Wie interpretiert Kant die Klugheit?

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eigenes Wohl und Wohl anderer/Allgemeinwohl

Meines Erachtens ist die einfache Gegenüberstellung von Egoismus und Altruismus als sich ausschließende Alternativen verfehlt. Bei einer Entscheidung halte ich es daher nicht für eine in ethischer Hinsicht ausschlaggebende und in Form einer Entweder-Oder-Alternative zu beantwortende Frage, ob sich jemand dafür entscheidet, gut zu der Allgemeinheit zu sein oder gut zu sich selber zu sein.

Egoismus ist eine Ich-Bezogenheit (das lateinische Wort ego heißt „ich"). Eigenliebe in dem Sinn, sich selbst zu lieben und für sich zu sorgen, kann eine gute Grundlage sein, auch andere Menschen lieben zu können und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Eigene Interessen wahrzunehmen und einen Nutzen für sich selbst anzustreben, ist nichts an sich Verwerfliches, sondern zunächst einmal ein berechtigtes Ziel. In manchen Situationen kann ein Sorgen für das eigene Wohl als Selbstbehauptung für das eigene Überleben und Wohlergehen notwendig sein. Schädlich ist ein bloß gieriger und tendenziell schrankenloser Egoismus. Rücksichtslos ist eine Eigennützigkeit und Selbstsucht, die Vorteile mit ausschließlichem Blick auf einen eigenen Nutzen (mit einem eher kurzfristigen und eingeschränktem geistigen Blickfeld) auf Kosten anderer verfolgt und Interessen anderer grundsätzlich niemals als gleichermaßen berechtigt anerkennen mag. Dies läuft darauf hinaus, für sich selbst etwas zu fordern und versuchen durchzusetzen, was man anderen nicht ebenfalls zugesteht.

In dem Beispiel (das genannte Gedankenexperiment) ist eine zu Unrecht geschehende Beschuldigung eines anderen bei einer tatsächlich selbst begangenen Tat, bei der für ein selbst dieser andere als angeblicher Urheber sein Leben lassen muß, eine Verletzung ethischer Prinzipien. Es handelt sich um eine schwerwiegende Ungerechtigkeit.

Ein wohlverstandenes Eigeninteresse kann durchaus zu einer Zusammenarbeit mit anderen führen, in der beide Seiten gewinnen. Eine solche Einstellung ist auch kein völliger Gegensatz zu einem Altruismus. Es ist also möglich, eine Verbindung von wohlverstandenem Eigeninteresse und anderen Interessen/einem Allgemeininteresse anzustreben, bei dem das Interesse letztlich zusammenkommt und sich ein Gewinn für mehrere (in einem optimalen Fall für alle) Seiten ergibt.

Eben weil eine Entscheidung für das Wohl anderer oder das Wohl der Allgemeinheit auch das persönliche Glück unter Umständen steigern kann (es macht jemanden glücklich, das Glück anderer anzustreben bzw. für deren Glück zu sorgen), ist eine Darstellung der Entscheidung nicht zutreffend, bei der jeweils nur eine der beiden der genannten Möglichkeiten anstrebbar ist und die Entscheidung für mich selbst (das persönliche Glück) durchgehend als klüger eingeordnet wird.

Leitung des Handelns durch Klugheit und andere Kräfte

Die Antwort, ob und wie stark Klugheit die Wahl bei moralisch relevanten Handlung leitet, hängt auch davon ab, wie der Begriff der Klugheit inhaltlich von jemand ausgefüllt wird.

Emotionen sind beteiligt. Meiner Auffassung nach sind Denken, Fühlen und Wollen in der Innenwelt von Personen eng verbunden. Dies spricht dann allerdings auch dagegen, die Frage zu einer rein emotionalen zu erklären. Wenn das Denken zu dem Ergebnis gelangt, etwas sei um seiner selbst willen gut, treten bei einem gefühlsfähigen Wesen auch Gefühle auf.

Instinkt würd ich nicht in den Mittelpunkt rücken. Rein instinktives Verhalten ist keine Handlung (zum Begriff der Handlung gehört, eine Entscheidung getroffen zu haben).

Klugheit und Ethik

Kant versteht Glück(seligkeit) als ein Wohlbefinden (während ein anderes Verständnis des Begriffs des Glücks darunter eher eine Verbindung von Wohlbefinden und Wohlergehen mit Glück als Erfüllungsglück und mit objektiv erstrebenswerten Zielen versteht, ein Ansatz, der in vielen antiken Ethiken in Bezug auf εὐδαιμονία vertreten worden ist und in neuerer Zeit wieder mehr Beachtung erhält), als empfundene subjektive besonders hohe Zufriedenheit (kein objektives Wohlergehen). Glück stellt zwar nach seiner Auffassung ein Ziel dar, aber anders als in eine Anzahl anderer Ethiken ist nach seiner Überzeugung Glück für die Begründung sittlich guten Handelns ungeeignet. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen des Glücks gelten Gebote der Klugheit (die genau genommen keine Gebote seien, sondern Ratschläge). Diese stellten nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Wenn Bestimmungsgründe aus den Bereich der Erfahrung hineinkommen, wären Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen) am sittlich guten Handeln mitbeteiligt.


Albrecht  06.02.2013, 05:33

Andreas Luckner, Klugheitsethik. In: Handbuch Ethik. 3., aktualisierte Auflage. Herausgegeben von Marcus Düwell, Christoph Hübenthal und Micha H. Werner. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2011, S. 206 – 217

S. 207: „Klugheit wird auch in unserem heutigem Alltagsverständnis oft genug assoziiert mit Gerissenheit und Raffinement, mit Cleverness und der Geschicklichkeit, sich Vorteile (auch auf Kosten der anderen) zu verschaffen. Kluges Handeln scheint sich aber durchaus mit Unmoral vertragen zu können. Moralisches Denken und Handeln ist dagegen daran erkennbar – für Utilitaristen sogar darin fundiert - , dass nicht allein das partikular eigene, sondern das Glück der anderen bzw. aller von einer Handlungsweise Betroffenen für die Bestimmung der Handlungsweisen maßgeblich ist. Hinsichtlich der Motivation der Akteure zu bestimmten Handlungen werden daher Klugheit und Moral oft in ein Oppositionsverhältnis gebracht. Kantianer und Utilitaristen wissen sich im Allgemeinen darin einig, dass die Absetzung von ›bloß klugen‹ (prudentiellem oder eigennützigem) Handeln konstitutiv für das moralische Denken und Handeln ist. Klugheit zielt auf die Erfüllung je eigener Interessen ab und ist damit nichts anderes als das Prinzip egoistischen Handelns, während moralisches Denken und Handeln, so die herrschende Meinung, die Qualität einer Handlung vom Standpunkt der Unparteilichkeit und Verallgemeinerbarkeit beurteilt und damit die Interessen der anderen uneigennützig in die Handlungsbestimmung mit einbezieht.

Eine solche Opposition von klugem (egoistischem) und moralischem (altruistischem) Denken und Handeln ist allerdings voraussetzungsreich und bei weitem zu einfach. Das Bestehen eines Oppositions- oder auch Konvergenzverhältnisses von Klugheit und Moral setzt nämlich voraus, dass es sich hierbei um ein und dieselbe Sphäre der Normativität handelt, in der die beiden Prinzipien von Klugheit (Egoismus) und Moral (Altruismus) in ihren jeweiligen Geltungsansprüchen konkurrieren würden. Aber es ist nicht notwendigerweise unmoralisch, klug zu sein, so wie es umgekehrt nicht dumm ist, moralische Integrität zu wahren. Hinzu kommt, dass es sowohl Phänomene unegoistsicher ›selbstloser‹ Bosheit als auch Formen rein ›selbstbezogener‹ Moralität gibt – man denke nur an bestimmte Ausformungen des Weber’schen Typus der ›Gesinnungsethik‹ - so dass die Feststellung einer Opposition von Klugheit und Moral einem Kategorienfehler aufzusitzen scheint. Hinsichtlich ihrer Normativität gehören Klugheit und Moral denn auch nicht derselben Gattung an, was man ex negativo daran sehen kann, dass ein Nichtbefolgen der Gebote der Moral als Verfehlungen und Verstöße bewertet werden, ein Nichtbefolgen von Ratschlägen der Klugheit aber schlimmstenfalls als Dummheit.“

S. 208: „Klugheit und Moral schließen sich in der konkreten Handlungsbestimmung nicht aus, sondern betreffen verschiedene Ebenen der Handlungsorientierung, wie wiederum auf der Ebene ethischer Reflexion strikt unterschieden werden müssen. Bezüglich jeder konkreten Handlung bzw. Handlungsweise können daher die Fragen: »Entspricht sie moralischen Anforderungen?« und »Ist es klug, so zu handeln?« getrennt voneinander gestellt werden.

Wichtig ist es nun, dass für das kluge Handeln in einer bestimmten Handlungssituation deren moralische Erfordernisse auf jeden Fall in Betracht zu ziehen sind, während umgekehrt – hier hat die moderne Moralphilosophie ihr unbedingtes Recht – Klugheisterwägungen für die Frage, ob eine Handlung moralischen Erfordernissen genügt, keine Rolle spielen können. Klugheit im Handeln besitzt dennoch moralische Relevanz, weil nur durch sie die angemessenen Mittel zur Realsierung auch des moralisch Guten bestimmt werden. In einer Formel gefasst: Klugheit ohne Moral ist blind, Moral ohne Klugheit aber ist leer.“

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Albrecht  06.02.2013, 05:32

Maximilian Forschner, Klugheit. In: Lexikon der Ethik. Herausgegeben von Otfried Höffe. Originalausgabe, 5., neubearbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 1997 (Beck'sche Reihe ; 152), S. S. 160 – 162

S. 160: „Der Inbegriff der der Praxis eigenen Erkenntnis wird von der aristotelischen Tradition als K. (phronesis) bezeichnet. Davon unterscheidet sich der vor allem durch Kant definierte Begriff der K., der diese als pragmatisches Wissen um die zur Beförderung der eigenen Glückseligkeit dienlichen Mittel bestimmte. Diese Bedeutung ist im heutigen Sprachgebrauch dominant.“

S. 161: „Als konstitutive Momente der K. werden deshalb bei Aristoteles neben ihre Orientierung am guten u. geglückten Leben im ganzen jene Fähigkeiten genannt, die die rechte Urteilsbildung in den Einzelfällen des Handelns ermöglichen: die richtige Überlegung (eubulia), die das konkrete Ziel bedenkt u. über Alternativen, die Arten der Durchführung, die möglichen Folgen u. die Zeitumstände reflektiert; die Verständigkeit (synesis), die in Kommunikation mit anderen ein eigenes Urteil über das sittl. Rechte zu finden vermag; die geistige Gewandtheit (deinotes), die dem geschickten Erfassen u. Verwerten der auf ein Ziel hintendierenden Umstände dient. Entscheidend ist freilich, daß die die K. konstituierenden Teiltugenden dem Richtmaß des sittl. geglückten Lebens zugeordnet bleiben. Nur so kann sich K. als allen praxisbezogenen Verstandestugenden voranstehende Trefflichkeit verstehen, als eine mit ↑ rechter Vernunft verbundene, zum Habitus verfestigte Fähigkeit des Handelns im Bereich des dem Menschen Wettvollen. K. ist demnach sittl. Urteilskraft, die aufgrund natürlicher Verstandesfähigkeiten u. einer auf ↑ Entscheidung u. Gewöhnung beruhenden sittl. Grundhaltung im Feld er Praxis das Einzelne mit dem Allgemeinen zu vermitteln vermag. K. ist die zur ↑ Tugend gewordenen Fähigkeit zu einem durch vernünftige Überlegung gelenktem Handeln in allen Einzelfällen, die nie adäquat u. zureichend als Fälle einer allgemeinen Handlungsnorm u. einer schematisierten Handlungssituation erfaßbar sind.“

S. 161 (zur Bestimmung der Klugheit durch Kant): „Sie ist Wissen um die Mittel u. Wege, zur Beförderung eigener Glückseligkeit. Und da ↑Glück nicht mehr als leitendes Prinzip sittl. Lebens fingiert, ist die Tugend der K, nur noch von pragmatischer, nicht aber von sittl. Bedeutung (Grundlegung, 2. Abschn.).“

K. = Klugheit
u. = und
sittl. = sittlich, sittliche
Abschn. = Aschnitt

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Albrecht  03.02.2013, 09:53

Andreas Luckner, Klugheit 2.4. (Zur Begriffs- und Problemgeschichte. Kant). In: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften. Herausgegeben von Hans Jörg Sandkühler. Band 2: I – P. Hamburg : Meiner, 2010, S. 1129 – 1230:
„Kant reduziert den Begriff Weltklugheit auf den der Privatklugheit, und damit den korrekten (»galanten«) Umgang mit Menschen auf Eigennutz. Damit lässt er den Bereich des decorum verschwinden. Kant kennt konsequenterweise somit auch den Begriff der K. als Tugend nicht mehr, wie er zu seiner Zeit etwa bei Adam Smith noch stark präsent ist. K. wird systematisch von moralphilosophischen Überlegungen ausgeschlossen, wo, wie bei Kant, die Bestimmungen moralischen Handelns allein vor jeder Erfahrung bestehenden Struktur der praktischen ↑ Vernunft selbst heraus getroffen werden sollen. Die K. wird von Kant als »Geschicklichkeit« in der »Wahl der Mittel zur eigenen Glückseligkeit« bestimmt /also das, was bei Aristoteles deinotes heißt). Der nicht mit der aristotelischen eudaimonia zu verwechselnde Begriff der Glückseligkeit als »Maxime des Wohlbefindens« ist zwar universales Handlungsziel – alle Menschen streben danach - , aber sie ist »nicht ein [handlungsanleitendes] Ideal der Vernunft, sondern eines der Einbildungskraft«, das nur empirisch, d. h. je verschieden, nicht aber allgemeingültig näher bestimmt werden kann. (Pragmatische) Ratschläge der K. können daher, wie auch (technische) Regeln der Geschicklichkeit als empirische praktisch-normative Wissensformen den kategorischen, d. h. unbedingt verpflichtenden Charakter von moralischen Prinzipien nicht erreichen. Ihre Geltung ist nur hypothetisch, d. h. unter der Voraussetzung, dass bestimmte Ziele intendiert werden, und verpflichtet daher zu nichts.“

K. = Klugheit

Andreas Luckner, Klugheit. Berlin ; New York : de Gruyter, 2005 (Grundthemen Philosophie), S. 31 – 50

Peter Fischer, Moralität und Sinn : zur Systematik von Klugheit, Moral und symbolischer Erfahrung im Werk Kants. München : Fink, 2003. ISBN 3-7705-3767-X

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Suboptimierer 
Beitragsersteller
 04.02.2013, 09:56
@Albrecht

Vielen Dank schon einmal für die Mühe. Ich muss deinen Beitrag etappenweise lesen, aber die ersten Teile waren schon sehr aufschlussreich.

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Suboptimierer 
Beitragsersteller
 08.02.2013, 18:32
@Albrecht

So, ich habe es endlich geschafft, deinen Beitrag durchzuarbeiten und ja, falls es ein Test gewesen sein sollte, mir ist aufgefallen, dass zwei Absätze doppelt vorkommen.

Mir scheint es so, als dass mein Problem lediglich im Verständnis des Begriffs "Klugheit" lag. Ich war wohl näher an Aristoteles, als an Kant. Folgendes Zitat von dir bringt es ganz gut auf den Punkt:

„Kant reduziert den Begriff Weltklugheit auf den der Privatklugheit, und damit den korrekten (»galanten«) Umgang mit Menschen auf Eigennutz. Damit lässt er den Bereich des decorum verschwinden. Kant kennt konsequenterweise somit auch den Begriff der K. als Tugend nicht mehr, wie er zu seiner Zeit etwa bei Adam Smith noch stark präsent ist.

Nochmals danke für die Mühe. Das war mit Sicherheit keine Antwort, die schnell einmal auf einer Shopping-Tour auf dem Handy in einer S-Bahn verfasst wurde.

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Albrecht  03.02.2013, 09:52

Beim Verstehen der Begriffe können Fachlexika helfen:

Franz Wiedmann/Gerhard Biller, Klugheit. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: I – K. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1976, Spalte 862:
„KANT unterscheidet als die drei Imperative der praktischen Vernunft die Regeln der K. und die Gesetze der Sittlichkeit. Unter dem Imperativ der K. versteht er pragmatische Prinzipien, die entweder die Verwirklichung der individuellen oder die der sozialen Eudämonie zum Ziele haben. Man kann »die Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zu seinem eigenen größtem Wohlsein K. im engsten Verstande nennen«. Das Wort K. wird in zwiefachem Sinn genommen, einmal kann es den Namen Welt-K., im zweiten den der Privat-K. führen. Die erste ist die Geschicklichkeit eines Menschen, auf andere Einfluß zu haben, um sie zu seinen Absichten zu gebrauchen. Die zweite [ist] die Einsicht, alle diese Absichten zu seinem eigenen dauernden Vorteil zu vereinigen. Die letztere ist eigentlich diejenige, worauf selbst der Wert der ersteren zurückgeführt wird, und wer in der ersten Art klug ist, nicht aber in der zweiten, von dem könnte man besser sagen »er ist gescheit, und verschlagen, im ganzen aber doch unklug«.“

K. = Klugheit

Reiner Wimmer, Klugheit. In: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Band 4: Ins – Loc. 2., neubearbeitete und wesentlich ergänzte Auflage. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2010, S. 239 – 240

S. 240: „Vornehmlich durch I. Kant hat sich dann auch in der deutschen Philosophie die Trennung von Zweckrationalität (besser: Mittelrationalität) und Moralität durchgesetzt. Kant unterscheidet den kategorischen Imperativ der Sittlichkeit und die hypothetischen Imperative der Geschicklichkeit und Klugheit (↑ Imperativ, kategorischer, ↑ Imperativ, hypothetischer), Jene ermöglichen die Beurteilung der das Handeln leitenden Zwecke (↑ Maxime), diese die Beurteilung der Mittel. Während die Imperative der Geschicklichkeit nach Kant technische Regeln darstellen, weil Mittel bekannt sind, die, falls verfügbar und störungsfrei einsetzbar, den angestrebten Zweck mit Sicherheit erreichen lassen, können Imperative der K. nur pragmatische Ratschläge sein, weil die Natur des angestrebten Ziels, nämlich die Beförderung eigener oder fremder Glückseligkeit, vernünftigerweise keine Gewißheit über die anzuwenden Mittel zuläßt (Grundleg. Met. Sitten B 46 – 48, Akad.-Ausg. III, 414 – 419). Doch nicht erst das Fehlen von ↑ Regeln oder Normen (↑ Norm (handlungstheoretisch; moralphilosophisch)) stellt in den Augen Kants für die Lebenspraxis ein Problem dar, sondern bereits die Tatsache, daß auch Regeln und Normen trotz ihrer möglichen begrifflichen Eindeutigkeit aufgrund der möglichen Uneindeutigkeit ihrer Anwendungssituation die Angemessenheit ihrer Anwendung in einer solchen Situation nicht selbst sichern können. Dazu bedarf es der praktischen ↑ Urteilskraft, die darüber befindet, ob eine gegeben Situation oder eine fragliche Handlungsweise unter eine bestimmte Regel oder Norm fällt. Entsprechenden Erörterungen gibt Kant in der kasuistischen Erwägungen seiner Tugendlehre in der Metaphysik der Sitten Raum (↑ Kasuistik).“

K. = Klugheit

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Albrecht  03.02.2013, 08:27

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. AA IV 416 - 417/BA 42 -43:
„Es ist gleichwohl ein Zweck, den man bei allen vernünftigen Wesen (so fern Imperative auf sie, nämlich als abhängige Wesen, passen) als wirklich voraussetzen kann, und also eine Absicht, die sie nicht etwa bloß haben können, sondern von der man sicher voraussetzen kann, daß sie solche insgesammt nach einer Naturnothwendigkeit haben, und das ist die Absicht auf Glückseligkeit. Der hypothetische Imperativ, der die praktische Nothwendigkeit der Handlung als Mittel zur Beförderung der Glückseligkeit vorstellt, ist assertorisch. Man darf ihn nicht bloß als nothwendig zu einer ungewissen, bloß möglichen Absicht vortragen, sondern zu einer Absicht, die man sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem Wesen gehört. Nun kann man die Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zu seinem eigenen größten Wohlsein Klugheit im engsten Verstande nennen. Also ist der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel zur eigenen Glückseligkeit bezieht, d. i. die Vorschrift der Klugheit, noch immer hypothetisch; die Handlung wird nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer anderen Absicht geboten.“

Fußnote:
„Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, einmal kann es den Namen Weltklugheit, im zweiten den der Privatklugheit führen. Die erste ist die Geschicklichkeit eines Menschen, auf andere Einfluß zu haben, um sie zu seinen Absichten zu gebrauchen. Die zweite die Einsicht, alle diese Absichten zu seinem eigenen daurenden Vortheil zu vereinigen. Die letztere ist eigentlich diejenige, worauf selbst der Werth der erstern zurückgeführt wird, und wer in der erstern Art klug ist, nicht aber in der zweiten, von dem könnte man besser sagen: er ist gescheut und verschlagen, im Ganzen aber doch unklug.“

AA IV419/BA 46:
„Nun ists unmöglich, daß das einsehendste und zugleich allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich einen bestimmten Begriff von dem mache, was er hier eigentlich wolle.“

AA IV419 - 420/BA 47:
„Kurz, er ist nicht vermögend, nach irgend einem Grundsatze mit völliger Gewißheit zu bestimmen, was ihn wahrhaftig glücklich machen werde, darum weil hiezu Allwissenheit erforderlich sein würde. Man kann also nicht nach bestimmten Principien handeln, um glücklich zu sein, sondern nur nach empirischen Rathschlägen, z. B. der Diät, der Sparsamkeit, der Höflichkeit, der Zurückhaltung u. s. w., von welchen die Erfahrung lehrt, daß sie das Wohlbefinden im Durchschnitt am meisten befördern. Hieraus folgt, daß die Imperativen der Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Handlungen objectiv als praktisch-nothwendig darstellen, können, daß sie eher für Anrathungen (consilia) als Gebote (praecepta) der Vernunft zu halten sind, daß die Aufgabe: sicher und allgemein zu bestimmen, welche Handlung die Glückseligkeit eines vernünftigen Wesens befördern werde, völlig unauflöslich, mithin kein Imperativ in Ansehung derselben möglich sei, der im strengen Verstande geböte, das zu thun, was glücklich macht, weil Glückseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft ist, was bloß auf empirischen Gründen beruht, von denen man vergeblich erwartet, daß sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalität einer in der That unendlichen Reihe von Folgen erreicht würde.“

Immanuel Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798). Erster Theil. Anthropologische Didaktik. Von den Schwächen und Krankheiten der Seele in Ansehung ihres Erkenntnißvermögens. B. Von den Gemüthsschwächen im Erkenntnißvermögen. § 46. AA VII 204:
„Wer Urteilskraft in Geschäften zeigt, ist gescheut. Hat er dabei zugleich Witz, so heißt er klug.“ (Witz ist hier wohl als Gewitztheit zu verstehen)

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Albrecht  03.02.2013, 08:25

Bei einer Ethik mit einem anderen Begriff der Klugheit kann Klugheit moralisch relevant sein. Besonders deutlich ist dies bei Aristoteles, in dessen ethischer Theorie Klugheit (φρόνησις) ein Wissen über allgemeine Prinzipien mit umsichtiger und geschickter Anwendung im Einzelfall verbindet. Klugheit gehört nach Aristoteles zu den Verstandestugenden/Vortrefflichkeiten des Verstandes (ἀρεταὶ διανοητικαί). Klugheit ist zwar nicht ohne Geschicklichkeit, aber sie wird von bloßer Geschicklichkeit (δεινότης) abgegrenzt (vgl. zur Klugheit vor allem Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 6, Kapitel 5 und 8 – 13)

Klugheit bei Kant

Umgangssprachlich ist Klugheit oft etwas wie Schlauheit, Geschicklichkeit und Gescheitheit. Klugheit wird dann als ein Beurteilungsprädikat für eine Person aufgefaßt, welche die rechte/richtige Wahl von geeigneten Mitteln zu überwiegend eigennützigen Zwecken trifft.

Im philosophischen Sprachgebrauch gibt es zwei grundlegende unterschiedliche Bedeutungen von Klugheit (griechisch. φρόνησις; lateinisch: prudentia; englisch: practical wisdom; französisch: sagesse pratique, englisch/Französisch: prudence):

1) Bezeichnung für eine der dianoetischen Tugenden (Aristoteles und ihm folgende Denker(innen)), in der christlichen Tradition eine der vier Kardinaltugenden (Klugheit im Sinn von griechisch σοφία, lateinisch sapientia)

2) Synonym zu Rationalität des Verhältnisses von Zweck und Mittel bzw. eine Unterart von ihr

Klugheit in der Bedeutung 2) unternimmt im Unterschied zu Bedeutung 1) keine moralische Beurteilung der als „klug“ bezeichnet Person bzw. ihrer Handlungsweise.

Immanuel Kants Begriff von Klugheit versteht diese - abweichend von einer anderen Begriffstradition inhaltlich als keine moralische Beurteilung unternehmend. Klugheit kann bei seinem Begriffsverständnis nicht handlungsverpflichtend sein. Technische Imperative setzen persönlich festgelegte Zwecksetzungen als gegeben voraus und enthalten Regeln der Geschicklichkeit. Pragmatische Imperative haben zwar eine handlungsorientierende Funktion, besitzen aber eine situative (und damit provisorische) Geltung und gelten außerdem wie die technischen Imperative nur bedingt.

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785/6). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. AA IV 416 - 417/BA 42 -43:

„Es ist gleichwohl ein Zweck, den man bei allen vernünftigen Wesen (so fern Imperative auf sie, nämlich als abhängige Wesen, passen) als wirklich voraussetzen kann, und also eine Absicht, die sie nicht etwa bloß haben können, sondern von der man sicher voraussetzen kann, daß sie solche insgesammt nach einer Naturnothwendigkeit haben, und das ist die Absicht auf Glückseligkeit. Der hypothetische Imperativ, der die praktische Nothwendigkeit der Handlung als Mittel zur Beförderung der Glückseligkeit vorstellt, ist assertorisch. Man darf ihn nicht bloß als nothwendig zu einer ungewissen, bloß möglichen Absicht vortragen, sondern zu einer Absicht, die man sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem Wesen gehört. Nun kann man die Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zu seinem eigenen größten Wohlsein Klugheit im engsten Verstande nennen. Also ist der Imperativ, der sich auf die Wahl der Mittel zur eigenen Glückseligkeit bezieht, d. i. die Vorschrift der Klugheit, noch immer hypothetisch; die Handlung wird nicht schlechthin, sondern nur als Mittel zu einer anderen Absicht geboten.“

Fußnote: „Das Wort Klugheit wird in zwiefachem Sinn genommen, einmal kann es den Namen Weltklugheit, im zweiten den der Privatklugheit führen. Die erste ist die Geschicklichkeit eines Menschen, auf andere Einfluß zu haben, um sie zu seinen Absichten zu gebrauchen. Die zweite die Einsicht, alle diese Absichten zu seinem eigenen daurenden Vortheil zu vereinigen. Die letztere ist eigentlich diejenige, worauf selbst der Werth der erstern zurückgeführt wird, und wer in der erstern Art klug ist, nicht aber in der zweiten, von dem könnte man besser sagen: er ist gescheut und verschlagen, im Ganzen aber doch unklug.“

AA IV419/BA 46:

„Nun ists unmöglich, daß das einsehendste und zugleich allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich einen bestimmten Begriff von dem mache, was er hier eigentlich wolle.“

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Albrecht  03.02.2013, 08:21

In Kants Ethik sind aber Neigungen (und ähnliche Triebfedern wie Begierden und Wünsche) als maßgebliche Kräfte sittlichen Handeln ausgeschlossen, vielmehr soll völlige Unabhängigkeit von ihnen bestehen.

Wenn eine Möglichkeit zum Schlechten im Wesen des Menschen angelegt ist, muß dies noch nicht bedeuten, der Mensch sei einfach nur durch und durch schlecht und nichts weiter.

Vielleicht ginge es im Vortrag von Jens Timmermann bei Klugheit/ Vernunft /Intellekt um eine Rationalität des Verhältnisses von Zweck und Mittel. Wenn diese Rationalität einen Zweck/ein Ziel als gegeben voraussetzt und sich auf die Eignung von Mittel zum Erreichen beschränkt, ist es naheliegend, Klugheit als Kandidatin für ein Grundlage der Moral abzulehnen.

Kant unterscheidet drei Stufen praktischer Vernunft/rationalen Handelns:

1) technische Imperative der Geschicklichkeit: Sie gebieten die notwendigen Mittel zu einer beliebigen Absicht.

2) pragmatische Imperative der Klugheit: Sie gebieten Handlungen (raten sie an), die für die tatsächliche Absicht förderlich sind.

3) kategorischer Imperativ

Die beiden ersten Stufen sind hypothetische Imperative. Ihre Gültigkeit steht unter einschränkenden Voraussetzungen. Die Handlung ist nur unter dem Vorbehalt subjektiver Absichten geboten: Wenn ich x möchte, dann ist y notwendig. Die Absicht/der Vorsatz ist dabei aber nicht notwendig.

Kluge Verfolgung des eigenen Glücks scheidet bei Kant als Grundlage von Moral aus.

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Theil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 3. Lehrsatz II Anmerkung I (AA V 024/A 45):
„Das Princip der eigenen Glückseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht werden mag, würde doch für den Willen keine andere Bestimmungsgründe, als die dem unteren Begehrungsvermögen angemessen sind, in sich fassen, und es giebt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermögen, oder reine Vernunft muß für sich allein praktisch sein, d. i. ohne Voraussetzung irgend eines Gefühls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen als der Materie des Begehrungsvermögens, die jederzeit eine empirische Bedingung der Principien ist, durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen bestimmen können.“

Anmerkung II (AA IV 025/A 46):
„Glücklich zu sein, ist nothwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz und eine Seligkeit, welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedürftig ist, und dieses Bedürfniß betrifft die Materie seines Begehrungsvermögens, d. i. etwas, was sich auf ein subjectiv zum Grunde liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum, weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjecte blos empirisch erkannt werden kann, ist es unmöglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objectiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der Objecte aufs Begehrungsvermögen allerwärts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjectiven Bestimmungsgründe und bestimmt nichts specifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu thun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subject auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjectiv nothwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objectiv ein gar sehr zufälliges praktisches Princip, das in verschiedenen Subjecten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe.“

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Die Emotionale Frage, ob man gut zur Gesellschaft ist oder nicht ist doch eben die Moralische Frage und hat wenig mit Vernunft zu tun

Klugheit ist Wissen und die Fähigkeit es zu benutzen. Während der Moralisch handelnde Mensch sich gewöhnlich eine nicht physische Belohnung verspricht, wie Anerkennung oder Seelenheil, die er auch bzw insbesondere über den Tod hinaus erhält hindert der Tod ihn nicht darin seine moralischen Ziele zu erreichen.

Man ist nicht Klug um der Klugheit willen, sondern um seine Klugheit zu nutzen, was nach dem Tod (höchstwahrscheinlich) nicht mehr möglich ist. Folglich muss der Vernünftige/Kluge bestrebt sein, sein Leben zu erhalten, selbst wenn er dafür jemanden ans Messer liefern muss, der Unschuldig ist.


Suboptimierer 
Beitragsersteller
 02.02.2013, 01:19

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass jemand, der seine Klugheit nicht nutzt, nicht klug sein kann?
Sorry, wenn ich so viele Philosophie Grundfragen stelle, aber ich habe erst spät angefangen, mich mit den großen Philosophen zu beschäftigen. Wobei das auch schon übertrieben ist.

Ich habe irgendwo einen Knoten in meinen Gedanken, der noch nicht aufgehen wollte. Nehmen wir an, ich würde mein Leben opfern, um 1000den Menschen das Leben zu retten, zum Beispiel, indem ich nichts anderes mache, als an ein Heilmittel zu Krebs zu forschen. Dieser Mensch ist doch klug, auch wenn er sich selber davon nichts verspricht. Es ist schwer, komplett uneigennützige Taten in der Realität zu finden, aber im Vordergrund steht doch die Empathie zu den anderen Menschen. Es ist eine moralische Pflicht, ein Krebsgegenmittel zu erforschen, wenn man dazu in der Lage ist. Es aber zu tun, zeugt doch von Klugheit. Wenn der Wissenschaftler sich aber denken würde: "Ach, dass ist mir zu stressig und am Ende habe ich selber gar nichts davon. Ich suche mein Glück in der Piraterie.", dann ist das doch nicht klug...
Jetzt habe ich mich selbst ins Strudeln gebracht. Es klingt zumindest nicht vernünftig, immer an erster Stelle an sich zu denken. Jemand, der total egoistisch und selbstverliebt ist und immer nur an sich denkt, der ist doch nicht automatisch klug oder vernünftig.

Ich habe ein ganz anderes Bild von Klugheit vor Augen. Vielleicht hilft es, das einmal aufzuzeigen. Für mich bedeutet Klugheit, Zusammenhänge zwischen mehreren Faktoren erkennen zu können und daraus einen sinnvollen schluss zu ziehen. Das erfordert als Basis Detailwissen. Keine Klugheit ohne Detailwissen. Keine Klugheit ohne die Fähigkeit, das Detailwissen miteinander zu verbinden.
In meiner Anschauung von Klugheit spielt es gar keine Rolle, für wen oder was ich entscheide, es spielt nur eine Rolle, wie ich zu meiner Entscheidung komme.

Ich will damit keinem prominenten Philosophen widersprechen und bin gerne bereit, andere Perspektiven aufzunehmen. Dazu muss ich sie aber erst einmal verstehen. Mir fehlt noch ein bisschen die Fähigkeit, mich von meinen eigenen Gedankengängen lösen zu können. Vielleicht ist die Frage speziell für mich aus diesem Grund gar nicht beantwortbar.😢

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Es ist keine Frage der Klugheit, einen anderen zu Opfer, anstatt sich selber seiner Schuld zu stellen, das Dumme bei Philosophierenden wie Kant, die dann von Biografie Experrten wie Timmermann rezitiert werden, ist die Tatsache das man hier etwas verdreht um etwas zu verschleiern. Und zwar "einen anderen zu Opfern, anstatt sich selber der Verantwortung zu stellen", es zeigt doch nur auf dass der scheinbar Intellektuelle Kant zu feige ist/war Verantwortung zu übernehmen und dies mit Klugheit begründet, die der Moral (die gleichzeitig den Gehorsam begründet) überlegen ist.

Klugheit begründet keine Vernunft, Glückseligkeit keinen Intellekt.

Das ist eine Begründung von intelektuellen Feiglingen, um Feigheit zu rechtfertigen.


BluePapillion  02.02.2013, 17:33

Der Intellektuelle wird keinen vernünftigen Grund finden, warum er sich für einen anderen aufopfern sollte, aber mindesten 20 benennen können,warum du es für die Allgemeinheit tun könntest.

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LotharPawliczak  03.02.2013, 09:55
@BluePapillion

Diese Antwort und dieser Kommentar gehen völlig am Kern der Kantischen Moralphilosophie vorbei:

"Die Moral ist schon an sich selbst eine Praxis in objektiver Bedeutung, als Inbegriff von unbedingt gebietenden Gesetzen, nach denen wir handeln sollen, und es ist offenbare Ungereimtheit, nachdem man diesem Pflichtbegriff seine Autorität zugestanden hat, noch sagen zu wollen, daß man es doch nicht könne...: man müßte denn... eine allgemeine Klugheitslehre... zu seinen auf Vorteil berechneten Absichten die tauglichsten Mittel zu wählen (aufstellen), d.i. läugnen, daß es überhaupt Moral gäbe." (Immanuel Kant: Über die Mißhelligkeit zwischen der Moral und der Politik in Absicht auf den ewigen Frieden; Anhang zu: Zum ewigen Frieden 1795)

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BluePapillion  04.02.2013, 15:59
@LotharPawliczak

Moral ist kein Gesetz, es wird als solches verkauft. Moral gibt es nicht.

Ein Kranker der philosophiert, um seine Pfründe zu schützen und der Obrigkeit zu huldigen, dessen Moralpredigt stösst bei mir auf taube Ohren.

Kant gilt zwar als Philosoph,aber eben nur aus Mangel, an Philosophen in Deutschland.

Glaubst Du allen ernstes du könntest mich mit dem Zitieren von Kant beeindrucken?.

Als Rationalist der ich bin bedeutet "Klugheit ist das zu tun, was nötig ist" und es als moralisch Klug zu verkaufen.

Ich bevorzuge Sokrates und Nietzsche!

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Wie wäre es, wenn Du Kant ein mehrschichtiges Weltbild zumuten würdest? Du führst die Begriffe gegeneinander in den Krieg aus der Abgrenzung heraus. Was, wenn sie miteinander kooperieren, sich ergänzen, eine andere Facette des Blicks auf einen Gesamtzustand sind? Wo steht, dass für Kant der Mensch von grund auf schlecht ist? Für Kant ist der Mensch ein offenes Wesen, das sich in vielfältigster Weise mit seinen Lebensbedingungen auseinandersetzt. Für Kant ist der Mensch ein gesellschaftliches Wesen und eine "gerechte Gesellschaft" die dauerhaftere, bessere Basis auch für ein persönliches Glück. Da denkt Kant sehr viel umfassender. Kant ist sicher der Letzte, der den natürlichen Überlebenswillen des Menschen wie aller Kreatur bestreitet. Klugheit bedeutet, diesen in differenzierteren Bewertungen zur Geltung zu bringen.


Suboptimierer 
Beitragsersteller
 02.02.2013, 10:49

Klugheit bedeutet, diesen in differenzierteren Bewertungen zur Geltung zu bringen.

Ja, genau das meine ich doch. Klugheit bedeutet, überhaupt Entscheidungen treffen zu können, nach Abwägung der Eingabeparameter.

Wo steht, dass für Kant der Mensch von grund auf schlecht ist?

Puh, ich glaube, da müsste ich selbst ihn wohl noch intensiv lesen. Meine Aussagen und Behauptungen über Kant in meiner Frage stützen sich fast ausschließlich auf den Vortrag von diesem Timmermann.
Es ist klar, dass man in ein, zwei Stunden nicht Kants komplettes Weltbild widergeben kann. Ich habe den eben so verstanden, dass der Mensch in der Hinsicht von Grund auf an schlecht ist, dass er immer versucht, sein persönliches Glück zu mehren. Ihm müssen Richtlinien in Form von Gesetzen auferlegt werden, damit etwas moralisches Handeln überhaupt sichergestellt werden kann.

Also wenn das, was ich schreibe, nicht stimmen sollte, dann vermutlich eher, weil ich den Timmermann nicht richtig verstanden habe, als dass er Kant nicht richtig verstanden hat.

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berkersheim  02.02.2013, 20:33
@Suboptimierer

"dass der Mensch in der Hinsicht von Grund auf an schlecht ist, dass er immer versucht, sein persönliches Glück zu mehren. Ihm müssen Richtlinien in Form von Gesetzen auferlegt werden, damit etwas moralisches Handeln überhaupt sichergestellt werden kann."

Wieso ist der Mensch von Grund auf schlecht, wenn er sein persönliches Glück sucht? Könnte es sein, dass Dein Begriff von GLÜCK da etwas unglücklich ist? Was, wenn der Mensch sich in gesellschaftlicher Organisation und der Einsicht, dass er als Individuum nur in einer glücklichen Gesellschaft glücklich werden kann, der Mensch sich selbst Richtlinie und Gesetze gibt als Ausdruck vernünftiger Einsicht? Ganz freiwillig?

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