Hat das "Leid" in Leidenschaft eine tiefere Bedeutung?
Oxford Languages definiert die Leidenschaft wie folgt:
Lei·den·schaft
/Leídenschaft/
Substantiv, feminin [die]
- 1.
- sich in emotionalem, vom Verstand nur schwer zu steuerndem Verhalten äußernder Gemütszustand (aus dem heraus etwas erstrebt, begehrt, ein Ziel verfolgt wird)
- "eine dämonische, schöpferische, blinde Leidenschaft"
- 2.
- große Begeisterung, ausgeprägte [auf Genuss ausgerichtete] Neigung, Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, für eine bestimmte Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet
- "Reiten ist bei ihm eine Leidenschaft"
Aber das alles hat ja nicht besonders viel damit zu tun, zu "leiden". Oder?
Gibt es vielleicht einen tieferen Grund oder Sinn dahinter, warum es ausgerechnet Leidenschaft heißt?
4 Antworten
So komisch es klingt: Leidenschaft ist wirklich nicht von leiden abgeleitet, oder zumindest nicht ganz. Und natürlich ist die beliebte Küchentisch-Erklärung „Es heißt Leidenschaft, weil es Leiden schafft“ auch nicht zutreffend (also faktisch mag es ja stimmen oder auch nicht, aber etymologisch ist es falsch).
In Wahrheit ist Leidenschaft eine sogenannte Lehnprägung: Es ist ein aus deutschen Bestandteilen gebildetes Wort, das aber die Eigenschaften einer fremden Sprache nachahmt. In diesem Fall ist es franz. passion, das sowohl „Leid“ als auch „Leidenschaft” bedeuten kann — diese breite Bedeutung steckt bereits im Vorläuferwort, dem lateinischen passio ‘das Erleiden’, aber auch ‘das was man erlebt’ und speziell ‘die Hingabe an jemanden’ (v.a. die Hingabe an Jesus), abgeleitet von patior ‘ich erdulde’.
Vermutlich hat auch lat. passio seine Bedeutung unter dem Einfluß einer Fremdsprache verbreitert, denn griech. πάθος páthos heißt fast alles, was einem Menschen zustoßen kann (Elend, Unglück, Tod, jede Art von Emotion) und ist ebenfalls von einem Verb (πάσχειν ‘fühlen, leiden, erleiden‘) abgeleitet. In der Antike stellte man sich Gefühle oft als externe Kräfte vor, die auf einen Menschen losgelassen werden, aber nicht aus seinem Inneren stammen.
P.S.: Weil in ein paar anderen Antworten auf das Leid verwiesen wird, möchte ich darauf hinweisen, daß das Substantiv Leid und das Verb leiden nicht oder allenfalls extrem weitläufig miteinander verwandt sind.
- Das Substantiv Leid stammt aus einer Sippe, die Haß, Feindschaft und Unrecht bezeichnet (ich bin es leid, das ständig sagen zu müssen).
- Dagegen hatte leiden althochdeutsch die Bedeutung ‘weggehen’, und das Kompositum erleiden hieß ‘erfahren, erleben’. (Das Verhältnis des Barons zu den Schauspielern hatte seit ihrem Aufenthalte im Schlosse verschiedene Veränderungen erlitten, Goethe)
Die beiden unverwandten Wörter haben sich dann im Lauf der Zeit einander in ihrer Bedeutung angenähert, so daß heute näherungsweise ‘Leid=Unglück’ und ‘leiden=Unglück durchmachen’ gelten. Die älteren Bedeutungen scheinen nur manchmal ein bißchen durch.
Doch, da gibt es schon einen sprachlichen Zusammenhang.
"Leidenschaft" oder auch seine Entsprechung "Passion" weisen auf die Heftigkeit des Gefühls hin.
lat. passio = ‘Leiden’, spätlat. ‘Empfindsamkeit’.
Aber das alles hat ja nicht besonders viel damit zu tun, zu "leiden".
Es gibt noch eine weitere Bedeutung von "leiden": "gernhaben; als sympathisch, angenehm o. Ä. empfinden". Darauf bezieht sich der Begriff "Leidenschaft".
Siehst du einen wesentlichen Unterschied zwischen "gern haben" und "gut leiden können"?
Aber das Gefühl der Vergänglichkeit lässt dich leiden, weil du dir im klaren bist das diese Person jederzeit dich verlassen kann, dass du sie nicht besitzen darfst, sie kann machen und denken was sie will. Du musst damit klar kommen, es akzeptieren wenn sie dich verlässt, und deswegen leidest du. Das Prinzip sollte jeder Erwachsene verstehen. Oder das eine Person sterben kann, du mit ihr abschließen musst. Ich glaube genau das bedeutet Leidenschaft.
Man sagt ja auch: "Das kann er gut leiden."
So ist nicht "Leid und Schmerz" gemeint, sondern Sympathie und Euphorie.
Aber ich leide ja nicht, wenn ich jemanden gern habe.