Rundreiten - Anlehnung oder Versammlung?

3 Antworten

Huhu,

nur den Hals rund machen ist gar nichts, weder Versammlung noch Anlehnung. Nur "den Hals rund machen" ist in der Regel ein Knick im 2./3. Halswirbel. Dabei geht jeder Schwung von Hinten verloren und der Rücken geht automatisch runter nicht hoch. Du arbeitest im Moment daran, dass dein Pferd für dich und die Zuschauer auf den ersten Blick hübsch laufend aussieht ohne wirklich gesund und anatomisch korrekt zu laufen. Ein Pferd kann einen Reiter nur dauerhaft gesund tragen, wenn es seinen Rücken aufwölbt. Wenn du nur daran arbeitest, dass der Kopf irgendwie unten und der Hals rund ist, kommst du nie zu einem aufgewölbten Rücken.

Anlehnung ist nicht mehr als eine stete, sanfte Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdmaul. Die Reiterhand folgt dabei dem Pferdemaul und das Pferdemaul sucht die Reiterhand. Anlehnung definiert sich nicht durch irgendeine bestimmte Halswölbung oder Kopfhaltung, die Höhe des Kopfes ist dabei nicht relevant. Eine sanfte Anlehnung kann sowohl mit der Pferdenase zwei Hände vor der Senkrechten, als auch etwas hinter der Senkrechten bestehen, es bleibt eine Anlehnung. Eine Anlehnung besteht auch in völliger Dehungshaltung mit der Nase kurz über dem Boden, wenn das Pferd der Reiterhand folgt und eine Verbindung besteht. Das Ziel eine Anlehnung ist, dass das Pferd sich anlenht, dass heißt es öffnet sich im Genick und folgt dem nachgebenden Zügel um sich sanft am Zügel anzulehnen. Bei einer sanften Anlehnung hat der Reiter nur wenige Gramm in der Hand und nicht, wie man es leider oft sieht, einige Kilo.

Versammlung bedeutet eine vermehrte Lastaufnahme der Hinterhand. Das heißt, dass Pferd tritt mit den Hinterhufen weiter in Richtung Schwerpunkt unter seinen Körper. Dafür muss es die Hanken beugen und die Hüfte etwas absenken. Der Bauchmuskel muss dann aktiv arbeiten, um die Hinterhand nach vorne zu ziehen. Wodurch mit dem langen Rückenmuskel im Zusammenspiel der Rücken hoch kommt, der Brustkorb angehoben wird und der Rücken schwingt bei jedem Schritt, Tritt und Sprung. Durch den aufgewölbten Rücken muss der obere Hals den Kopf tragen, die Nase kommt ein Stück vor und der Kopf kommt ganz von selbst in die passende Position. 

Dein Ziel sollte nicht die richtige Halswölbung oder die richtige Kopfhaltung sein. Diese kommt mit der Zeit ganz von selbst, wenn das Pferd sich mehr und mehr selbst trägt. Man reitet ein Pferd von hinten nach vorne. Das heißt dein Blick sollte nach hinten zum Pferd gehen, in der Hinterhand sitzt der Motor des Pferdes, er sorgt für gesundes Laufen. Ein Pferd, dass vorne andauernd heruntergespielt wird und vorne immer gebremst wird, kann nicht von hinten über den Rücken laufen. 

Ich verstehe nicht, warum bei den Reitabzeichenlehrgängen so wenig Wert auf die biomechanischen Zusammenhänge im Pferd gelegt wird. Leider werden meist nur das Zielbild, aber nicht der Weg dorthin und die Wichtigkeit der Zusammenhänge der Bewegungen im Pferd vermittelt... Das ist ein Problem der derzeitigen Lehrinhalte der FN und der meisten Reitlehrer in Deutschland. Ich lege dir ans Herz, dich mit der Anatomie und der Biomechanik eines Pferdes einmal gründlich auseinander zu setzten, dadurch bekommt man ein ganz anderes Verständnis für die Bewegungen eines Pferdes und kann dadurch besser und mit mehr Verständnis mit dem Pferd arbeiten.  

Liebe Grüße


Fulicas  04.08.2015, 08:16

Perfekte Antwort!

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Punkgirl512  04.08.2015, 00:50

Danke, dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

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darkjuly 
Beitragsersteller
 04.08.2015, 00:50

Danke für diese ausführliche Antwort! Mit "den Hals rund machen" meinte ich das untertreten und die aufwölbung des Rückens. Tut mir leid, wenn ich mich unverständlich ausgedrückt habe!

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Die Antwort von WinniePou ist schon sehr gut, ich möchte eins noch hinzufügen:

Die Ausbildungsskala ist nix geradliniges. Du kannst nicht an Takt arbeiten und erst wenn der Takt perfekt ist auf Losgelassenheit hingehen, denn das eine hängt vom anderen ab - wenn mein Pferd nicht losgelassen ist, weil es zB im Gebüsch Säbelzahntiger vermutet, geht sie definitiv auch nicht taktrein, sondern zackelt unrhythmisch dahin. Genausowenig kann man Takt ohne Schwung erreichen, und in meinen Augen kommt Geraderichtung in der linearen Skala erst viel zu spät, denn ein stark schiefes Pferd kann niemals taktrein laufen, weil ein Bein sozusagen immer "mehr in die Kurve" rennt als das andere...

Deiner Beschreibung nach dürftest du gerade an den ersten drei Punkten arbeiten - wobei "Hals rund" eine Folge der Verbesserung dieser drei Punkte ist und nicht die Ursache.