlreiche ähnliche Wörter, nicht nur im semitischen Bereich. Genannt wurde schon das georgische
(oder besser gesagt proto-kartvelische) *ɣwino-. Man findet im Kaukasus sehr alte Weinanbaugebiete.
Der folgende Satz hat mir gut gefallen:
"Proof is an elusive phenomenon in historical comparative linguistics."
(Rasmus G. Bjørn)
Bei solchen Wortlisten wird mir immer schwindelig, weil darin erfahrungsgemäß oft gewaltige Gurken verborgen sind. Die altgriechischen Wörter sind hier wirklich richtig geschrieben, aber obwohl ich kein Hebräisch kann, sehe ich sofort, daß die hebräischen Wörter falsch geschrieben sind (die Buchstaben sind irgendwie durcheinandergewürfelt), oder sollte ich sagen die Betacbuhsn snid idegrwine dcruhaneeirdnwüeflegrt.
Grundsätzlich ist zu sagen, daß Griechisch und Hebräisch ganz bestimmt nicht miteinander verwandt sind; das eine ist indogermanisch und das andere semitisch. Sie unterscheiden sich in fast allen Aspekten so sehr, wie sich Sprachen nur unterscheiden können, in Grammatik, Wortbildung, Vokabular und Flexion. Im Hebräischen hängt z.B. die Bedeutung eines Wortes an den Konsonanten, und die Vokale zeigen die grammatikalische Form an. Im Deutschen ist das ganz anders: Stille, Stulle, Stelle und Ställe sind verschiedene Wörter, nicht verschiedene Formen desselben Wortes.
Trotzdem teilen sich die Sprachen ein paar Wörter mit gemeinsamem Ursprung. Obwohl die Sprachen nicht verwandt sind, lebten doch die Griechen (bzw. ihre Vorfahren) benachbart zu den Phöniziern, deren Sprache dem Hebräischen sehr ähnlich war. Dabei haben sich viele Wörter von der einen in die andere Sprache verirrt, oder beide nahmen Bezeichnungen für z.B. lokal vorkommende Pflanzen aus einer gemeinsamen dritten Sprache. Griechisch hat eine große Anzahl von solchen nicht weiter erklärbaren Wörtern, und bei einigen wird vermutet, daß sie aus einer semitischen Sprache kommen.
Da ich kein Hebräisch kann, muß ich mich auf die Beispiele beschränken, in denen ich auf die Schnelle verläßlich wirkende Angaben zur hebräischen Etymologie finde; leider ist Wiktionary bei den semitischen Etymologien schlecht aufgestellt. Das ist kein Cherry-Picking von mir, sondern der Not geschuldet.
Noch eine Vorbemerkung: Alle indogermanischen Sprachen (z.B. Deutsch, Griechisch, Französisch, Russisch, Persisch) gehen auf eine gemeinsame Sprache zurück, die Urindogermanisch (oder einfach Indogermanisch) heißt und vor grob 5000–6000 Jahren gesprochen wurden. Ungefähr zur selben Zeit wurde (Ur)semitisch gesprochen, das ist der Vorläufer von Hebräisch, Arabisch, Amharisch und einigen weiteren; die meisten Sprachwissenschafter fassen Semitisch mit einigen anderen Sprachen (z.B. Berber, Ägyptisch) zu einer noch größeren Sprachfamilie namens Afroasiatisch zusammen, die dann etwa 10000 Jahre in der Vergangenheit beheimatet ist.
Fangen wir an mit ἡδονή hēdonḗ ‘Lust, Freude, Genuß’ und dem biblischen Ortsnamen עדן éden. Das griechische Wort ist sehr einfach zu erklären: Es ist ein Abstraktum zum Adjektiv ἡδύς hēdýs ‘süß’, und das hat eine gute indogermanische Etymologie, nämlich *swéh₂dus ‘süß, angenehm’; davon stammen auch lateinisch suāvis, Saṁskr̥t स्वादु svādu und sogar deutsch süß ab. Das hebräische Wort ist dagegen nicht semitisch, sondern kommt Wahrscheinlichkeit nach ein aus dem Sumerischen. Sumerisch war eine Sprache in Mesopotamien, die mit keiner bekannten Sprache verwandt war (und die Muttersprache des Patriarchen Abraham). Ein guter Teil der Mythen im Buch Genesis hat sumerische Vorbilder (die Sintflut-Sage ist fast wörtlich abgeschrieben), und dort heißt das Wort 𒂔 eden einfach ‘flaches Land’. Also ist das eindeutig falsch.
Dagegen gibt es bei Wein einen echten Treffer. Auf Griechisch heißt das οἶνος oínos, und das ist dasselbe Wort wie lateinisch vinum (und davon auch deutsch Wein oder ukraïnisch вино vino). Auf Hebräisch lautet das Wort יין yayin, und das hat wirklich einen gemeinsamen Ursprung mit ὀῖνος. Dieses Wort hat in all seinen Varianten eine ganz klare geographische Verbreitung im östlichen Mittelmeerraum und in Westasien, man findet es z.B. auf der indogermanischen Seite als armenisch գինի gini, hethitisch 𒃾𒅖 wiyanis oder albanisch venë, und auf der semitischen als Amharisch ወይን wəin, und es hat sogar im Arabischen eine Spur hinterlassen (وين wain ‘schwarze Trauben’). Aber auch andere Sprachen in dieser Region, die damit gar nicht verwandt sind, haben das Wort, z.B. georgisch ღვინო ġvino und Udi фи fi. Das Wort hat sich offenbar mit dem Weinhandel verbreitet, und letztlich weiß keiner, wo es herkommt. Der Wein ist ziemlich sicher irgendwo im Kaukasus erstmals domestiziert worden.
Das nächste Beispiel ist ἀγοράζειν agorázein ‘handeln’, das ist ganz offensichtlich von ἁγορά agorá ‘Hauptplatz, Marktplatz’ abgeleitet, und daher verwandt mit lat. ager ‘Feld’ und sogar deutsch Acker; die ursprüngliche Bedeutung von idg. *h₂ger- scheint so etwas ‘sich versammeln’ zu sein, und am Marktplatz versammeln sich die Leute, am Feld die Schafe (davon auch lat. grex ‘Schar, Herde’ oder russ. громада gromada ‘Ansammlung’). Ich gebe zu, daß Hebräisch אגר agar ‘ansammeln’ da sehr gut dazupaßt, habe aber leider nichts Genaueres über die Wurzel finden können.
Beim nächsten Beispiel sieht es schlechter aus: Griechisch ἅρπη hárpē heißt nämlich ‘Raubvogel’. Der genaue Ursprung ist unbekannt, es könnte mit ἁρπάγή harpágē ‘Haken’ zusammenhängen (davon kommt die Harpune), oder auch aus derselben nicht-indogermanischen Quelle stammen wie lat. sarpō ‘Reiher’. Sekundär wurde das Wort auch auf Sicheln angewendet (weil die krumm sind wie ein Adlerschnabel), und auf das Sichelschwert des Helden Perseús. Das gewöhnliche Wort für Schwert lautet aber ganz anders, nämlich ξίφος xíphos. Auf der hebräischen Seite haben wir hier חרב ḥerev ‘Schwert, Krieg’, das nicht nur ganz anders aussieht, sondern auch eine viel blutigere Bedeutung hat, vgl. arab. حرب ḥarb ‘Krieg’. Beachte auch, daß der Buchstabe Ḥ ein anderer ist als H (und griechische H ist sowieso ein Fall für sich, es stammt meist aus einem indogermanischen s-).
Über die nächsten beiden kann ich nichts sagen. Im Fall von ארג arag ‘weben’ konnte ich keine etymologischen Angaben finden, und das Wort für ‘Gouverneur’ scheint nicht zu existieren, jedenfalls ging jede Suche ins Leere. Es hätte mich aber wirklich interessiert, wie das mit griechisch κυβερνᾶν kybernãn ‘ein Boot steuern’ zusammenhängen könnte.
Interessanter wird es bei ἀγαπᾶν agapãn ‘Zuneigung empfinden, mögen’, denn das ist etymologisch schwierig, und eine unklare Verbindung zu אהב ahav ‘romantisch lieben’ wird tatsächlich diskutiert (Beekes schlägt allerdings eine obskure indogermanische Ableitung vor). Als Erschwernis kommt dazu, daß das hebräische Wort auch keine klare Herkunft hat; es gibt zwar arabisch أحب ʿaḥabba ‘lieben’, aber das hat einen anderen Konsonanten. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, daß beide Sprachen dieses Wort von irgendwoher anders genommen haben; im Kaukasus gibt es einige Sprachen mit ähnlichen Bezeichnungen, z.B. Kabardinisch гуапэ gʷapə ‘angenehm’.
Zuletzt schaue ich mir noch σκηνή skēnḗ ‘Zelt, Bühne’ an (davon kommt natürlich Szene). Beekes leitet es von idg. *skeh₂- ‘dunkel’ ab (dazu σκότος skótos ‘Dunkelheit’ und σκιά skiá ‘Schatten’, und auch das deutsche Wort) und meint, daß damit alles gemeint ist, was mit Leinentüchern abgeschattet ist. Ich sehe da keinen besonderen Zusammenhang mit hebräisch שכן šakan ‘wohnen’, das eindeutig semitisch ist (arab. سكن sakana ‘bewohnen’). Allerdings ist das wirklich schon vorgeschlagen worden.
Von den 6 Beispielen, die ich mir näher angeschaut habe, ist also eines valide und zwei bis drei weitere sind zumindest denkbar; zwei sind ganz offensichtlich falsch, und bei einem muß ich es offen lassen, weil ich die hebräische Etymologie nicht finden konnte. Das ist insgesamt besser als ich erwartet hätte, und es zeigt, wie sehr die Kulturen Westasiens und des östlichen Mittelmeeres miteinander verbunden waren.
Bei der ἅρπη widerspreche ich, das Wort kommt in meiner Erinnerung nur in der Mythologie vor, weil die Griechen in der Praxis nur gerade, keine sichelförmigen Schwerter verwendet haben. Und die ganze Wortsippe, die ich aufgezählt habe, hat etwas mit Vogelschnäbeln oder anderen krummen Dingern zu tun.
Bei der σκηνή haben wir bei beiden griechischen Bedeutungen die Gemeinsamkeit, daß dabei Leinen beteiligt ist (wenn ich Beekes trauen darf), während das angebliche semitische Kognat einfach nur für eine Behausung steht. Ein hebräisches Wort für ‘Zelt’ ist אוהל ohel, das im Alten Testament -zigmal vorkommt. Deshalb glaube ich die Verbindung nicht.
Kannst Du bitte das angebliche Wort für ‘Gouverneur’ nochmals nachschlagen?
Wie erklären sich solche Wortlisten? (Gibt noch zahlreiche weitere)
Keine Ahnung - du gibst ja weder Quelle noch die konkreten Sprachen an.
Ich gehe aber davon aus, dass es sich schlichtweg um Zufälle und Sprachkontakt dreht.
Ja, weil die Quelle aus einem privaten Briefverkehr stammt, den ich natürlich nicht offenlegen kann. Wenn es dich interessiert, kann ich dir freilich noch mehr Daten zuschicken. Denn für "Zufall" gibt es einfach zu viele Beispiele...
Deswegen ja ebenfalls Sprachkontakt als sehr naheliegende Erklärung. Dein Briefverkehr interessiert mich recht wenig, interessant wäre es nur, woher die Person, die diese Gegenüberstellung erstellt hat, diese Wörter nimmt.
Denn für "Zufall" gibt es einfach zu viele Beispiele
Das ist eine mutige Behauptung, denn Zufälle kommen wirklich vor — es gibt in jeder Sprache viele Wörter, und die Zahl der möglichen Paare zwischen zwei Sprachen geht in die Millionen. Wenn man hinreichend schwammige Kriterien nimmt, dann läßt sich immer etwas finden, manchmal sogar wirklich verblüffende Scheintreffer. Zwei meiner Lieblingsbeispiele:
- Lateinisch deus, griechisch θεός theós und Nahuatl teotl heißen alle ‘Gott’.
- Lat. habēre sieht fast gleich aus wie das gleichbedeutende deutsche haben
Allerdings wissen wir ganz genau, daß die alle nichts miteinander zu tun haben.
Ich habe dir den Briefverkehr auch nicht angeboten. Die Wörter stammen aus verschiedensten Datenbanken, da könnte ich im Zweifel nochmal nachfragen. Zu welcher Übersetzung brauchst du denn die Quelle?
Gerade die 2 Beispiele, die du nennst, sind eben KEINE Zufälle. (Lustig, dass du gerade DIE nennst, denn zu denen habe ich erst kürzlich etwas gelesen.) Wie lang müsste meine Liste sein und wie viele Sprachen müsste sie beinhalten, damit ich dich von "Kein Zufall" überzeugen kann?
Da bin ich aber gespannt, wie Du deus (← idg. *deywós ‘Himmelsgott’ ← *dyḗws ‘Himmel’) und θεός (← idg. *dʰéh₁s ‘Gott’) und dann noch ein amerikanisches Wort zusammenfügen willst. Auch bei habēre (← idg. *gʰebʰ- ‘geben’ oder *gʰeh₁bʰ- ‘nehmen’, je nachdem, wen man fragt) und haben (← idg. *keh₂p- ‘nehmen’) bin ich mir sicher, daß es keine Beziehung gibt.
Für alle Übersetzungen. Ich traue keiner Angabe ohne Quelle.
Danke für die ausführliche Antwort.
Zu ἅρπη : https://de.wikipedia.org/wiki/Harpe_(Waffe)
Zu σκηνή skēnḗ: Der Zusammenhang besteht darin, dass beide Wörter ein nach oben abgeschlossenes Gebäude kennzeichnen. Hierzu gäbe es aus allen Sprachen der Welt noch lange Wortreihen gleichen Lautbildes.
Die anderen Übersetzungen stammen aus öffentlichen Datenbanken.