Kein Platz für Rettungsgasse?
Hey, wenn man z.b. auf der Schnellstraße mit einer Baustelle fährt und die 2. Spur gesperrt ist für Bauarbeiten, so dass nur eine Spur da ist, auf der man zu wenig Platz für eine rettungsgasse hat, so dass selbst wenn man ganz am Rand fährt kein Einsatz Fahrzeug durch passt, darf man dann schneller als die z.b. 60 oder 80kmh fahren wenn ein Einsatzfahrtzeug mit Blaulicht hinter einem ist, damit sie schneller durchkommen? Danke im voraus
2 Antworten
Ja. Es dürfen kleinere Ordnungswidrigkeiten begangen werden, um vorschriftsgemäß freie Bahn zu schaffen. Ein berühmtes Beispiel ist das Überfahren einer roten Ampel.
Es muss aber weiterhin sicher bleiben! Also du darfst weder dich noch andere gefährden, einen Unfall riskieren oder so. Deshalb darf man z.B. an der roten Ampel zwar über die Linie fahren, aber nicht einfach blindlings in den rollenden Querverkehr schießen.
In deinem Beispiel wird sich angesichts des verlängerten Bremswegs, ggf. enger Kurven, Gefährdung von Bauarbeitern o.ä. irgendwo eine Grenze ergeben, welche Geschwindigkeitsüberschreitung noch sicher ist und wo es fahrlässig wird. Das ist dann eine Einzelfallentscheidung - die im Zweifel, wenn es dann dummerweise geknallt hat, Richter und Anwälte ausmachen und dafür monatelang Zeit haben, wo du sehr spontan entscheiden musstest.
Ich denke schon:
§ 16 Rechtfertigender Notstand OWiG1Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Handlung begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.2Dies gilt jedoch nur, soweit die Handlung ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
80 statt 60 außerorts sehe ich als angemessenen Verstoß um einem Rettungswagen Platz zu machen.
Bei 200 statt 60 wird es natürlich schwieriger dich mit §16 zu verteidigen.
ABER ich bin kein Anwalt und ich habe mir jetzt auch nicht die Gerichtsurteile zu solchen Fällen angesehen.
Das ist richtig. Ich denke in meinem Fall wäre es kein Problem gewesen, wenn ich die 100m normal weiter gefahren bin.
Es ist so oder so Situationsabhängig. Das der Grund der Einsatzfahrt unbekannt ist kann man aber in beide Richtungen argumentieren. Es ist meiner Meinung nach besser mit etwas zu schlimmen zu rechnen als sich zu sagen, der muss jetzt halt warten.
So oder so sind das alles Fälle die individuell geklärt werden müssen. Ein wirkliches Richtig und Falsch gibt es denk ich nicht. Am sichersten ist man jedoch leider, wenn man die Einsatzfahrt behindert und sich an die lokalen Verkehrsregeln hält.
Das Problem ist hier, dass der Grund der Einsatzfahrt unbekannt ist und man somit nicht beurteilen kann, welche Handlung angemessen/verhältnismäßig ist.
Dieses Problem sehe ich nicht.
Gemäß § 38 StVO dürfen Blaulicht & Sirene nur dann genutzt werden, wenn höchste Eile geboten ist; im Fall des Rettungsdienstes zu dem Zwecke, Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Sprich, allein aus dem Umstand, dass das Rettungsfahrzeug Blaulicht & Sirene verwendet, darf der Verkehrsteilnehmer schließen dass höchste Eile geboten ist. Es ist nicht seine Aufgabe, herumzuphilosophieren ob da ein Blindfisch auf der Leitstelle den RTW mit Sonderrechten zum eingerissenen Fingernagel geschickt hat...
Zudem könnte es strittig sein, ob es eine Gefahr darstellt, wenn dem Rettungswagen nicht sofort Platz gemacht werden kann.
Man kann sich als Einsatzfahrer nicht darauf verlassen, dass das mit dem "freie Bahn schaffen" funktioniert. Also dass z.B. der Verkehrsteilnehmer vor einem dann auch tatsächlich die Parkbucht nutzt, die in 50 m kommt. Das ist ein Erfahrungswert, den man als Einsatzfahrer bei seinem Fahrstil zu beachten hat - alles andere wäre fahrlässig und mündet ggf. in einer Nötigung oder gar einem Unglück.
Wenn also eine brenzlige Verkehrssituation auftritt, weil der Verkehrsteilnehmer nicht so Platz gemacht hat wie der "Blau an, Hirn aus"-Fahrer im RTW erwartet hat, ist das primär dessen Schuld.
Beim ersten Teil stimme ich dir teilweise zu. Dennoch hat der Grund des Einsatzes theoretisch Einfluss auf die Verhältnismäßigkeit. Es stellt sich also die Frage, ob man in so einem Fall immer vom Schlimmsten ausgehen darf.
Mit dem zweiten Teil meinte ich, dass es strittig sein könnte, ob die unverschuldete Behinderung des Einsatzfahrzeugs durch den Verkehrsteilnehmer selbst als zusätzliche Gefahr im Sinne des § 16 OWiG anzusehen ist. Argumentiert man, dass allein durch diese unverschuldete Behinderung keine neue Gefahr entsteht, fehlt für § 16 entsprechend die Grundlage.
Ungeachtet dessen stellt sich die Frage, ob ein Zeitgewinn von ggf. wenigen Sekunden eine nicht unerhebliche Geschwindigkeitsübertretung rechtfertigt, welche ihrerseits ebenfalls eine neue Gefahr darstellen kann. Im Normalfall gibt es ja regelmäßig die Möglichkeit eines Ausweichens, auch in Baustellenbereichen.
Meines Erachtens kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung in Einzelfällen angemessen sein, ist aber in jedem Fall vorher abzuwägen.
Danke, das ist auf jeden fall hilfreich. Ich glaube das muss man dann wohl einfach in der jeweiligen Situation abwägen. Am Ende habe ich auch lieber eine Strafe am Hals als das der Krankenwagen nicht rechtzeitig ankommt
Also ich hatte ein ähnliche Situation. Links kam Gegenverkehr und Rechts war ein Zaun. Also bin ich ~100m bis zur nächsten Abfahrt 70 statt 50 gefahren und habe frühzeitig den Blinker Rechts gesetzt.
So musste der Krankenwagen nicht bremsen und beschwert hat sich auch keiner.
Das Problem ist hier, dass der Grund der Einsatzfahrt unbekannt ist und man somit nicht beurteilen kann, welche Handlung angemessen/verhältnismäßig ist. Zudem könnte es strittig sein, ob es eine Gefahr darstellt, wenn dem Rettungswagen nicht sofort Platz gemacht werden kann.