Feedback für ein Gedicht?
Ich habe heute ein Gedicht geschrieben. Ich möchte extra keinen Kontext geben. Mich würde eure Meinung (gerne auch Verbesserungsvorschläge für zukünftige Gedichte) dazu interessieren und ich würde gerne Wissen, wie ihr das Gedicht interpretieren würdet. Herzlichen Dank!
Dein Pinsel auf dem Blatt,
ein Ausdruck, der es in sich hat.
Gedanken ziehen Kreise, halten an,
deine Art zu lachen gibt mir Raum.
Die engen Strassen, durch die ich gehe,
werden zu Gassen, in denen ich mich drehe.
Dein Duft, du meintest schwach,
doch er hält mich nachts hellwach.
Die Welt, die ich gerne sehe,
doch dein Spiel schneidet tief wie eine Schere.
Ein Schmerz, bei Liebenden beliebt,
sich über mich wie warmer Tee ergibt.
2 Antworten
Für mich ist das eine kleine Anfängerübung so, wie berühmte Komponisten verschiedene Etüden für sich und andere zur Übung des Instruments schrieben.
Der Beginn ist fast gut, allerdings wird die Malerei der Person später nie mehr erwähnt. Schade. Wozu das also? Inhaltlich verstehe ich die letzten beiden Sätze nicht, - als ob die geliebte Person nur Sympathie imitieren würde. Na ja? Psychischer Schmerz, Liebesleid, als Dusche im warmen Tee?!
Spielen wir Schule: Deine Gedanken sind befriedigend, die formale Umsetzung ist mangelhaft, erinnert mich an schlechte Schlagertexte: Du reimst nur einfachst paarreimig, dazu dann noch teils falsch, wozu? Du änderst das Vermaß sinnlos.
Gebe also deinen Gedanken Raum, schreibe längere Zeilen und kürzere, in der Abwechslung liegt hier die Spannung, weil das Ende der sechs Sätze inhaltlich wechselt.
Schreibe deine Sätze als ewiggültige Sinnsprüche wie in einem Grabstein, reime zuerst nicht, suche Worte, die sich ins Gedächtnis hämmern, nicht nur aus der Grundschulsprache, nicht: gehen, drehen, halten, meinen usw..
Nimm Begriffe, die zumindest zweideutig sind, entweder in dieselbe Richtung oder in völlig andere; damit schenkst du der lyrischen Sprache geistige Tiefe. Nimm Begriffe, die sofort das Gefühl im Leser erzeugen, dass du willst.
Lerne rhetorische Mittel bzw. Stilmittel - übe sie, damit sie in deine dichterische Sprache eingehen. Gieße deine wichtigen Worte in ihre einzigartige zugehörige Form. Und das Wichtigste ist das Metaphorische, von dem schon Aristoteles glaubte, dass es angeboren sein müsste. Suche dir mehr originelle Bilder zu deinen Gedanken, lese und analysiere viele sehr gute Gedichte, verwende sie, dann bist du in der Oberstufe der Lyrik.
Mein spontanes Änderungsbeispiel nur in eine weitere Etude mit banalem Reim:
Dein feiner Pinselstrich erfüllt mein grobes Blatt. / v-v-v-v-v-v-
Sein Sein erhellt in sich mein dunkelrotes Blut. /
Wie war es doch so träge, müde, fad und matt. /
In ihm erblüht die rote Farbe deiner Glut. //
usw.
Ein weißes Blatt. Dein Pinselstrich /
verschenkt darauf Gehalt. /
Ein kurzer Weg. Er führt in mich /
verlierend jeden Halt. /
Und schwarz ist er und doch so farbig bunt. //
Ein großer Kreis. Er kommt zu sich, /
wirkt nah und fern und heiß und kalt! /
Ein weiches Blatt. Kein grober Stich /
verwirrt darauf Gestalt. /
Ein langer Weg. Er führt zu sich /
verjüngend, wird nie alt. /
Und frei bin ich und doch in deiner Hand. //
usw.
Viele Ideen, viel Fleiß, Geduld und Übung! Viel Erfolg!
Mit dem Begriff Kontext bezeichnet man sowohl den Sinnzusammenhang, in dem eine Aussage steht, als auch den Sach- und Situationszusammenhang einer Äußerung. Wenn dieser Zusammenhang keine Berücksichtigung findet, kann es zu Missverständnissen in der Verständigung kommen.
Deine Aussage, keinen Kontext geben zu wollen, fährt daher ins Leere. Womöglich hast Du "Konnex" gemeint. Es wäre mehr als empfehlenswert, Fremdwörter nur dann zu benutzen, wenn man auch deren Sinn versteht.
Deine 3. und 4. Zeile reimt sich überhaupt nicht. Dito 9. und 10. Zeile.
Und die anderen Reime sind mehr als holprig, genauso wie das Versmaß.
sich über mich wie warmer Tee ergibt
Diese letzte Zeile ist kompletter, sinnbefreiter Nonsens. "Ergießt" wäre das ausschließlich korrekte Verbum zum Allgemeinverständnis.
Summa summarum ein völlig unausgegorenes Gedicht, strotzend vor kitschigen Banalitäten und Zeugnis pubertierender Unreife.
Sorry, dass ich mit Dir so hart ins Gericht gehe. Du solltest Deinen Liebeskummer und Trennungsschmerz besser in Prosa statt in Gedichtform verarbeiten.
Die brutale Wahrheit ins Gesicht geschmettert zu bekommen tut weh. Aber das sollte Dir genügend Anreiz sein für zukünftige literarische Ergüsse.
Sorry, dass ich Dir in der Hitze des Gefechts teilweise auf den Schlips getreten bin.
Wünsche Dir und Deiner Familie ebenfalls ein frohes Weihnachtsfest!
Vielen Dank für Dein Feedback.
Ich habe verstanden, dass du den Text vor allem formal kritisierst, und ich nehme deine Anmerkungen zu Reimen und Versmass zur Kenntnis. Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass Poesie immer auch eine sehr persönliche Ausdrucksform ist und nicht jedem gefallen muss.
Einige Formulierungen in deinem Feedback, wie „jugendliche Unreife“ oder „sinnbefreiter Nonsens“, empfinde ich jedoch als unnötig scharf. Solche Worte greifen nicht den Text an, sondern mich als Autor – und das finde ich unpassend. Kritik sollte konstruktiv und respektvoll bleiben, damit sie wirklich weiterhilft.
Trotzdem danke ich dir für deine Rückmeldung und werde darüber nachdenken, wie ich meinen Stil weiterentwickeln kann.
Frohe Weihnachten!