Gegen das System - was ist das System?
In linken Kontexten ist häufig die Rede vom System. Dem kapitalistischen System, dem Schweinesystem, Systemen des Sexismus oder einfach dem System. Letztens sah ich einen Stand, an dem es Buttons und aufnähbare Stoffteile zu kaufen gab, auf denen gedruckt stand: "the system works because you work." Was ist denn mit dem System gemeint? Ich will jetzt nicht unbedingt eine elaborierte wissenschaftlich-korrekte Antwort hören, sondern was das so allen möglichen Leuten bedeutet, v.a. was bedeutet das in der Politik?
7 Antworten
Das ist linke Rhetorik aus den 1960er und 70er Jahren.
Heute würde ich aber sehr vorsichtig sein derartiges mit "Links" in Verbindung zu bringen, denn rechtsextremes Gedankengut wird derzeit gerne in vermeintlich linke Worthülsen gepackt.
Das "System" besteht - zumindest in Deutschland - heute nun einmal aus linken Politikern, (Alt-68er), Medien, Entscheidungsträgern etc. die sich für soziale Umverteilung, für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, für Homosexuelle, die Integration von Migranten, Toleranz, Aufarbeitung der deutschen Geschichte, Solidarität innerhalb der EU, mehr Gerechtigkeit auf diesem Planten ect. pp. einsetzen.
"Gegen das System sein" bedeutet im Jahr 2011 meistens "gegen den linken Mainstream sein" oder alternativ "gegen den Kapitalismus" sein. Aber auch Kapitalismuskritik muss heutzutage keinesfalls "links" sein, häufig paart sie sich mit Antisemitismus, Hass auf Migranten, Ablehnung der europäischen Integration und der Globalisierung etc.
Soll das Sarkasmus sein? Du stellst - aus meiner Sicht zumindest - alles auf den Kopf. Aber vielleicht trifft das das Wesen: Das System, das sind immer die anderen, die vermeintlich eine normierende Macht ausüben, der man sich selbst aber widersetzen möchte. Ich selbst sehe nämlich, vermutlich, weil ich zu der von Dir als 'links' bezeichneten Gruppe gehöre, ganz im Gegenteil das System gerade dort, wo es etabliert genug ist, als normierend wirksam sein zu können, und nicht da, wo du es siehst: nämlich bei den bösen "sozialen Umverteilern". Denn darunter verstehst du offensichtlich nicht diejenigen, die das tatsächlich von unten nach oben tun, sondern diejenigen, die sich dagegen recht aussichtlos wehren. Wenn du aber beide Gruppierungen als Systeme bezeichnest, verliert das Wort seine eigentliche Bedeutung: Nur die Mächtigen sind in der Lage, systematisierend zu wirken.
Man sieht das System nur, wenn man es von außerhalb betrachtet.
Viele Menschen halten Zusammenhänge und Umstände für natürlich, die aber eigentlich systembedingt sind und nicht so sein müssen. Linke Gruppierungen sind sich dessen sehr bewusst und wollen natürlich auch andere darauf aufmerksam machen.
Zum Beispiel wäre es DIr nicht möglich zu sagen, dass Du ohne Geld leben möchtest, sondern nur noch Güter und Dienstleistungen mit anderen tauschen möchtest. Unser System basiert eben auf Geld. Trotzdem ist Geld etwas Künstliches.
Ein anderes Beispiel ist unser Leistungsdenken. Das Schulsystem hat bestimmte Kriterien, nach denen Menschen bewertet werden und auf denen auch ihre Zukunftschancen aufbauen. Dieses System könnte aber auch fehlerhaft sein. Vielleicht ist eine moralische und musische Bildung viel wichtiger als Wirtschaftskenntnisse? Für wen ist denn dieses Leistungssystem gemacht? Für die Wirtschaft.
Ich hoffe, die Beispiele sind ein wenig hilfreich.
Mit dem System sind im weitesten Sinne die Umstände und das Umfeld gemeint in dem wir leben, die Gesellschaft, das Wirtschaftsystem, die Medienwelt, die Arbeitswelt etc.
Nicht wenige Menschen glauben an ein System hinter dem System das die Dinge von außen in eine bestimmte Richtung lenkt. In dem von Dir genannten Kontext handelt es sich in der Regel um negative Einflüsse. Und dieses System funktioniert weil wir alle es mit unserer Arbeitkraft am Laufen halten.
Der Ökonom Adam Smith hatte eine andere Erklärung. Er erwähnt in einem seiner Werke die Theorie der unsichtbaren Hand; dort beschreibt er wie die Wohlhabenden, ohne dies bewusst zu beabsichtigen, von einer unsichtbaren Hand dazu geleitet werden ihren Reichtum mit den Armen zu teilen.
Dazu muss man sich ein wenig mit Systemtheorie befassen: http://de.wikipedia.org/wiki/Systemtheorie
Der Denkansatz ist, dass es ein Schweinesystem, System des Sexismus usw. gibt und dieses die Tendenz hat, sich selbst zu erhalten. Man selbst ist nicht frei innerhalb dieses Systems, sondern darin eingebunden und dient damit der Stabilisierung und dem Fortbestehen des Systems. Ein Bekämpfen des Systems ist nur über ein Lösen aus dem System möglich und das muss dann aus einer bewussten Haltung der Verweigerung dem System gegenüber erfolgen.
Mit dem System ist das gemeint, in das Du eingebunden bist. Also, das Erziehungssystem, das Arbeitssystem, das politische System. Wenn es nicht spezifiziert ist, ist es allgemein gehalten und meist meint es die negativen Seiten des Systems, also die Verlogenheit, der Zwang zum Angepasstsein, das Kriechen und Treten. Und wenn der Button meint, dass das System so arbeitet wie Du, dann ist das der Aufruf zum Aufbruch, zur Revolution aus dem Trott, denn Du bist verantwortlich, wenn das System so ist, wie es ist.
Vielleicht hast auch Du einen Traum, wie jener bedeutende Mann, der gegen das bestehende System aufgestanden war.