Ist Quantenverschränkung (zwei Teilchen an unterschiedlichen Orten miteinander verbunden bzw. gleichen Zustand) schneller als Lichtgeschwindigkeit?

3 Antworten

Hallo Kleosa,

ja, die verschränkten Teilchen sind verbunden, und zwar durch eine gemeinsame Wellenfunktion, welche die Information über ihren gemeinsamen Zustand enthält.

Zum Beispiel den gemeinsamen Spin. Wenn beides Spin-½-Teilchen sind und der gemeinsame Spin 0 ist, müssen sich bei der Messung der Spins der einzelnen Teilchen entlag derselben Achse entgegengesetzte ergeben.

Wenn ich hier und jetzt die Ausrichtung des Spins eines Teilchens an der Erdachse (Richtung Polarstern) messe und dabei auf −½ħ komme, weiß ich, dass ein anderer Beobachter, der mit dem anderen Teilchen 2 Lichtminuten entfernt ist, bei der gleichen Messung auf +½ħ kommen muss, egal, wann er misst. Auch z.B., wenn er schon vor 1min gemessen hat. Hätte er vor über 2min gemessen und mir das Ergebnis gefunkt, dann hätte ich gar nicht mehr messen müssen.

Allgemeines über die Wellenfunktion

Die Wellenfunktion ψ beschreibt den Zustand eines Teilchens (oder Mehrteilchensystems) und lässt sich als Vektor ⎜ψ⟩ eines abstrakten Vektorraums auffassen. Eine physikalische Größe Q, eine sog. Observable, wird durch einen linearen Operator Q̂ dargestellt, der so etwas wie eine Matrix in diesem Vektorraum darstellt. Wenn man ihn mit so einem Vektor multipliziert, enthält man wieder ein Vektor desselben Vektorraums:

(1) Q̂⎜ψ⟩ = ⎜φ⟩

Zu jeder Observablen gibt es einen¹) Zustand ⎜n⟩, bei denen es einen Zahlenwert (ggf. mit Maßeinheit) qₙ gibt mit

(2) Ô⎜k⟩ = qₙ⎜n⟩.

Ein solcher Zustand heißt ein Eigenzustand von Ô zum Eigenwert qₙ. Befindet sich ein Teilchen im Zustand ⎜n⟩ und man misst Q, wird das Ergebnis mit Sicherheit qₙ sein.

Ein Zustand, der kein Eigenzustand von Q̂ ist, lässt sich in jedem Fall als Linearkombination von Eigenzuständen

(3) ⎜ψ⟩ = α₁⎜1⟩ + α₂⎜2⟩ + … + αₙ⎜n⟩ + …

schreiben, wobei die αₖ (i. Allg. komplexe) Zahlen mit der Eigenschaft

(4) ⎜α₁⎟² + ⎜α₂⎟² + … + ⎜αₙ⎟² + … = 1

sind. Jedes ⎜αₖ⎟² ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass bei einer Messung von Q der Wert qₖ herauskommt.l (BORNsche Regel).

Wenn jetzt z.B. qₙ herauskommt, muss das Teilchen sozusagen vom Zustand ⎜n⟩ aus weitermachen. Nach der sog. Kopenhagener Deutung hat die Messung zu einem Kollaps der Wellenfunktion ⎜ψ⟩ zu ⎜n⟩ geführt.

Wie sich dieser Kollaps abspielt, ist nicht bekannt, nur dass er "augenblicklich" geschehen muss, d.h., die ganze Wellenfunktion auf einmal betrifft, egal, wie ausgedehnt sie ist.

Genau genommen ist allerdings nicht einmal gewiss, dass es den Kollaps überhaupt gibt. EVERETTs Viele- Welten- Interpretation, der zufolge es viele parallele Realitäten gibt, wo jedes mögliche Ergebnis in mindestens einer davon realisiert ist, ist bis heute nicht widerlegt.

Das Problem mit dem Wort "augenblicklich"

Findet der Kollaps statt, betrifft er die gesamte Wellenfunktion der beiden Teilchen auf einmal, "augenblicklich", obwohl bei Berücksichtigung der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) nicht einmal klar ist, was das überhaupt heißt.

Gemäß der SRT haben nämlich sog. raumartig getrennte Ereignisse keine feste zeitliche Reihenfolge; es gibt ein Koordinatensystem, in dem sie als gleichzeitig anzusehen sind, aber auch solche, in denen eines als zuerst passiert beschrieben wird, und solche, in denen das andere als zuerst geschehen beschrieben wird. Keines der beiden Ereignisse kann Ursache oder Wirkung des anderen sein.

Bild zum Beitrag

Abb.1: Die Darstellung eines und desselben Szenarios, dargestellt in zwei verschiedenen Koordinatensystemen Σ und Σ', nämlich den Ruhesystememen zweier relativ zueinander bewegter Körper. Die grüne Linie stellt eine Reihe raumartig getrennter Ereignisse dar; in Σ sind die "linken" Ereignisse früher, in Σ' die "rechten".

Das gilt auch für Messungen an unseren beiden Teilchen an verhältnismäßig weit voneinander entfernten Orten (s.o.).

__________
¹) Das Wort "es gibt ein X" bedeutet in Mathematik und Naturwissenschaften nur, dass es mindestens ein X gibt; es kann auch bedeuten, dass es mehrere oder sogar (theoretisch) unendlich viele X gibt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Physik, Chemie, Wissenschaft)

bevor du die "geschwindigkeit" der quantenverscheänkung" mi einer anderen geschwindigkeit wie der lichtgeschwindigkeit vergleichst, müsstest du erstmal definieren was du mit "geschwindigkeit der quantenverscheänkung" meinst.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

Jain.

Ja, es passiert sofort.

Aber es können dadurch keine Informationen übertragen werden, daher ist das 'schneller' als Lichtgeschwindigkeit möglich.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Kleosa 
Beitragsersteller
 22.08.2023, 21:38

also wie eine unsichtbare Welle bzw. Verbindungsachse ?

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Kaenguruh  22.08.2023, 22:06
@Kleosa

Ja, es ist als ob die Quanten durch ein unsichtbares Band verbunden wären, längs dessen keine Zeit vergeht. Dies ist jedoch eine Interpretation! Sie setzt ein ontologisch resles Weltbild voraus. Das heißt, das es eine vom Beobachter unabhängige Realität gibt.

In der Kopenhagener Deutung ist aber das utilitär positivistische Weltbild eher angebracht oder wird bevorzugt. Das heißt, nur ein beobachtetes Phänomen ist ein reales Phänomen. Überspitzt formuliert: wenn keiner hinhört, macht ein fallender Baum kein Geräusch, ja er existiert nicht mal. Man darf also nicht fragen: wieso ist das so und was passiert wirklich? Denn es gibt nur die Beobachtung als Wirklichkeit, d.h. die Korrelation der verschränkten Variablen bei deren Messung (=Beobachtung).

Ein geflügeltes Wort, wenn doch jemand fragt:

Shut up and calculate!

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Kaenguruh  23.08.2023, 00:33
@Kleosa

Vielleicht trifft auch folgende Überlegung zu:

Grundlage ist die Vielweltentheorie von Hugh Everett, nach der sich bei jeder Messung das Universum aufspaltet in verschiedene Universen, in denen jeweils eines der möglichen Ergebnisse realisiert ist. In einem jeden Universum gibt es den gleichen, aber nicht den selben, Beobachter, der sich fragt, wieso habe ich jetzt gerade diesen einen, rein zufälligen Wert gemessen und nicht einen anderen; was ist mit den anderen passiert? Antwort: die anderen möglichen Werte sind in anderen Universum realisiert worden.

Man könnte nun annehmen, dass das Universum jede der einzelnen Möglichkeiten schon vorgefertigt, gewissermaßen in petto, also sozusagen im Ärmel hat. Jede dieser einzelnen Möglichkeiten muss natürlich den Naturgesetzen entsprechen, also z.B bei einer negativen Korrelation des Spins (Singulettzustand) immer up und down bzw down und up zeigen, aber niemals down und down. Bei einer Messung werden dann, um im Bild zu bleiben, diese Karten aus dem Ärmel auf den Tisch gelegt.

Es gibt also keinerlei Information, die von einem Quant zum anderen laufen würde. Der Begriff Kausalität muss hier ersetzt werden durch den Begriff Selbstkonsistenz.

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TheThunk2  23.08.2023, 17:01
@Kleosa

Jain.

Auch bei einer Radachse weißt du, wenn das eine Rad so steht, dann steht das andere Rad so. Wie bei zwei verschränkten Teilchen. Wenn du misst und das eine hat Spinup, dann hat das andere Spindown, sie sich bspw. mit einem Gesamtspin von 0 getrennt haben.

Allerdings ist es bei einer Radachse so, das wenn du das eine Rad drehst, sich eine Atomschicht nach der anderen der Achse mitdreht, du also eine Ausbreitungsgeschwindigkeit dieser sich fortpflanzenden Drehbewegung hast. Diese kann nicht höher als Lichtgeschwindigkeit sein.

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TheThunk2  23.08.2023, 17:03
@Kaenguruh

Ob das jetzt in anderen Universen realisiert wird, ist dann eine philosophische Frage.

Wichtig ist aber eben dieser letute Absatz, in dem du ja auch schreibst, dass keinerlei Information vom einen zum anderen Quant laufen. Ansonten müsste die Grenze der Lichtgeschw. nämlich berücksichtigt werden.

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