Rechtfertigung des römischen Imperialismus in Vergils Aeneis?

1 Antwort

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Bei Vergil, Aeneis wird römischer Imperialismus gerechtfertigt, indem die Gründung Roms, sein Aufstieg, die Ausdehnung des römischen Reiches und seine Herrschaft über große Teile der Erde als Schicksalsbestimmung und von Gottheiten gutgeheißen dargestellt werden und die römische Herrschaft mit rechtlichen und moralischen Werten verbunden wird.

Die römische Herrschaft erscheint so einerseits als notwendiger Verlauf des Weltgeschehens und unter einem religiösen Gesichtspunkt richtig, andererseits rechtlich und moralisch in Ordnung und zustimmungsfähig.

Schicksal/Schicksalssprüche (lateinisch: fatum/fata), die mit einem römischen Weltreich erfüllt werden, sind in dem Epos besonders in drei ‘geschichtlichen Durchblicken’ auf die Zukunft hervorgehoben:

1) prophezeihende/eine frühere Mitteilung über das Schicksal bestätigende Jupiterrede an Venus (Vergil, Aeneis 1, 257 – 296)

2) Heldenschau [Aeneas ist unter Führung der Sibylle von Cumae in die Unterwelt abgestiegen, sein verstorbener Vater Anchises zeigt ihm zukünftige Nachfahren in Lavinium, Alba Longa und Rom] (Vergil, Aeneis 6, 752 – 886)

3) Schildbeschreibung [Aeneas bekommt einen Schild, den der Schmiedegott Vulcanus auf Bitten seine Ehefrau Venus für deren Sohn angefertigt hat und auf dem Szenen der römischen Zukunft dargestellt sind] (Vergil, Aeneis 8, 626 – 728)

Jupiter (lateinisch: Iuppiter) verkündet, der Herrschaft der Römer keine räumlichen und zeitlichen Grenzen zu setzen (Vergil, Aeneis 1, 278/229):

his ego nec metas rerum nec tempora pono,

imperium sine fine dedi.

„Diesen setzte ich keine räumlichen und zeitlichen Grenzen der Herrschaft; Herrschaft/ein Reich ohne Ende/Grenze habe ich gegeben.“

In einem Frieden nach beendeten Kriegen werden die Gottheiten Fides, Vesta und Quirinus mit seinem Bruder Remus Rechtsbestimmungen (iura Vergil, Aeneis 1, 292) geben.

Auf Augustus Caesar wird als oft verheißenen Mann hingewiesen, der das Reich weit ausdehnen wird (Vergil, Aeneis 6, 790 – 805).

Den Römern wird ein Auftrag zugeschrieben, eine Herrschaftsordnung mit Frieden und Recht zu errichten und (notfalls mit Waffengewalt) durchzusetzen. Anchises sagt in der Unterwelt (Vergil, Aeneis 6, 851 – 853):

tu regere imperio populos, Romane, memento –

haec tibi erunt artes – pacique inponere morem,

parcere subiectis et debellare superbos.

„Du, Römer, denke daran, die Völker mit Befehlsgewalt zu regieren – das werden deine Fertigkeiten sein –, dem Frieden eine Gesittung aufzuerlegen, die Unterworfenen zu schonen und die Hochmütigen niederzukämpfen.“

Rom erscheint als Ordnungsmacht, die eine auch religiös begründete politische Aufgabe hat.

Jupiter kennt das Schicksal, das die Ereignisse in großen Zügen festlegt, vollständig und bejaht es in einer Aneignung mit seinem Willen.

Die Göttin Venus wünscht für ihren Sohn Aeneas, ihren Enkel Iulus/Ascanius und ihre weiteren Nachkmmen guten Erfolg.

Die Göttin Juno (lateinisch: Iuno) weiß einiges über das Schicksal. z. B. einen Sieg Roms über Karthago (Vergil, Aeneis 1, 19 – 22), stemmt sich gegen das Schicksal bzw. versucht es zu hemmen und zu verzögern, ihr bleibt aber letzlich nicht anderes als eine Anerkennung übrig. Sie geht auf ein Angebot Jupiters ein, nach dem die Latiner ihre Bezeichnung, Sprache und Bräuche behalten und ein an Frömmigkeit/Pflichtbewußtsein (lateinisch: pietas) überragendes Menschengeschlecht sie verehren wird (Vergil, Aeneis 12, 791 – 842).

Vergil hat ein Empfinden für Leiden und beklagt Kriege und ihre Opfer, ohne einen „gerechten Krieg“ abzulehnen. Es gelten moralische Bindungen. Imperialistische Expansion Roms erscheint insofern als gerechtfertigt, als dies beachtet wird und ein Frieden mit einer Rechtsordnung folgt


Yashy 
Beitragsersteller
 10.06.2018, 09:44

Hi, Danke für die ausführliche Antwort, das hilft mir wirklich sehr weiter ! Genau das was ich gesucht habe :) Vielen Dank

1