Ist es moralisch verwerflich eine lange Freundschaft wegen Bildungsunterschieden bzw. Schichtzugehörigkeit zu kündigen?

11 Antworten

Es gibt Freundschaften, die trotz Bildungsunterschiede über Jahre hinweg weiter bestehen können.

Wenn sich aber beide in sehr verschiedene Richtungen entwickeln, dadurch andere Interessen haben und eigentlich keine Grundlage mehr haben, dann wird die Freundschaft wahrscheinlich zerbrechen.

In einem solchen Fall kann es nur noch lästig sein, wenn man sich weiterhin trifft. Ein klärendes Gespräch wäre hier wohl sinnvoll.


milamo  19.02.2016, 13:15

du pauschalisierst hier sehr.

es ist durchaus möglich dass sich menschen in jahren / jahrzehnten soweit auseinander entwickeln dass sie sich kaum noch etwas zu sagen haben.

es ist nicht im geringsten verwerflich, jeder sollte freunde wählen können die zu ihm und seiner situation passen.

offenbar zählst du dich selber eher zu besagter unterschicht und fühlst dich persönlich beleidigt, das hilft dem fragesteller aber nicht weiter.

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so wie du es beschreibst, auf jeden Fall

aber wie sieht die Realität aus ?

da finden sich zwei 4 Jährige Kinder sympathisch

schließen Freundschaft ... (Kindergarten Schule)

und mit 15 ... 16 trennen sich die Wege

einer ehrgeizig studiert promoviert arbeitet verantwortungsvoll schafft sich Werte ...

der andere lässt sich gehen, alles schleifen, lebt als Penner

haben die sich, wenn sie sich nach Jahren Jahrzehnten treffen, noch viel zu sagen, gemeinsame Interessen

da muß man nicht kündigen ... da hat man sich auseinandergelebt

in meinem EXTERM Beispiel

aber ist es immer so extrem ????

der eine Generaldirektor der andere Pförtner im selben Konzern

die können problemlos ihre Freundschaft pflegen,  auch wenn vieles sich verändert hat

der Pförtner kann nen Kaffee im Chefbüro trinken und die besuchen sich zu Geburtstagen

Ich finde sowas nicht verwerflich. In erster Linie würde ich da die komplett anderen Interessen als Problem sehen. Man lebt sich mit der Zeit einfach auseinander und trifft mit dem neuen Weg eben auch neue Freunde.

Ist es moralisch verwerflich eine lange Freundschaft wegen Bildungsunterschieden bzw. Schichtzugehörigkeit zu kündigen?

Zunächst einmal störe ich mich an der Verwendung des Wortes "kündigen". Freundschaft ist kein Mietvertrag. Wir neigen zwar in heutiger Zeit, im Zeitalter des Internets, der sozialen Netzwerke und des damit verbundenen Online-Narzissmus dazu, alles auf Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp und weiß der Kuckuck wo noch zu verschriftlichen, zu posten und zu teilen. Dies schließt auch soziale Beziehungen mit ein, durch Freundeslisten, durch den Beziehungsstatus auf Facebook etc. Somit haben soziale Beziehungen inzwischen durchaus zunehmend die Tendenz, in irgendeiner Form schriftlich festgehalten zu sein, einem Publikum offenbart zu werden und somit natürlich auf eine Resonanz des sozialen Umfeldes zu stoßen. Jedoch ist es im Endeffekt doch kein Glaubenssatz, keine Statusmeldung auf WhatsApp, keine Freundesliste auf Facebook und kein Foto mitsamt Text auf Instagram, das eine Freundschaft wirklich zusammenhält. Sondern es sind unausgesprochene Aspekte, die einen verbinden, es hat mit Vertrauen zu tun, damit, dass man die Persönlichkeit und Meinung des anderen schätzt, dass man sich in seiner Gegenwart wohl fühlt, dass man etwas miteinander anfangen kann, dass man gemeinsame Interessen oder Ansichten hat, dass man sich austauscht und etwas unternimmt, dass man auf gemeinsame Solidarität bauen kann, dass man sich trotz Streitereien und temporären Distanzierungen wieder versöhnt und dass man natürlich auch auf gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse zurückblicken kann (die ja Basis für z.B. das Vertrauen sind). Dabei handelt es sich in erster Linie um einen Zustand, nicht um eine in Stein gemeißelte ewige Verpflichtung.

Ist es also moralisch verwerflich, wenn sich eine einst enge Freundschaft entfremdet und revidiert? Um dies richtig bewerten zu können, muss man sich zwei Dinge vor Augen halten: Erstens ist es so, dass alle Ereignisse wertneutral sind. Der Mensch ist es schließlich, der Geschehenissen Deutungen und Wertungen zufügt. Zweitens ist es so, dass ein Mensch, also die Persönlichkeit eines Menschen, nicht statisch ist, sondern einem permanenten Wandel unterliegt. Je nach Person kann dieser Wandel drastischer oder minimaler ausfallen. Fest steht aber, dass niemand absolut beständig ist. In anderen Kulturen, z.B. bei den Piraha-Indianern am Amazonas, wechseln die Leute mehrmals im Leben ihren Namen. Dies unterliegt der Logik, dass ein Mensch sich verändert und die Bezeichnung dieses Menschen seinem gegenwärtigen Zustand möglichst exakt entsprechen soll.

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte komme ich zu dem Fazit, dass es prinzipiell nicht verwerflich ist, wenn sich eine frühere Freundschaft auflöst. Freundschaft sollte niemals mit Zwang verbunden sein. Wenn die oben von mir aufgeführten Punkte, die eine Freundschaft zusammenhalten, nach vielen Jahren unterschiedlicher Persönlichkeitsentwicklung einfach nicht mehr vorhanden sind, dann mag das schade sein, ist aber nicht zu ändern. Man sollte sich da keinen Zwang antun - wenn man seinen einstigen besten Freund heute naiv und dumm findet, mit ihm nicht mehr viele Gemeinsamkeiten hat und einfach von innen heraus keine große Lust mehr verspürt, miteinander Zeit zu verbringen - dann muss man eingestehen, dass das Ich des Freundes, das eigene Ich (oder beide Ichs) sich so stark verändert haben, dass sie nicht mehr in der gleichen Beziehung zueinander stehen können, wie es mit den Ich-Zuständen der Vergangenheit der Fall war. Natürlich kommt es aber auch immer auf den speziellen Kontext an. Wenn man mit dem anderen bloß aufgrund des niedrigeren sozialen Status (ohne radikalere Veränderungen der Persönlichkeit) nicht mehr befreundet sein will, dann ist man schlichtweg krankhaft narzisstisch.

LG

Niemand hat Anrecht auf Freundschaft. Also ist es auch nicht moralisch verwerflich, eine Freundschaft zu beenden. 

Grundsätzlich finde ich es aber schade. Ich glaube, es ist gut, wenn es Freundschaften und Kontakte quer über alle Grenzen  gibt. Manchmal geht es aber nicht (weiter).