Nietzsche Kritik am Cogito Argument?

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Nietzsche betreibt lediglich eine sprachliche Kritik, die ich partiell nachvollziehen kann (wobei ich aber dennoch einen Unterschied sehe zwischen "cogito, ergo sum" und "der Blitz leuchtet").

https://core.ac.uk/download/pdf/33796124.pdf

"(...) - daß, wenn gedacht wird, es etwas geben muß, ‚das denkt’, ist aber einfach eine Formulirung unserer grammatischen Gewöhnung, welche zu einem Thun einen Thäter setzt."

"Nietzsche gibt ein charakteristisches Beispiel für die Verführung des Denkens durch die Grammatik, indem er das Leuchten des Blitzes ausdrückt : „Wenn ich sage ‚der Blitz leuchtet’, so habe ich das Leuchten einmal als Thätigkeit und das andere Mal als Subjekt gesetzt: also zum Geschehen ein Sein supponirt, welches mit dem Geschehen nicht eins ist, vielmehr bleibt, ist, und nicht ‚wird’“ (KSA 12, 103f. (2[84])). Nietzsche stellt die Frage: „Sollte dieser Glaube an den Subjekt- und Prädikat-Begriff nicht eine große Dummheit sein?“ (KSA 12, 102 (2[83]))"

Im Prinzip hat er insoweit recht, als dass ein grammatisches Subjekt keineswegs immer ein "Täter" sein muss. Im Grunde "tut" der Blitz nichts, er verfügt über keinerlei Willen oder Entscheidungsmöglichkeiten, es ist ein rein physikalisches Geschehen - da gebe ich N. recht.

Anderes Beispiel: "Es gibt Reis, Baby." Irgendjemand bereitet da offenbar Reis zu. Aber "es" ist ein grammatisches Subjekt, das aus rein sprachlichen Gründen da stehen muss, "es" ist keine Person mit Willen, die etwas "gibt". Oder noch etwas abstrakter: "Es gibt viele Möglichkeiten" - wer oder was ist "es"?

Andererseits gibt N. auch kein konkretes Gegenbeispiel nach dem Muster: "wenn (in diesem konkreten Falle) etwas gedacht wird, ist kein "Etwas" vorhanden, welches denkt". Worin sollte so ein Gegenbeispiel auch bestehen?

"Denken" ist etwas anderes als der rein physikalische Vorgang "leuchten" - offenbar kann etwas nicht-Organisches nicht denken (zumindest nicht in unserem allgemeinen Sprachverständnis). Denken kann nicht einfach so in einem leeren Raum stattfinden, ohne Leben macht Denken auch keinen Sinn, diesen Unterschied betrachtet N. nicht ausreichend.

Mir scheint, dass N. gerne mal das Kind mit dem Bade ausschüttet: offenbar gefiel ihm das Beispiel mit dem Blitz so sehr, dass er später auch schrieb "es gibt keinen Willen". Ich würde sagen: "es kommt drauf an."

Vermutlich hätte da auch Schopenhauer widersprochen.

Das ist jetzt eine reine Spekulation von mir, da ich den Nietzsche so weit nicht gelesen habe:

Descartes: jede Eigenschaft braucht einen Träger z.B. die Masse einen Körper, der Gedanke einen Denker.

Der Blitz der leuchtet braucht keinen Träger, er ist zugleich Träger und Eigenschaft.