Philosophische texte besser verstehen?

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Meine Erfahrung ist, dass es immer besser ist, zuerst einmal Sekundärliteratur zur dem Philosophen zu lesen. Für Einsteiger eignet sich das Buch " Die philosophische Hintertreppe". Dann kennt man den Philosophen schon mal. Für Jugendliche wäre auch "Sophies Welt" ein gutes Einsteigerbuch. Das liest sich gut und schnell. Danach könnte man es mal mit Originaltexten versuchen. Ehrlich gesagt, habe ich nie versucht, Originaltexte von den sehr alten Philosophen zu lesen. Nimm dir die neuzeitlichen vor, ich finde, mit etwas Geduld kann man was verstehen. Aber zuerst die Hintertreppe und Sophies Welt.


fredjunker1987 
Beitragsersteller
 15.10.2018, 22:35

danke das du dich die zeitgenommen hast zu antworten

Texte von Sokrates gibt es nicht. Wahrscheinlich hast Du Texte von Platon gelesen, in denen Sokrates die Hauptrolle spielt. Sokrates selbst hat nie etwas geschrieben sondern nur mündlich gelehrt und diskutiert. Wie viel Sokrates in den Platontexten steckt und wie viel Platon, ist umstritten. Philosophie ist immer ein Teil der Geschichte, hat eine eigene Geschichte oder ist wie in der Scholastik, im Mittelalter mit der Theologie verwoben. So ist auch gerade Rousseau ein sehr spezieller Fall. Ein Genie, teils Autodidakt, sehr schwieriger Mensch, der mit keinem ausgekommen ist, der ein Erziehungsbuch geschrieben hat und die eigenen Kinder in Erziehungsheime gab, also in sich sehr widersprüchlich.

Darum ist es ratsam, sich erst mit mehreren Philosophiegeschichten und der Entwicklung der Ideen zu beschäftigen. Mehreren, weil auch Geschichtsbücher von Autoren geschrieben sind, die unterschiedliche Standpunkte haben. Meine Erfahrung ist aber, dass das ungemein spannend sein kann, zu sehen, wie sich die Ideen gegenseitig befruchtet oder voneinander abgegrenzt haben. So ist vieles von Schopenhauer gegen seinen Erzfeind Hegel geschrieben. Anders wieder steht Marx zu Hegel und wieder anders der Feuerbach. Schopenhauer war Konkurrent zu Hegel, der dessen Idealismus vollkommen abgelehnt hat. Marx und Feuerbach waren Hegel-Schüler, die sich dann von ihrem Lehrer gelöst und ihn überwunden haben.

Jemand der die Geschichte der Philosophie aus marxistischer Sicht schreibt, stellt sie ganz anders dar wie jemand, der aus der religiösen Ecke kommt, z.B. von einer katholischen Universität. Karl Jaspers als religiös nicht gebunden stellt den Nikolaus von Kues ganz anders dar wie die katholische Fakultät des Bistums Trier. Man lernt dabei nebenbei auch, wie Sprache sehr parteiisch genutzt werden kann, manche gleich gebrauchte Begriffe ganz andere Intensionen haben. Ich habe - weil mich Platon mit seinem Idealismus nicht überzeugen konnte - den Epikur gelesen, mehrfach und gerade bei ihm gelernt, wie unterschiedlich man mit Sprache umgehen kann. Da lernt man sogar, die propagandistische Sprache der Politiker zu durchschauen. Alle reden von Gerechtigkeit und jeder meint was anderes.

Du hast ja schon einige recht grundlegende Antworten bekommen, mit denen man etwas anfangen kann. Ich hätte dir ebenfalls Sophies Welt empfohlen, als wirklich spielerischen Einstieg in eine durchaus komplexe Materie.
Ich hatte im Grundstudium Philosophie einen Kurs namens "Formale Logik". Dieser Pflichtkurs hatte einiges mit Satzbau zu tun und ist sowohl zum schreiben als auch zum lesen von seitenlangen Sätzen eigentlich unerlässlich. Man kann mit Hilfe dieser Techniken auch eigene Sätze auf Widersprüche oder Ausdrucksfehler untersuchen, die den Sinn des Satzes verändern oder sogar ins Gegenteil verkehren.

Wo ich das in den letzten Jahren benutzt habe? Beim Korrekturlesen von Kurzgeschichten und Romanen meiner Autorengruppe.

Was ich dir direkt empfehlen kann, ist, einen langen Satz in die (oft durch Kommas markierten) Einzelteile zu zerlegen und deren Bedeutung herauszufinden. Hast Du diese Einzelstücke entziffert, musst du nur noch herausfinden wie diese Einzelstücke sich aufeinander beziehen. Wenn der Autor keinen Fehler gemacht hat, ergibt der Satz dann tatsächlich einen (oft ziemlich komplexen)Sinn.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Zuerst habe ich fast gar nichts verstanden. Dann habe ich mir einen Satz rausgepickt, der mich interessant gedünkt hat. Ich habe über diesen Satz sehr nachgedacht. Als ich diesen Satz verstanden habe, habe ich den Rest auch verstanden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Weil Erkenntnis und Verständnis wunderbare Gaben sind.