,,Ohne Disziplin verlieren die Menschen meistens die Kontrolle?
Was könnte damit gemeint sein?
6 Antworten
Das erinnert mich grade an einen Spruch von Goethe zu Selbstbestimmung, vermutlich ziehlt es auf einen ähnlichen Sachverhalt ab:
"Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt ein Knecht"
(Wobei ich kritisch anmerken würde, dass wohl niemand, trotz aller Disziplin, die absolute Kontrolle über sein Leben übernehmen kann.)
Was könnte damit gemeint sein?
Der insbesondere beim Thema Sexualität gerne in religiösen Kreisen verbreitete Schwachsinn, man müsse seinen natürlichen Sexualtrieb angeblich speziell disziplinieren (sprich: gegen seine Bedürfnisse enthaltsam sein, Sex nur zum Zweck der Forpflanzung, selbstverständlich nur in der Ehe und ähnlicher sexualfeindlicher Schwachsinn).
Gesunde Menschen verfügen u.a. über eine Impulskontrolle, die sie im Laufe ihrer Kindheit entwickeln. Sie verhindert, dass wir jedem Impuls nachgeben ("Oh, das gefällt mir, also mache ich das jetzt - ganz egal, wie die Konsequenzen aussehen.").
Aus Sicht ihrer ihnen anerzogenen sexualfeindlichen Religion, ist aber bereits ein "normaler" Umgang Sexualität, schädlich/nicht Gott gewollt/hier bitte irgendeinen anderen Unsinn eintragen:
"Das Schlimmste an der christlichen Religion ist ihre krankhafte und unnatürliche Einstellung zur Sexualität." (Prof. Bertrand Russell, Philosoph und Nobelpreisträger)
Für sie ist bereits der natürliche Sexualtrieb ein Kontrollverlust, und selbst sich im üblichen Rahmen abspielende Sexualität ggf. "krankhaft" (daher auch die Erfindung der angeblichen und offiziell ausdrücklich nicht anerkannten "Sexsucht").
Dieser vermeintlich "unkontrollierten", schädlichen Sexualität, sei mit Disziplin zu begegnen: "Das Christentum war eine Sekte unter anderen und hat diese vielen Mysterienkulte als Konkurrenten empfunden, und hat sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt mittels Askese. (...) Fasten sollte überhaupt sämtliche Lüste absterben lassen - was ab einem bestimmten Punkt auch stimmt. Dann womöglich Schmerz, also entweder eiskaltes Wasser im Winter - man nimmt in Eisbäder im Fluss -, oder man legt sich in Brennnesseln, in Dornen, man schläft auf Scheiben. Es geht also darum, sexuelle Impulse zu übertönen und abzutöten." (Dr. Gabriele Sorgo, Kulturhistorikerin)
Zusätzlich verstehen sich Religionen als altruistische Gemeinschaften. Natürliches Verhalten zu disziplinieren wird hier als Opfer gesehen, das belegen soll, dass der Gläubige Nachteile für sich in Kauf zu nehmen bereit ist, zum Wohle der Gemeinschaft.
Bei Religiösität ist dies: exzessives Beten, Nahrungstabus, Fasten, Askese, Pilgerzüge, Abgaben, Arbeitsleistungen, Zeit, Erlernen von Geboten, Beschneidungen, körperliche Exerzitien bis hin zu Geißelungen - tradiert durch Rituale.
Diese Kosten erscheinen einem egoistischen "Faker" aber subjektiv viel höher als für jene, die "im Glauben leben". Ein bloßes Mitmachen um der sozialen Vorteile willen scheint daher zu aufwendig und wird daher unterlassen - außer von jenen, die glauben und sich für die kurzfristigen Nachteile langfristige Vorteile versprechen - und sei es ein paradiesisches Leben nach dem Tod. Insofern sind Selbstmordattentäter die Extremform dieses Altruismus, da sie denken, sie würden ihrer Gruppe Vorteile verschaffen.
Fazit: Es geht hier NICHT um den Verlust von "Kontrolle" eines tatsächlich ungesunden Verhaltens (dafür ist unsere natürliche Impulskontrolle zuständig), sondern um die aufoktroyierte Unterdrückung eines natürlichen, aber aus irrationalen Gründen unerwünschten Verhaltens, bzw. um persönliche "Opfer" als Beleg für Altruismus.
PS: Davon abgesehen kann natürlich auch unsere Impulskontrolle gestört oder unterentwickelt sein. Das ist bei einigen psychischen Störungen der Fall. DANN ist aber die Forderung nach "mehr Disziplin" so sinnvoll wie die Forderung an einen Alkoholiker, doch einfach "weniger zu trinken".
In diesem Fall bedarf die psychische Störung einer Behandlung, bzw. die fehlende Impulskontrolle muss nachträglich erlernt werden.
Wer über längere Zeit nicht arbeitet und seine Lebensrhytmus nicht beibehält, wird es später sehr schwerfallen, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen.
Das trifft absolut zu. Weil Messis z.B. keine Disziplin bei der Müllentsorgung a.d.Tag legen, ersticken sie irgendwann in ihrem Morast, von zunehmenden Krankheitskeimen mal ganz abgesehen.
Ohne Disziplin verlieren die Herrscher die Kontrolle über die Menschen.
Wie praktisch für sie, wenn sich die Menschen selbst beherrschen.