Gehe ich zur Beisetzung oder nicht?
mein Vater verstarb vor einer Woche im Alter von 81 Jahren. Ich hatte seit 14 Jahren keinen Kontakt zu ihm, erst im letzten Jahr, als sein Gesundheitszustand sich stark verschlechterte, konnte ich im Krankenhaus mit ihm Frieden schließen. Er lebte mit seiner Lebensgefährtin in einer anderen Welt und obwohl ich ihn über zehn Jahre lang über seine Enkelkinder informierte, erhielt ich nur Briefe über seine Erfolge, nie aber Fragen nach meiner Familie. Er war ein typischer Narzisst. Drei Tage vor seinem Tod besuchte ich ihn im Pflegeheim und sprach als Letzter mit ihm. Nun ist er verstorben, ich erbe nichts, und seine Lebensgefährtin hat alles selbst organisiert. Drei Tage vor der Urnenbeisetzung wurde ich gebeten, teilzunehmen. Ich mag keine Beerdigungen.
Ich bin unentschlossen, da außer der Lebensgefährtin meines Vaters, mit der er 15 Jahre zusammenlebte, und deren Freunden niemand aus meiner direkten Familie anwesend sein wird. Ich fühle mich sehr schlecht und bin unschlüssig, ob ich gehen soll oder nicht. Ich fürchte sowohl die Reaktionen, falls ich nicht hingehe, als auch mögliche Vorwürfe später.
12 Antworten
Letztlich ist das eine sehr intime Entscheidung, die nur du treffen kannst. Reaktionen anderer sollten bei deiner Entscheidung keine Rolle spielen. Ich kann mir vorstellen, dass es angesichts eures geschlossenen Friedens für dich ein Bedürfnis ist diesen letzten Abschied von deinem Vater zu nehmen.
Du musst da nicht hingehen. Egal was die denken. Sag du möchtest das alleine für dich machen.
Geh später mal zum Grab. Schreib vielleicht einen Brief an deinen Vater, in dem du ihm alles schreibst was du ihm immer sagen wolltest. Leg ihn da hin und verabschiede dich von deinem Vater. Es wird dir so besser gehen.
Es ist ganz wichtig, dass du auf dein Gefühl hörst. <3
Ich würde hingehen, es ist dein Vater und ihr konntet miteinander Frieden schließen. Damit sollte die Vergangenheit auch abgeschlossen sein. Was sein Umfeld angeht, würde ich von der Stimmung abhängig machen, wie sie reagieren. Aber es ist dein Abschied, den würde ich mir von niemanden nehmen lassen.
"Ich mag keine Beerdigungen." ist gut. Sind ja auch keine "tolle" Sache.
Ein Freund von mit hatte seit der Trennung seiner Eltern (er war da 7 oder so) kaum Kontakt zu seinem Vater gehabt und dann Jahrzehnte Funkstille bis dieser plötzlich frühzeitig verstarb. Seine Mutter nannte ihn auch immer nur "Erzeuger"; ich fand das total komisch; ich finde das färbt auch ab. Er nutzt den Begriff auch. Als er die Rechnung für die Beerdigung bekam, wusste er überhaupt bescheid von dem Tod. Für die Übernahme der Beerdigungskosten hat er für eine Sozialbeerdigung sogar einen Anwalt eingeschaltet.
Ich fand das alles sehr abstrakt. Ich hatte ihm damals geraten die Rechnung einfach zu bezahlen und mal hinzufahren. Man will ja auch Abschließen. Und jetzt hadert er seit einem halben Jahr mich sich selbst, ob er mal zum Friedhof geht wo er liegt. Nach Monaten meinte er sogar, ob man ihn auf dem Friedhof umbetten könnte. Bei so einem Thema bleibt man nicht ruhig, wenn etwas hängen bleibt.
Ich habe selbst (nach genug Chancen) keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Aber diese "Erzeuger"-Schiene zu fahren und den Abstand zu suchen finde ich persönlich nur in den schlimmeren Fällen passend.
Scheiß auf das Erbe. Als Mann steht man für sich selbst. Es gibt Momente im Leben da erweist man jemanden einen gewissen Respekt. So meine Meinung.
Als ich mich mit zwei meiner Brüder im schlimmsten Moment meines Lebens zerstritten habe, habe ich auch gesagt: Wir sehen uns auf eurer Beerdigung.
Ich kann in emotionalen Themen sehr sachliche Entscheidungen und Meinungen treffen und dennoch die Emotionen wahrnehmen, auch die eigenen. Ich merke schon, dass das nicht jeder kann und ich auch manchmal falsch verstanden werde.
Ob du hin gehst ist deine Entscheidung. Vorwürfe kannst nur du dir machen. Bist doch alt genug um für deine Entscheidung einzustehen.
Gehe in dich und überlege, ob dir die Beerdigung helfen würde, mit ihm abzuschließen. Mache das nicht von anderen abhängig. Es ist allein deine Entscheidung. Sage aber ab, wenn du dich dagegen entscheidenst.