integrale geometrisch interpretieren?

4 Antworten

Hallo,

eigentlich wird das in jedem einschlägigen Mathebuch erklärt.

Die Integralrechnung wurde erfunden, als man versuchte, das Problem zu lösen, wie man eine Fläche bestimmen kann, die krummlinig begrenzt ist.

Die Fläche eines Dreiecks oder Vierecks usw. zu bestimmen, ist ja relativ einfach, weil diese Gebilde gerade Begrenzungen haben und immer in Dreiecke unterteilt werden können.

Am einfachsten ist es, die Fläche eines Rechtecks oder gar eines Quadrates zu bestimmen. Man multipliziert einfach die Breite mit der Höhe und ist fertig.

Was aber ist, wenn Du die Fläche unter einer Parabel wie
f(x)=x²bestimmen möchtest? Zum Beispiel zwischen der Parabel, der x-Achse und zwei Senkrechten, die durch x=1 und durch x=3 gehen?

Dann hast Du zwar drei gerade Linien, nämlich die x-Achse und die beiden Senkrechten, aber euch eine krumme, nämlich die Parabel zwischen x=1 und x=3.

Zumindest könntest Du die Fläche abschätzen.

Du könntest zum Beispiel an der Stelle der Parabel, die die Senkrechte bei x=1 schneidet, eine waagerechte Linie ziehen bis zur Senkrechten durch x=3. Dann hättest Du ein Rechteck, das zwei Einheiten (3-1) breit ist udn eine Einheit hoch, denn wenn f(x)=x², dann ist f(1)=1²=1.

Dieses Rechteck hätte also eine Fläche von 2*1=2 Flächeneinheiten.

Natürlich ist es kleiner als die tatsächliche Fläche, weil die Parabel ja ab x=1 ein ganzes Stück nach oben geht - und dieses Stück haben wir durch das Rechteck einfach abgeschnitten.

Zumindest aber wissen wir eins: Die gesuchte Fläche kann auf keinen Fall kleiner als 2 sein.

Nun zeichnen wir ein neues Rechteck. Die Breite bleibt 2, aber die Höhe ist diesmal nicht f(1)=1, sondern f(3)=9, denn 3²=9.

Dieses Rechteck hat immerhin einen Flächeninhalt von 2*9=18 Flächeneinheiten. Diesmal ist das Rechteck natürlich zu groß. Wir wissen aber nun, daß die gesuchte Fläche auf keinen Fall größer als 18 FE ist.

Die Wahrheit liegt also irgendwo zwischen 2 und 18 FE.

Ein bißchen sehr vage; läßt sich aber verbessern.

Was ist denn, wenn wir das Intervall zwischen x=1 und x=3 auf zwei Rechtecke aufteilen, die jeweils eine Breite von einer Einheit haben und wir als Höhe der Rechtecke jeweils den kleineren Funktionswert, also den linken nehmen für die Untergrenze und den jeweils rechten für die Obergrenze und anschließend beide Einzelflächen der beiden unteren oder der beiden oberen Rechtecke jeweils addieren?

Die Breite ist dann nicht mehr 2, sondern 1 - aber da es jetzt zwei Rechtecke sind, bleibt die Gesamtbreite bei 2.

Für die Untergrenze wählen wir beim linken Rechteck, das von x=1 bis x=2 geht, die Höhe f(1)=1, beim rechten Rechteck, das von x=2 bis x=3 geht, die Höhe f(2)=2²=4.

Das erste Rechteck hat somit die Fläche 1*1=1 FE, das zweite 1*4=4 FE.

Zusammen ergibt das eine Fläche von 5 FE. Auch diese ist noch zu klein, aber nicht mehr soviel zu klein wie die Fläche des ersten Rechtecks.

Auch eine Obergrenze bestimmen wir, indem wir für das linke Rechteck diesmal f(2)=4 als Höhe wählen und für das rechte f(3)=9

So kommen wir auf 4+9=13 und können immerhin sagen, daß die gesuchte Fläche zwischen 5 und 13 liegen muß, was schon erheblich genauer ist als zwischen 2 und 18.

Jetzt wollen wir es noch genauer haben und teilen die Fläche gleich auf jeweils vier Rechtecke auf, deren Breite jeweils nur noch 0,5 Einheiten besitzt.

Die vier Rechtecke gehen also von x=1 bis x=1,5; von x?1,5 bis x=2; von x=2 bis x=2,5 und von x=2,5 bis x=3.

An der Gesamtbreite hat sich also nichts geändert.

Wieder wäheln wir den jeweils kleineren Funktionswert als Höhe für die Unter-, den jeweils größeren für die Obergrenze.

Bei der Untergrenze siehst das nun so aus:

Wir bekommen die vier Rechtecke mit Breiten von jeweils 0,5 Einheiten und den Höhe 1²; 1,5²; 2² und 2,5², also 1; 2,25; 4 und 6,25.

Zusammen ergibt das 0,5*(1+2,25+4+6,25)=0,5*13,5=6,75

Für die Obergrenze wählen wir die Höhen 2,25; 4; 6,25 und 9 und kommen auf 0,5*(2,25+4+6,25+9)=0,5*21,5=10,75

Jetzt wissen wir, daß die Fläche zwischen 6,75 und 10,75 FE liegt.

Du siehst, wo die Sache hinführt: Je feiner wir die Fläche in Rechtecke unterteilen, desto näher kommen wir der Sache und desto dichter rücken Ober- und Untergrenze zusammen.

Was ist eigentlich, wenn wir diese Fläche in unendlich viele Rechtecke unterteilen würden? Der Unterschied zwischen Unter- und Obergrenze würde sich in Wohlgefallen auflösen und beide Flächen würden mit der gesuchten Fläche identisch sein.

Wenn wir n Rechtecke hätten, wäre jedes von ihnen 2/n Einheiten breit, denn natürlich muß immer die Breite herauskommen, deren Fläche wir untersuchen, wir bleiben hier im Beispiel immer zwischen x=1 und x=3, also bei einer Gesamtbreite von 2 Einheiten.

Was ist die Höhe eines jeden Rechtecks? Wenn wir bei x=1 anfangen, wäre die Höhe hier f(1)=1. 

Bei n Rechtecken hat jedes Rechteck, wie gesagt, eine Breite von 2/n Einheiten.

Wenn wir die Obersumme von n Rechtecken bilden, die letztlich bei unendlich vielen Rechtecken gleich der Untersumme ist, Hat das erste Rechteck ein Breite von (2/n)*(1+2/n)², denn (1+2/n)² ist der Funktionswert der rechten Grenze des ersten Rechtecks und damit dessen Höhe.

Das zweite Rechteck hat auch eine Breite von 2/n (die haben alle), aber eine Höhe von (1+2*2/n)², denn um bis zur rechten Seite des zweiten Rechtecks zu kommen, mußt Du von 1 aus zwei Rechteckbreiten nach rechts gehen.

So geht das weiter:

Das dritte Rechteck hat eine Fläche von 2/n*(1+3*2/n)² usw., bis Du schließlich beim letzten Rechteck angelangt bist.

Das hat auch die Breite 2/n und die Höhe (1+n*2/n)².

Wenn wir diese unendlich vielen Rechtecke mit ihren Flächen addieren, kommen wir genau auf die gesuchte Fläche, denn es sind so viele, daß sie sich unendlich genau an die krummlinig begrenzte Fläche unter der Parabel angleichen.

Diese unendliche Summe ist das Integral (das Integralzeichen soll ein in die Länge gestrecktes S für eine Summe unendlich vieler und unendlich schmaler Rechtecke bedeuten).

Die Breite dieser Rechtecke wird als dx bezeichnet, also als undlich kleiner Unterschied zwischen der linken und der rechten Rechteckseite.

Die Kunst der Integralrechnung liegt darin, jeweils eine Formel zu finden, mit der diese unendliche Summe berechnet werden kann, ohne daß man unendlich viele unendlich kleine Flächen addieren muß (was in Milliarden von Jahren nicht gelingen kann). Das klappt nicht immer, manchmal kann man sich nur mit Näherungsverfahren behelfen.

In unserem Fall funktioniert es aber.

2/n ist die Breite jedes Rechtecks und bleibt immer gleich.

Wir können es also vor die Summe ziehen.

Auch die 1, von der wir jeweils um k*2/n Einheiten nach rechts gehen, bleibt immer gleich.

Wir haben also die Höhen (1+1*2/n)²+(1+2*2/n)²+(1+3*2/n)² usw.

Die erste 1 bleibt in jeder Klammer gleich, der einzige Unterschied ist der Faktor, mit dem 2/n multipliziert wird: 1, 2, 3 usw.

Nennen wir diesen allgemein k, dann können wir eine allgemeine Summe von k=1 bis k=n bilden:

(1+k*2/n)²=(1+2k*1/n)²

Das Ganze wird mit 2/n, der Breite eines jeden Rechtecks multipliziert.

Außerdem läßt sich die Klammer nach er ersten binomischen Formel ausmultiplizieren:

1+4k*1/n+4k²*1/n²

Das alles multipliziert mit 2/n ergibt 

(2/n)*(Summe von 1+Summe von 4k*1/n+Summe von 4k²*1/n²), wobei jeweils von k=1 bis n aufsummiert wird.

So wird aus der Summe von 1 einfach n, denn hier wird 1+1+...+1 gerechnet, wobei es genau n Summanden gibt.

n*2/n=2

Die erste Teilsumme der Gesamtfläche ist also 2.

Die zweite Summe lautet 4k*(1/n)

Also 4*(1+2+3+...+n)*1/n

Die Summe 1+2+3+...++n ist aber bekanntlich das Gleiche wie (n/2)*(n+1)=

n²/2+n/2

Wir können also, anstatt mühsam von k=1 bis n aufzusummieren, gleich rechnen: 4*(n²/2+n/2)*1/n=(2n²+2n)*1/n=2n+2.

Das wird wieder mit der Breite 2/n multipliziert: (2/n)*(2n+2)=4+4/n

Die zweite Teilfläche lautet also 4+4/n

Die dritte Summe ist 4k²*1/n²

Die Summenformel für k², also für 1+4+9+...+k² lautet
n³/3+n²/2+n/6

Wir kommen also auf 4*(n³/3+n²/2+n/6)*1/n²=4*(n/3+1/2+1/(6n))=

(4/3)*n+2+(2/3)*1/n

Auch dies wird wieder mit 2/n multipliziert:

(2/n)*[(4/3)*n+2+(2/3)*1/n]=8/3+4/n+2/n², die dritte Teilfläche.

Die Gesamtfläche summiert sich also zu 

2+4+4/n+8/3+4/n+2/n²

Wenn n gegen unendlich geht, fallen alle Summanden weg, die n im Nenner haben, weil die bei n gegen unendlich gegen Null gehen.

Es bleibt 2+4+8/3=8 2/3 FE als Gesamtfläche unter f(x)=x² in den Grenzen von x=1 bis x=3 übrig.

Natürlich wird das nicht immer so umständlich berechnet, weil findige Menschen Formeln gefunden haben, nach denen man Integrale über sogenannte Stammfunktionen bestimmen kann.

Die Stammfunktion von f(x)=x² lautet F(x)=(1/3)x³+C, wobei C irgendeine Konstante ist, die beim Integrieren wieder verschwindet.

Du mußt hier nur F(3)-F(1) rechnen, also (1/3)*3³+C-(1/3)*1³+C)=

9-1/3=8 2/3 und bist schon am Ziel.

Herzliche Grüße,

Willy


jennadoherty 
Beitragsersteller
 05.11.2017, 18:14

Vielen Dank für die ausführliche Antwort !

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Ich hatte schon vor Jahren hier einiges dazu geschrieben:

https://www.gutefrage.net/frage/volumenintegralflaechenintegral

Integrieren bedeutet universelles aufsummieren.

Wenn man 2 Längen-Dimensionen aufsummiert, kommt eine Zweidimensionale Längendimension heraus, die Fläche genannt wird.

In den unteren Klassenstufen werden nur Spezialfälle behandelt, wo beide Dimensionen konstant sind, also vor das Integral geschrieben werden:

A = l1 * l2

Längendimension in Meter [m] mit sich selbst multipliziert ergibt

Flächendimension [m²]

Universeller ist jedoch, wenn l1 eine Funktion von l2 ist:

l1 = f(l2) 

A = Integral f(l2) d l2 mit l2 von x1 bis x2

In der Mathematik wird leider der Hintergrund vergessen und den Schülern was vorgesetzt, als wenn Mathe isoliert vom Rest der Welt existiert!

Die eine Länge ist immer x (Achse) und so integriert man immer f(x).

Integriert man über 3 Dimensionen, kommt man zum 

http://www.gerdlamprecht.de/Volumenintegrale.html

3 Längendimensionen -> Volumen [m³]

Mann kann auch die Pixel Deines Monitors integrieren (Zählen). Wenn die Formel zu kompliziert wird, ist so eine art numerischer Integration möglich:

http://www.gerdlamprecht.de/GeometrischerSchwerpunkt.htm

Wenn man das einmal verstanden hat, kann man sich Flächen- & Volumenformeln jedes Körpers selbst herleiten!

Das zieht sich durch alle Wissenschaftsbereiche:

Integriert man die el. Leistung über die Zeit, kommt Energie (Stromverbrauch) heraus { W * h ergibt Wh ; meist kWh, da Zahlen sonst zu groß werden}

Integriert man Volumenflussmenge [m³/s] über die Zeit [s], kommt Volumen heraus. { Badewanne; Staudamm; ...}

Die komplette Elektrotechnik lässt sich so in 4 Integralgleichungen zusammenfassen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Maxwell-Gleichungen 


jennadoherty 
Beitragsersteller
 05.11.2017, 18:14

Vielen Dank!

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Interesse geometrisch zuinterpretieren

Ich vermute mal, dass der Satz so lauten sollte:

Integrale geometrisch zu interpretieren. 

Richtig?

Ich würde darunter verstehen, dass du das Integral z.B. anhand des Graphen und der Form der Fläche irgendwie zuordnen sollst und z.B. eine Annäherung oder sowas machen sollst. Steht da nicht mehr zu?

Vielleicht hast du auch eine Sachaufgabe vorliegen, bei der das Integral einen wichtigen Sachzusammenhang hat. Beispielsweise gibt die Funktion f die Durchflussmenge von Öl an. Das Integral würde dann die komplett geförderte Menge an Öl angeben. 

Integral ist die Flächenbilanz eines Grafen. Sprich die Fläche die überhalb dr x-Achse liegt - die Fläche die draunter liegt


PWolff  04.11.2017, 15:51

Oder "vorzeichenbehaftete Fläche". (Wenn ich mich auch nicht daran erinnern kann, davon in der Schule gehört zu haben.)

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