Geschwindigkeit von Segelschiffen der Neuzeit?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Üblicherweise wird die Geschwindigkeit von Segelschiffen in Etmal angegeben. Das Etmal ist die gefahrene Strecke von einem Mittag bis zum nächsten.

1 kn = 1,852 km/h
1 sm = 1,852 km

Die höchsten Reisegschwindigkeiten erreichten die Klipper Ende 19. Jahrhundert/Anfangs 20. Jahrhundert. Der Rekord bei Großseglern liegt bei einem Etmal von 465 sm (= 862 km, = Durchschnittsgeschwindigkeit 19,4 kn = 36 km/h) durch den Klipper Champion of the Seas im Indischen Ozean.

Als wir mit der Gorch Fock bei sehr günstigem Wind, Windstärke 7 raumschots (von schräg hinten) südlich Englands unter Vollzeug Richtung Ärmelkanal unterwegs waren, fuhren wir Dauergeschwindigkeiten zwischen 16 und 17 kn und überholten damit auch eine ganze Reihe von Frachtern.

Die Galeonen des 16. und 17. Jahrhunderts erreichten in etwa Etmale von rund 150 sm bei einer Geschwindigkeit von rund 6 kn. Bei sehr günstigen Windverhältnissen konnten auch Etmale von knapp 200 sm erreicht werden.

Für die Atlantiküberquerung gibt es zwei Hauptrouten.

Die eine ist ein Großkreis zwischen Europa und New York. Diese Route wird von Europa nach Amerika nie genommen, da man häufig starken Gegenwind bis Sturm von Westen hat oder Flaute und zudem über lange Zeit des Jahres die Gefahr von Eisbergen hat, auch wenn das die kürzeste Route wäre. Mutige Segler wählen diese Route höchstens auf dem Rückweg.

Der übliche Weg nach Amerika geht über einen beliebigen Ausgangshafen zu den Kanarischen Inseln, typischerweise Teneriffa. Dort nimmt man Proviant und Frischwasser auf. Die nächste Etappe führt dann zu den Kapverdischen Inseln mit einem erneuten Zwischenstopp, um Proviant und Frischwasser aufzunehmen. Meistens wird dabei Mindelo angesteuert. Ganz Eilige verzichten auf einen Stopp bei den Kapverden und segeln direkt dran vorbei. Von den Kanaren zu den Kapverden hat man regelmäßig schönen Nordwestwind, in dem man gut vorankommt. Von den Kapverden segelt man dann in den ebenfalls zuverlässigen Passatwinden parallel zum Äquator rüber in die Karibik, häufig mit erstem Ziel Barbados. Das war auch schon die übliche Route der Galeonen. Die typische Reisezeit für diese Strecke beträgt für Galeonen und kleinere Segelschiffe ziemlich genau 3 Wochen. Moderne Großsegler und Klipper schaffen das in knapp über 2 Wochen.

Aber wie das beim Segeln so ist, das hängt immer auch vom Wind ab. Gerät man in eine Flaute, ist der ganze Schnitt dahin. Erwischt man optimale Winde, gehts relativ flott voran und man spart den einen oder anderen Tag gegenüber dem Durchschnitt.


JoshuasFragende 
Fragesteller
 20.03.2019, 13:01

Wow, danke! Das nenn ich mal Fachkenntnis! Die Antwort konnte mir sehr helfen. Habe jetzt schon ein viel besseres Verständnis für die Entfernungen auf See. Danke nochmal. Sobald ich kann, gebe ich dir den Stern :)

2
ponter  20.03.2019, 19:30

👍 Mehr gibt es zur Antwort nicht zu sagen.

1

Die Geschwindigkeit von Segelschiffen ist eine simple Frage der Physik und hängt von ihrer Länge ab.

Als Grundregel kann man rechnen...: die Wurzel aus der Länge der Wasserlinie multipliziert mit 2,43 ergibt ( +/- ein bisschen ) die theoretische Höchstgeschwindigkeit des Schiffes in Seemeilen pro Stunde.

Und jeh nachdem ob das Schiff nun vielleicht auch noch eine nicht so günstige Rumpfform hatte, extrem schwer beladen war und wie stark der Rumpf unter Wasser bewachsen war hat so ein Schiff seine maximale Geschwindigkeit eben mehr oder weniger oft nicht erreicht.

Sehr schnelle Segler haben aber auch damals z.T schon Tagesetmale von über 400 SM erreicht.


Also je nach dem wie das Segelschiff gebaut ist. Große Segelschiffe - meistens Rahsegler - werden vermutlich nicht viel mehr als 4-6 Knoten im Schnitt schaffen.

Wenn man mal die Strecke 2700sm von Gran Canaria zu den Antillen der ARC-Regatta (https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantic_Rally_for_Cruisers) zugrunde legt und eine Durchschnitts-Geschwindigkeit von 5kn annimmt, dann ist man mit dem Schiff runde 3 Wochen unterwegs. Wahrscheninlich ist aber, dass der Durchschnitt geringer ist, weil man nicht über großflächige Wetterdaten etc verfügte.

Woher ich das weiß:Hobby – Segler mit SKS-Schein und eigenem Boot

JoshuasFragende 
Fragesteller
 20.03.2019, 09:53

Danke. Das war sehr hilfreich :)

0
biggestmaxi  21.03.2019, 01:43

Die Angabe 4-6 kn ist vielleicht eine Durchschnittliche Geschwindigkeit, aber große Rahsegler sind wesentlich schneller

0
holycow1912  21.03.2019, 12:20
@biggestmaxi

Es ging ja in der Frage um die Fahrzeit. Von daher zählt mMn der Durchschnitt und nicht, was das Schiff theoretisch könnte. Auf Raumwind-Kursen ist ein Rahsegler sicherlich deutlich schneller unterwegs, aber bei Halbwind glaube ich das schon nicht mehr und am Wind können sie schlicht nicht fahren. Bedeutet, über die gesamte Strecke glaube ich nicht, dass ein Rahsegler auf einen Schnitt gelangt der "wesentlich" schneller ist als 4-6kn. Aber ich lasse mich gerne eine besseren belehren? Gibts darüber irgendwo Lese-Material?

0

Früher gegen 1800 brauchte man 30 - 33 Tage für eine Atlantiküberquerung.

Die heutigen Passagierschiffe schaffen die Strecke im Schnitt mit 5 Tagen


JoshuasFragende 
Fragesteller
 20.03.2019, 08:56

Danke für die schnelle Antwort. Aber ich schätze, die 5 Tage schaffen heute vor allem Schiffe, mit Motorantrieb. Und weißt du evt. auch, zwischen welchen Häfen / Orten für gewöhnlich gefahren wurde?

0
Deepdiver  20.03.2019, 08:59
@JoshuasFragende

klar sind diese Zeiten nur mit Motorantrieb zu schaffen.

Von Hamburg nach Fort Lauderdale z:B.

Aber die meisten Schiffe bleiben im Bereich der Karibik liegen, da sich die andauernde Überfahrt nicht lohnt.

Die meisten Schiffe machen einen kurzen Stop auf den Azoren

1
Deepdiver  20.03.2019, 09:01
@JoshuasFragende

Wir haben damals von WHV nach Fort Lauderdaler 14 Tage mit der MArine gebraucht. Manöver bedingt. :-)

0
segler1968  21.03.2019, 03:14
@Deepdiver

Stimmt nicht: Segelboote schaffen eine Atlantiküberquerung in weniger als 5 Tagen. Aber natürlich keine Frachtsegler.

0