Ilias, Achill als bester und stärkster Kämpfer?

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Das ist ein bißchen schwierig, denn erstens waren die Helden alle ziemlich von ihren eigenen Fähigkeiten überzeugt, und zweitens ist in der Handlung immer der momen­tan der stärkste, der gerade im Mittelpunkt der Erzählung steht.

Aber ein paar Stellen kann ich Dir schon sagen:

Α.244–245: Hier streiten sich Achilleús und Agamémnōn. Achilleús fühlt sich mies behandelt und sagt σὺ δ' ἔνδοθι θυμὸν ἀμύξεις | χωόμενος ὅ τ' ἄριστον Ἀχαιῶν οὐδὲν ἔτισας sỳ d’ éndothi thýmon amýxeis | chōómenos hò t’ áriston Achaiõn oúden étisas ‘Du wirst dir als ein Geplagter innerlich das Gemüt zerreißen (=du wirst es bitterlichst bereuen), weil du den Besten der Griechen gar nicht belohnt hast’. Aber der Einwand ist gültig, daß sich hier jemand selbst lobt.

Α.280–281: Nur ein paar Zeilen später versucht der alte Néstōr die beiden Streit­häh­ne zu beruhigen und sagt zu Achilleús: εἰ δὲ σὺ καρτερός ἐσσι θεὰ δέ σε γείνατο μήτηρ | ἀλλ' ὅ γε φέρτερός ἐστιν ἐπεὶ πλεόνεσσιν ἀνάσσει ei dè sỳ karterós essi theá dé se geínato mḗtēr | all’ hó ge phérterós estin epeì pleónessin anássei ‘Wenn Du auch der Stär­ke­re bist und eine Göttin dich geboren hat, so ist doch er (=Aga­mém­nōn) der Bessere, weil er über vie­le herrscht’. Die Bedeutungsnuancen der bei­den Ad­jek­ti­ve (beide im Kom­pa­ra­tiv) sind dabei wichtig: καρτερός bezieht sich auch Stär­­ke im Sin­ne von Kampfes­kraft (κράτος krátos heißt ja ‘Stärke, Macht, Herr­schaft’), φέρτερος dagegen eher auf Tauglichkeit im Sinn von (ge­sell­schaft­­lichem) Nutzen. Zumindest würde ich das so interpretieren.

Allerdings ist diese Interpretation ein bißchen wackelig, weil an anderer Stelle auch Aga­­mémnōn mit dem ersten Vokabel gerühmt wird, und Thẽtis nennt ihren Sohn ge­gen­über Zeús den ἄριστον Ἀχαιῶν (Β.411) áriston Achaiõn ‘den Besten der Grie­chen’ (genauso wie Néstōr in der vorvorigen Stelle). Dabei ist ἄριστος áristos ‘der Beste’ der Su­per­lativ von ἀγαθός agathós ‘gut, tauglich, brauchbar’, und φέρτερος phérteros ‘der Bessere’ ist der zu­ge­hö­ri­ge Kom­pa­ra­tiv, der oben auf Agamémnōn angewendet wurde.

Allerdings ist es bemerkenswert, daß (soweit ich mich erinnern kann) kein anderer Grie­che außer Achilleús und Agamémnōn mit solchen Adjektiven gerühmt werden.


Cougartear 
Beitragsersteller
 10.09.2021, 10:23

Vielen Dank, hast du zufällig noch parat, in welchem Gesang sich diese Verse befinden?

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indiachinacook  10.09.2021, 11:18
@Cougartear

Ich habe die Verse ja genau zitiert (der Buchstabe steht für den Gesang und die Zahl für den Vers).

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