Juni - Marie Luise Kaschnitz Interpretation

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Das Gedicht heisst Juni, ist dem ersten Band der Gedichte von MLK entnommen (1947 veröpffentlicht) und dürfte 1935 entstanden sein. das ist die Zeit, in der MLK die Natur des Ostens entdeckt. Zu verstehen ist es vor dem Hintergrund der südlichen Natur, die sie kurz vorher erlebt hatte. Dort bleibt sich die Landschaft relativ gleich, ein Neubeginn im Frühling/Frühsommer ist eine Erfahrung, die der Dichterin nicht mehr vertraut war. Man fühlt die Erleichterung nach einem langen Winter "von denen man sieben zählte zwischen Oktober und Mai" (Orte, S. 57).

Daher das Gefühl der Entdeckung ("Schön wie niemals...").

Das Ganze ist in Trochën verfasst, was interessant ist, weil man schulmäßig den Trochäus als schwer, den Jambus dagegen als leichtbeschwingt bezeichnet. Das ist aber ganz falsch, Gerhard Storz hat schon darauf hingewiesen (Der Vers in der neureren deutschen Dichtung), und hier hat man die Bestätigung: "Dem trochäischen Vers [ist] eine gewisse Beschwingtheit zu eigen, die durch das Drängen auf den Angfang zu verursacht wird". Andere Beispiele lassen sich bei MLK finden.

Interessant ist auch der auffällige Verzicht auf den Reim, was bei aller Klassizität des Gedichtes doch überaschend ist; das verlieht dem Rhyhtmus und dem Klang mehr Freiheit und Leichtigkeit, das "Korsetthafte" (oder Konventionelle), das der Reimzwang verursachen kann, verschwindet.

Dennoch wird das Wort Erde dreimal in Reimstellung wiederholt, und zwar immer an derselben Stelle (Ende des 1. Verses), was dem Thema entspricht.

Endwörter: die enden alle auf eine unbetonte Silbe ("weiblich"), nur der jeweilige schlussvers endet auf eine betonte ("männlich")? Das verleiht der jeweiligen Strophe einen klangmäßigen Halt, so dass das Gefühl des Neuanfangs dann intensiviert wird.

In der dritten und vierten Strophe, die denn auch die geometrische Mitte des Gedichtes sind, wird deutlich, dass die Natur sich nicht auf die Tier- und Pflanzenwelt beschränkt, sondern es wird auch das Mneschline hineingezogen ("Trieben Kinder lärmend ihre Kreisel/ Singend..."). Es geht also um ein Bild der Kreatur schlechthin, vom zygklischen Neubeginn ist das Menschliche nicht aussgeschlossen, es ist selbst Teil dieser Natur (also ganz gewiss nicht "ganz normale Lobpreisung der Erde");

Auch wenn der Text nicht besonders anspricht, was ich ja durchaus verstehen kann, genügt es, etwas genauer zu lesen, um ihm doch interessante Aspekte abzugewinnen.


Novalis1  04.07.2010, 15:08

Vielen Dank für den Stern! Über die frühe Lyrik der Kaschnitz habe ich vor vielen Jahren gearbeitet - die Frage hat mich an diese Jahre erinnert!

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LiloB  04.07.2010, 16:29
@Novalis1

und mit Dir liebt Macel Reich-Ranicki diese wunderbare Schriftstellerin. Ach ja, und ich auch - z.B. die Engelsbrücke war wunderbar, wenn man nach Rom fuhr und sie vorher gelesen hatte.

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Das Gedicht verleiht dem Eindruck, den M.L.K. von einem Tag im Juni hatte, lyrischen Ausdruck. Eine andere Kernaussage hat das Gedicht m.E. nicht. Die "junge Erde" (jung vielleicht, weil noch vor der Sonnenwende) wird personifiziert: sie treibt wie eine Insel im Wind, trägt den Glanz ihrer Jugend durch den "reinen" (wolkenlosen?) Himmel.

Die Geschöpfe, die Kaschnitz aufzählt, sind ebenfalls jung wie die Erde: Fohlen, Vögel im Nest, Kinder.

Der Wind spielt auch eine besondere Rolle: er treibt die Dinge unaufhörlich an - bewegt die Saaten auf den "jungen" grünen Feldern, die Windmühlenflügel, die Segel auf dem Haff.

In diesem Gedicht sehe ich zwei immer wiederkehrende Elemente: Jugend und dauerndes Getriebensein. Die Annahme, dass M.L.K. das als junger Mensch geschrieben hat, dürfte plausibel sein.

Für mich nichts besonderes außer der erste Satz. Okay, ein bisschen was lyrisch wertvolles kann man ihm abgewinnen aber für mich zu inhaltslos. ,,Ganz normale" Lobpreisung der Erde. Was intressant ist , dass sie öfter ,,neue" Erde benutzt. In Verbindung mit dem ersten satz könnte man das in den Kontext von einer ,,Wiederentdeckung" der Erde sehen oder bewussteres Wahrnehmen der Nautr.

Aber wie gesagt, nicht mein Fall :D


MrBananahead 
Beitragsersteller
 03.07.2010, 20:43

danke schon mal :) mir sagt der text auch so gar nichts, deswegen brauche ich hilfe

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Verstehst Du den Text dieses Gedichtes (oder Verses) wirklich nicht? Versuche doch einmal, Dich in die Athmosphäre zu versetzen,- diese Begeisterung für die Schönheit der Natur, der Erde - und was für wunderbare Worte M.L.Kaschnitz dafür findet. Na klar, das ist eine ganz andere Sprache als Ihr heute sprecht,- aber; bitte, laß Dich darauf ein. Und wenn Du es ganz rationell nehmen willst,- heute würden die Grünen sich anders ausdrücken,- und es Warnung vor der Zerstörung der Erde - oder Umweltverschmutzung im weitesten Sinne nennen. Aber ohne einen Bruchteil der Begeisterund und nur als Miesmachen, nicht als Loben, wie schön die Erde - im Juni zum Beispiel -ist.