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Es ist in der Frage nicht angegeben, in welcher Hinsicht genau eine philosophische Erklärung gesucht wird.

Sokrates ist zum Tode verurteilt worden und durch Trinken eines Bechers mit Gift hingerichtet worden. Für das Geschehen wird unter äußerem Gesichtspunkt keine besondere Erklärung philosophischer Art benötigt.

Sokrates ist wegen angeblichen Religionsfrevels (Asebie; ἀσέβεια [asébeia]), da er nicht die von der politischen Gemeinschaft der Athener verehrten Götter verehre und ihre Existenz leugne, sie durch andere Gottheiten (seine innere Stimme, das Daimonion) ersetzen wolle und die Jugend verführt und verdorben habe, angeklagt worden. Eine Mehrheit der Richter in einem Gerichtsprozess hat ihn schuldig gesprochen und ein Todesurteil gegen ihn gefällt.

Sokrates ist an seinem Lebensende seinen Überzeugungen treu geblieben und hat mutig Haltung bewahrt. Eine Abwendung von seinen Überzeugungen und Versuche, sein Leben durch rührseliges Erflehen von Mitleid zu retten, hat er unterlassen.

In manchen Darstellungen erscheint er wie eine Art philosophischer Heiliger, ein Märtyrer seiner Überzeugungen und seiner Lebensweise der Überprüfung vermeintlichen Wissens.

Ein philosophisches Thema (den Bereich der Ethik betreffend) ist die Begründung, warum Sokrates auf einen aussichtsreichen Versuch, durch Flucht aus Athen sein Leben zu retten, verzichtet hat.

Bis zur Vollstreckung des Urteils blieb Sokrates noch etwas Zeit. Freunde versuchten, ihn vor der Hinrichtung zu bewahren (Platon, Kriton 44 b – 46 a, Xenophon, Apomnemoneumata [Ἀπομνημονεύματα; Erinnerungen an Sokrates; lateinischer Titel: Memorabilia]; Diogenes Laertios 2, 60 und 3, 36). Es gab die Möglichkeit, Gefängniswärter zu bestechen, Sokrates aus Athen wegzuführen und anderswo in Griechenland bei Gastfreunden von den Freunden des Sokrates zu einem sicheren Ort zu bringen.

Freunde besuchten ihn im Gefängnis (wohl Juni 399 v. Chr.) und einer (nach Platon war dies Kriton; Diogenes Laertios 2, 60 und 3, 36 gibt an, Idomeneus habe geäußert, Aischines habe sich für eine Flucht ausgesprochen, Platon wegen einer Feindschaft mit Aischines dessen Argumente auf Kriton übertragen) legte ihm nahe, eine günstige Gelegenheit zur Flucht zu nutzen. Sokrates ergriff nicht die Gelegenheit und angebotene Hilfe, vor der Hinrichtung zu fliehen, sondern blieb im Gefängnis. Sokrates lehnte eine Nutzung einer Fluchtmöglichkeit, um sich der Vollstreckung des Urteils zu entziehen, ab.

Bei Platon, Kriton 46 b – 54 d wird dies mit der Achtung vor den Gesetzen begründet. Zum Teil wird auch mit besonderen persönlichen Umständen argumentiert.

Offenbar war Sokrates überzeugt, mit einer Flucht Unrecht zu begehen.

Das Todesurteil gegen sich selbst hielt er für Unrecht, was für ihn aber kein von ihm in Vergeltung begangenes Unrecht seinerseits rechtfertigen konnte. Unrecht tun hielt er für schlimmer als Unrecht leiden.

Offenbleiben muß, wieviel von der Argumentation, die im Dialog Platons im Einzelnen vorkommt, tatsächlich Auffassung und Motiv des geschichtlichen Sokrates gewesen, ist.

Ein wichtiges Argument ist, sich dem Rechtsverfahren durch Flucht zu entziehen, sei Gesetzesverletzung, was den Rechtsstaat beeinträchtigen kann; wenn sich Bürger beliebig über Gesetze und Rechtsurteile hinwegsetzen, zerfällt eine Rechtsordnung. Dies richtet einen Staat zugrunde.

Die Gesetze werden als Übereinkunft zwischen Staat und Individuum gedeutet. Ein Dableiben in einem Staat sei eine Zustimmung zu seinen Gesetzen und verpflichte zum Gehorsam gegenüber den Gesetzen. Sokrates verdanke seine Existenz, seinen Lebensunterhalt, seine Erziehung, seine Teilhabe an vielem Schönen, sein ganzes langes Leben, das er führen konnte, letztlich den Gesetzen des Staates (der Polis) und ihrem Ordnungsrahmen. Die Gesetze seien noch mehr zu achten als die Eltern.

Flucht würde die Übereinkunft und ein Versprechen brechen und den Gesetzen, dem Staat und dem Vaterland Schaden zufügen.

Eine Flucht sei nicht mit seinem früheren Leben vereinbar. Seine Sache würde als unhaltbar gelten und die Richter mit ihrem schlechten Urteil über ihn als bestätigt dastehen lassen.

Eine Flucht bedeute in diesem Fall Schaden für die Seele (weil die Flucht Begehen von Unrecht ist) und Gefahr für sein Ansehen.

Keine, zumal wir nicht genau wissen, was los war. Die Sokrates-Darstellung der angegebenen Seite gefällt mir sowieso nicht, ist meiner Meinung in einigen Punkten falsch. Sokrates war auch keinesfalls so unumstritten, wie es Platon darstellt. Der macht ihn ja zur Heiligenfigur, die er für sich und seine Philosophie ausschlachtet. Sokrates war 70 Jahre alt, ein für die damalige Zeit sehr hohes Alter. Dass er nicht mehr in die Verbannung, d.h. in die Fremde gehen wollte, irgendwo neu anfangen, dazu sich dem Gerede in Athen aussetzen und sein Lebenswerk zerreden lassen, das ist nachvollziehbar. Sokrates war kein Feigling, dafür war er bekannt und er hatte auch Feinde, auch in der Aristokratenfamilie des Platon. Mit seiner persönlichen Auslegung des Daimonion hat er sich die besondere Feindschaft der Tempelpriester zugezogen, einer mächtigen Gruppe in Athen. Kleriker aller Glaubensrichtungen waren schon immer darauf bedacht, sich an ihrer Macht nichts abschneiden zu lassen. Insoweit ist der Tod des Sokrates eher eine zu klärende gesellschaftspolitische als eine philosophische Frage.