Ich bin es leid, "Ausländer" zu sein!

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67 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Zuerst einmal: Es gibt durchaus Menschen, für die die Nationalität ihrer Mitmenschen keine Rolle spielt, die lediglich nach Charakter und Intellekt gehen. Um ehrlich zu sein finde ich "niemand seine Gedanken frei von solchem fremdenfeindlichen Gedankengut machen kann" schon beleidigend.

Zugegebenermaßen sind die Vorurteilsfreien sicherlich nicht in der Mehrheit, auch weil Schubladendenken für die breite Masse eine wichtige soziale Funktion erfüllt, nicht nur im Umgang mit anderen, sondern auch mit sich selbst.

Letzten Endes bleibt dir nichts anderes übrig, als dir ein dickeres Fell zuzulegen. Natürlich sind die Sprüche, die du kassierst nicht okay, aber du wirst die Menschheit nicht ändern. Im Übrigen finde ich "Woher kommst du?" nicht im geringsten ausländerfeindlich oder rassistisch, für mich bedeutet diese Frage Interesse am Gegenüber. Bin ich als Deutsche im Ausland unterwegs, ist das auch die erste Frage, die mir gestellt wird. Daß du nur optisch in die Kategorie "Ausländer" fällst, merken die Leute doch wahrscheinlich, wenn du dich eine Weile mit ihnen unterhältst.

Bei vielen der Kommentare, die du nennst habe ich außerdem den Verdacht, daß viele deiner Probleme durch dein soziales Umfeld bedingt sind. Was die Sache mit Kontrollen durch die Obrigkeiten betrifft, könntest du mal überlegen, ob nicht ein Teil davon auf sich selbst erfüllende Prophezeiungen zurückzuführen sein könnte. Beispiel: Du hast schlechte Erfahrungen mit Kontrolleuren. Ein Kontrolleur kommt, du denkst dir: "Super, der wird mich gleich wieder kontrollieren, nur weil ich Türke bin." Entsprechend verändert sich deine Mimik. Der Kontrolleur denkt sich: "Öha, warum schaut der plötzlich so, wenn ich reinkomme? Da lohnt es sich vielleicht, zu kontrollieren." Verstehst du, worauf ich hinaus möchte?

Natürlich kann man nicht von heute auf morgen seine Einstellung ändern, aber an der kannst du leichter arbeiten als am Rest der Welt. Du wirst wohl lernen müssen, einen Teil zu schlucken, einen Teil nicht so ernst zu nehmen. Wenn du dann noch schaust, daß du vielleicht ein bißchen ein anderes Umfeld für dich finden kannst, sollte sich dein Leben doch ein Stück weit zum Besseren entwickeln können.

Es liegt einfach in der Natur des menschlichen Gehirns in Kategorien zu denken. Nennt sich soziale Kategorisierung. Der Mensch kann gar nicht anders, als anhand von Vorurteilen und bereits gemachter Erfahrungen eine Gruppe zu beurteilen. Das ist ein völlig normaler Prozess.

Jedoch kann der Mensch selbst entscheiden, wie er mit dieser Kategorisierung umgeht. Lässt er es sein Verhalten negativ beeinflussen oder geht er auf eine persönliche Ebene und beschäftigt sich mit dem Individuum näher? Je persönlicher der Kontakt ausfällt, desto schwächer werden Vorurteile.

Ich selbst bin leicht übergewichtig (6 Kilo). Schon hier darf ich mich den unterschiedlichsten Vorurteilen aussetzen: Faulheit, mangelnde Intelligenz, Krankheitsanfälligkeit etc.

Es gibt keinen Menschen, der nicht mit irgendwelchen Vorurteilen zu kämpfen hat. Du als "Ausländer" bist eben nur eine weitere Kategorie.


HerrVonRibbeck  03.09.2014, 08:19

Hallo Mewchen,

das ist eine tolle Antwort! Wie sehr wir in Kategorien gefangen sind, habe ich selbst erst vergangenes Wochenende festgestellt, als ich einen Menschen (Transgender) kennenlernte.

Mein erster Impuls: geht doch nicht, was denn nun, mehr Mann oder mehr Frau?

Doch, es geht! Klare Antwort: Mensch!

Dieser Mensch hat mir durch seine Natürlichkeit sehr geholfen, die bis dahin für mich bestehende Kategorie zu durchbrechen. Dieser wunderbare Mensch hat meinen Horizont erweitert, meine Welt bereichert und bunter gemacht.

Lieber Fragesteller, anstatt Dich beim negativen aufzuhalten, lass Dich auch positiv ein, bereichere andere und werde bereichert. Alles gute.

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Mewchen  03.09.2014, 21:37
@HerrVonRibbeck

herzlichen Glückwunsch, bei dir hat das Prinzip der Dekategorisierung nach Brewer gegriffen ;) Ein persönlicher Kontakt zu einem Individuum dieser Gruppe hat dich auf die persönliche Ebene im Umgang mit dieser Person gebracht. Teilweise wirst du in Zukunft diese positive Erfahrung auch auf andere mitglieder der Kategorie Transgender übertragen.

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Ich schäme mich in manchen Urlaubsgebieten auch ein Deutsche zu sein,weil sich manche Menschen anmaßen.... der Kultur und dem Land nicht anpassen zu müssen und sich benehmen wie unterstes Niveau.

Da sind noch die Engländer und wir kommen schon an zweiter Stelle übrigens.

Und wir als Deutsche müssten eigentlich den Mund halten,wenn wir in das Jahr 1924 gehen.

Es gibt so ein schönes Gedicht von "Erich Fried" und wenn wir alle ein wenig miteinander rudern würden,anstatt dagegen, dann wäre dieses dich dich sein lassen vielleicht gar nicht so schwer.

http://www.deutschelyrik.de/index.php/dich-1277.html


Affia  03.09.2014, 19:59

Philosophische Lyrik erklärt vielleicht manches mit schönen Worten aber sie ändert die Menschen nicht. Würde das funktionieren, müssten wir alle nur unser Pensum lesen und schon wäre die Welt schön.

Ich bin nicht stolz darauf, Deutsche zu sein. Ich bin es ganz zufällig durch meine Eltern und alles hätte auch ganz anders kommen können. Ich bin stolz auf Dinge, die ich selbst geschafft und geleistet habe und nicht auf eine Nationalität oder auf ein Land. Das alles gäbe es auch ohne mich.

Ich schäme mich aber auch nicht, Deutsche zu sein. Auch als Deutsche bin ich ein Individuum und ebenso einmalig wie jeder andere Mensch. Mit meinen wenigen und ganz unspektakulären Möglichkeiten habe ich meinen bescheidenen Beitrag in dieser Gesellschaft geleistet und dabei spielten auch immer Integration und Migration eine Rolle. Ich glaube nicht, dass ich Deutschland im Ausland Schande bereitet habe, vielleicht eher sogar das Gegenteil aber wer weiß das schon immer so genau.

Manchmal sehen Menschen nur das, was sie auch sehen wollen.

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Du wirst immer und überall Idioten finden, die ihre Bildung scheinbar aus der Bild haben. Nur dass es woanders dann eben nicht nicht Bild heißt sondern anders.

So wie es unter Deutsche Idioten gibt, wirst du auch unter Türken Idioten finden.

Da kann man leider nichts machen. Ein Heilmittel wurde bisher noch nicht entdeckt.

Was du aber machen kannst:

  • Dir vor Augen halten, dass nicht jedes unfreundliche Verhalten etwas mit deiner Herkunft zu tun haben muss. Die Kassiererin kann genauso gut einen schlechten Tag gehabt haben. Gestern Abend den Freund mit einer anderen erwischt haben, 10 Minuten vorher vom Chef einen großen Anschiss bekommen haben, sich fünf Minuten vorher mit einem uneinsichtigen, cholerischen Kunden auseinander setzen müssen,...

  • Nicht durch dein Verhalten andere Verhaltensmuster provozieren (auch selbsterfüllende Prophezeiung genannt): Da fällt eben das Kontrollieren darunter. Dir fällt der Kontrolleur auf und verspannst dich, weil du denkst, gleich wirst du kontrolliert. Der Kontrolleur nimmt unbewusst wahr, dass du dich verspannst und denkt, da ist etwas faul, den kontrolliere ich. Bei solchen Situationen wäre es vielleicht hilfreich, wenn du tief durchatmest und die Schultern runter nimmst. (Bewusst eine entspannte Haltung einnehmen)

  • Dich auf die konzentrieren, die dich um deiner selbst willen mögen oder die dich normal behandeln

  • Nicht alles Schlechte, was dir widerfährt darauf schieben, dass du Ausländer bist. Damit fällst du nämlich in eine Opferrolle. Wenn zum Beispiel ein Professor dir eine schlechte Note gibt, muss das nichts zu sagen sein. Höchstwahrscheinlich bedeutet es nur, dass deine Arbeit nicht gut war.

Zu folgender Aussage muss ich doch noch meinen Senf abgeben:

Meine Familie fänd es nicht so gut, wenn ich einen 'Ausländer' als Freund hätte"

Also ich teile meine Familie in mütterlichseits und väterlichseits ein. Die Familie mütterlichseits ist da mehr offen. Die würden mehr darauf achten, wie du sprichst, wie du dich gibst,... Allerdings bist du in NRW geboren, wird also schwer mit bairisch. Hmm....

Bei meiner Familie väterlichseits wird das etwas schwieriger. Aber sch*** auf die, die haben nämlich nix zu sagen. Meinen Partner wähle ich selbst und nicht die. Und selbst wenn, die Liste, was man da falsch machen kann ist lang.

Außerdem halte ich es sowieso für fragwürdig, wenn man sich bei der Partnerwahl von der Familie leiten lässt. Da hat jemand entweder keine eigene Meinung oder es ist nur ein vergeschobener Vorwand.


massendelirium8 
Beitragsersteller
 03.09.2014, 18:30

Danke dir für deine Antwort.

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Hallo "massendelirium8", ich kann dich verstehen. Auch habe ich das Gefühl, dass man dir nicht empfehlen muss, dich in die Gesellschaft zu integrieren. Auch dein "Deutsch" ist hervorragend. Du solltest jedoch die Geduld nicht verlieren. Verzage nicht, denn du wirst langfristig ein "Türke" sein, so wie du in der Türkei nicht immer als "Türke" akzeptiert wirst, weil du in D "zu Hause" bist. Dieses Zwitterleben kann dir niemand nehmen. Leider wird das Meinungsbild bezüglich der Türken durch solche geprägt, die durch fehlende Integrationsbemühungen "auffallen". Leider werden dabei alle deine Landsleute mit diesen verglichen, leider! Diese Entwicklung hat die Politik verursacht, weil in den vergangenen 50 Jahren zu wenig unternommen wurde, um die Zugezogenen zur Integration zu ermutigen. Erst in den letzten Jahren, als die entsprechenden Probleme sich verstärkt haben, ist die Politik tätig geworden. Nochmal: Verzage nicht, schaue auf die, die sich positiv verhalten, und versuche mit diesen zu kontakten. Die Anderen kannst du nicht beseitigen. Auch wir Deutsche müssen damit leben, dass wir uns nicht alle gegenseitig mögen. Wir sind nicht dazu erzogen worden, uns gegenseitig zu achten und zu akzeptieren. Es gibt (zu) viele Deutsche, die mit den hiesigen Verhältnissen nicht zufrieden sind, und ihre Unzufriedenheit offen zum Ausdruck bringen. Viele davon sind aber "Nörgler", die mit sich selbst nicht zufrieden sind, und ihren Frust auf Andere abladen. Sollte wieder einmal jemand "Sche.. Tü..." sagen, sage ihm doch, dass er sich in diesem Fall gut entschieden hatte, als Deutscher o.a. auf die Welt gekommen zu sein, und er sich für diese "Leistung" gratulieren darf. Alles Gute!