Frage an Hebammen?

2 Antworten

Hebamme ist kein Beruf, für den man sich rational nach Abwägung von Pro und Contra entscheidet, sondern eine Berufung.

Wenn du Interesse an humanmedizinischen Zusammenhängen und den natürlichen Prozessen im Einklang mit sicherer, evidenzbasierter Medizin für Mutter und Kind hast, gerne eigenverantwortlich mit Menschen arbeiten möchtest, dich soziale Kompetenz und Zuverlässigkeit auszeichnet, du eine schnelle Auffassungsgabe, Nervenstärke und Bereitschaft zum lebenslangen Lernen mitbringst und du Schicht-, Wochenend- und Feiertagsdienst nicht scheust, könnte der Beruf der Hebamme etwas für dich sein.

Hebammen sind die Fachfrauen für Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit.

Hebammenhilfe umfaßt die Betreuung in der Vorsorge, die Geburt, im Wochenbett, sämtliche Fragen zum Stillen, der Babypflege, sowie die Begleitung in der Phase der Rückbildung.

Hebammen sind in ganz unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitssystems tätig; z.B. im Krankenhaus, im Geburtshaus, in der eigenen Praxis, beim Frauenarzt, bei Behörden (z.B. Jugendamt), Institutionen (z.B. pro familia) oder Einrichtungen (z.B. Mutter-Kind-Heim).

Der Beruf der Hebamme ist nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen, süße Babys, selbstbestimmende, kraftvolle Gebärende und glückliche Mütter...

Als Hebamme begleitest du auch Geburt mit weniger schönem Ausgang; stille (Tod- oder Fehl-) Geburten, Geburten von behinderten oder missgebildeten Kindern bis hin zu nicht mit dem Leben zu vereinbarende Fehlbildungen, dramatische Notfälle unter der Geburt mit Bedrohung des Lebens von Mutter und Kind, Geburten von unerwünschten Kindern...

Nervenstark und belastbar solltest du also so oder so sein. Natürlich kannst du nicht jedes unschöne Ereignis mit nach Hause nehmen und dich davon auffressen lassen. Doch auch nach Jahren im Beruf darf man nicht „abgehärtet“ sein, sollte seine Empathie behalten und kann von traurigen Momenten durchaus betroffen sein.

Du kommst mit sämtlichen Ausscheidungen in Berührung; Blut, Fruchtwasser, Urin, Kot, Erbrochenes... Nicht jede werdende Mutter ist frisch geduscht, wohlduftend und gut gepflegt...

Nicht selten kommst du mit bakteriellen und viralen Infektionen und Pilzerkrankungen in Kontakt; Syphilis, Toxoplasmose, Gonorrhoe, Chlamydien, Varizellen, Masern, Mumps, Tuberkulose, B-Streptokokken, Röteln, Cytomegalie, Herpes simplex, Hepatitis B und C, HIV, Humanes Papillomavirus...

Du arbeitest als angestellte Hebamme im Schichtdienst; nachts, am Wochenende, an Feiertagen..., springst bei Krankmeldungen häufig ein und machst oft Überstunden, immer mehr Schreibkram und weniger Zeit für die eigentliche Hauptaufgabe und das alles bei chronischer Unterbesetzung...

Im Krankenhaus wirst du nach Tarif (oder meist angeglichen) bezahlt, das sind im TVöD als Anfangsgehalt z.Z. etwas mehr als 3.000 € brutto plus Zulagen für Schicht- und Nachtdienst und Sonn- und Feiertagsarbeit. Das ist etwas besser als der Verdienst einer Krankenschwester.

Du arbeitest als freiberufliche Hebamme gegebenenfalls in Dauerbereitschaft und rechnest über die Gebührenverordnung mit den Krankenkassen ab. Für sämtliche Sozialversicherungen bist du alleine verantwortlich, auch gibt es natürlich dann auch kein Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle.

In der Freiberuflichkeit lässt sich jedoch mit gutem Zeitmanagement deutlich mehr verdienen, man trägt aber das unternehmerische Risiko eben selbst.

Es ist ein stressiger, verantwortungsvoller, manchmal auch trauriger und (gemessen an der Verantwortung für Leben und Gesundheit von gleich zwei Menschen) unterbezahlter Beruf und er ist vielfältig, erfüllend und wunderbar.

Auf jeden Fall - sowohl um einen Einblick in den Beruf zu erlangen als auch um deine Chancen bei deiner Bewerbung für einen Ausbildungs- bzw. Studienplatz zu erhöhen - empfehle ich dir ein mehrwöchiges Praktikum. Das kannst du z.B. im Krankenhaus, in einer Hebammenpraxis, im Geburtshaus und/oder bei einer freiberuflichen Hebamme machen.

Mittel- bis kurzfristig (geplant war schon bereits Anfang 2020) wird ein vierjähriger dualer Studiengang zur Hebamme - Bachelor of Science - die Ausbildung an einer Hebammenschule ersetzen, um dem europäischen Standard zu entsprechen.

Da die Überführung der Ausbildung an die Hochschulen bis zum Stichtag 18. Januar 2020 noch nicht vollständig vollzogen war und damit es kurzfristig keinen Engpass bei der Hebammenausbildung gibt, ist in einem Übergangszeitraum auch noch die klassische Ausbildung an einer Hebammenschule möglich.

Die Ausbildung an den Schulen kann bis 31.12.2022 begonnen werden und muss bis 31.12.2027 beendet werden.

Im Moment macht das (noch) keinen Unterschied. Aber es ist zu erwarten, dass langfristig Bewegung in die Gehaltsstruktur kommt, dann gucken "Nichtstudierte" in die Röhre.

Auch wird innerhalb der EU der berufsschulische Abschluss mittlerweile nicht mehr automatisch anerkannt. 

Schau bei Interesse auch gerne mal meinen Beitrag hier:

https://www.gutefrage.net/frage/frage-an-die-hebammen-wie-sieht-der-arbeitsmarkt-momentan-aus#answer-410930800

Alles Gute für dich!

vermutlich ist das der punkt wo du siehst ob du dem standhältst oder nicht, wenn du die erste fehlgeburt entsorgst


isebise50  20.11.2021, 14:53
wenn du die erste fehlgeburt entsorgst

Hebammen kommen meist nur mit Späten Fehlgeburten (tot geborenes Baby unter 500 Gramm Geburtsgewicht) ab der 12. SSW oder später in Berührung.

Da wird nichts „entsorgt“. In der Mehrzahl der Bundesländer besteht für Kliniken die Pflicht zu einer würdevollen Bestattung, wenn die Eltern diese nicht selbst vornehmen wollen.

Zuvor werden die Sternenkinder liebevoll hergerichtet, gekleidet oder zumindest in kleine „Schlafsäckchen“ gebettet, fotografiert, wenn möglich werden zur Erinnerung für die Eltern Fuß- oder Handabdrücke gemacht und Haarlocken genommen.

Verwaiste Eltern bekommen bei uns eine selbstgefertigte Kerze und wir arbeiten eng mit https://www.dein-sternenkind.eu/FOTOGRAFEN-NEW/index.php zusammen.

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wunderwall  20.11.2021, 19:53
@isebise50

leibesfrüchte der 12. woche sind einige cm groß und werden weder hergerichtet noch schick gekleidet. totgeburten unter 500g kommen in der regel in den klinikmüll. einige eltern lassen sie bestatten, die meisten tun es nicht.

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isebise50  21.11.2021, 09:11
@wunderwall

Schön, dass du mir meinen Job erklärst und gut, dass es bei uns im Kreißsaal anders läuft.

In welchem Bereich des Krankenhauses arbeitest du, dass du Einblick hast? In welchem Bundesland ist es noch so?

In den Bestattungsgesetzen steht, dass fehlgeborene Kinder "hygienisch einwandfrei und dem sittlichen Empfinden entsprechend zu beseitigen" sind oder sie "in schicklicher und gesundheitlich unbedenklicher Weise beseitigt" werden müssen. Wie dies genau ausgeführt werden soll, steht nicht näher in dem Gesetzestext. 

Dies bedeutet, dass im Umgang mit fehlgeborenen Kindern eine sehr große gesetzliche Freiheit besteht.

Wenn die Eltern ihr Kind nicht selbst bestatten wollen, dann muss die Einrichtung die Tot- und Fehlgeburten laut Paragraf 14, Absatz 2, „unter würdigen Bedingungen sammeln und bestatten.“ In Paragraf 8, Absatz 2, heißt es weiter: „Leichenteile, Tot- und Fehlgeburten sowie die aus Schwangerschaftsabbrüchen stammenden Leibesfrüchte, die nicht nach Paragraf 14, Absatz 2, bestattet werden, sind ohne Gesundheitsgefährdung und ohne Verletzung des sittlichen Empfindens der Bevölkerung zu verbrennen.“

Die Vorschriften zum Umgang mit den Fehlgeburten, die nicht von Ihren Eltern bestattet werden, sind großenteils aber immer noch überarbeitungsbedürftig, ebenso besteht bei den Ungeborenen in den meisten Bundesländern noch Verbesserungsbedarf. 

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wunderwall  21.11.2021, 12:11
@isebise50

unter 500 g werden sie nicht als kinder gesehen und somit entsorgt. die entsorgung geschieht immer via verbrennung mit anderen klinikmüll. wenn die eltern etwas anderes wünschen können sie dies tun. aber sonst wird entsorgt.

dein job? ist eh auf dem absterbenden ast, was solls.

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isebise50  21.11.2021, 14:06
@wunderwall

Noch mal - woher beziehst du dein "Wissen".

Im Bestattungsgesetz ist unter § 30 Bestattungspflicht klar geregelt:

(3) 2 Liegt keine Erklärung mindestens eines Elternteils nach Absatz 2 Satz 2 vor, sind Fehlgeburten und Ungeborene von den Einrichtungen unter würdigen Bedingungen zu sammeln und zu bestatten. 3 Die Kosten hierfür trägt der Träger der Einrichtung.

https://dejure.org/gesetze/BestattG/30.html

Schau auch gerne mal unter:

https://www.aeternitas.de/inhalt/kind_tod_trauer/sternenkinder/sternenkinder_rechtliches

auf dem absterbenden ast

Werden Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen demnächst von Maschinen betreut?

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