Erkenntnistheorie nach Platon & Locke?
Ich habe mir einen Bericht durchgelesen, in dem es um Platon und Lockes Erkenntnistheorie geht. Zum einen übt der Verfasser Kritik an Platons Position, indem er meint, wenn man zum Beispiel eine Sprache hört, die er nicht spricht, sich auch nicht daran erinnern kann. Wir haben Platons Idee im Unterricht eher auf Gegenstände bezogen, gehören Sprachen denn auch dazu? Zweitens sagt der Autor über Locke: "Locke trennt Sensation und Reflexion strikt voneinander ab. Es stellt sich aber dann die Frage woher der Anstoß für unseren Verstand kommt selbst „plötzlich“ eigene Ideen zu produzieren, wenn er definitiv nicht aus der äußeren, wahrnehmbaren Sinneswelt kommt und der Geist am Anfang ein unbeschriebenes Blatt ist. " Diese Kritik verstehe ich nicht wirklich, könnte die jemand für mich erläutern? Danke schonmal!
3 Antworten
Platon erklärt unsere Vorstellungen als ursprünglich "ex natura", außerhalb der Natur, wobei die wandelbare Natur als Wahrnehmung unserer Sinne nur eine mindere Reproduktion einer idealen, ewigen Idee sei.
Locke folgt als Empirist dem großen empirischen Philosophen Epikur. Real ist diese wandelbare Natur und unsere Vorstellungen darüber stammen aus ihr. Wir haben äußere und innere Sinne und als Organ den Verstand mit der Aufgabe, einmal die unterschiedlichen Eindrück der Sinne zu ordnen und zeitlich und kausal in Bezug zu setzen. Dazu braucht man keinen "höheren Geist". Das machen auch Tiere, z.B. Löwen oder Wölfe, wenn sie im Rudel jagen. Sie verständigen sich über Opfer und Richtungen und Prioritäten (wer greift zuerst an), und eine solche Jagd ist bereits eine sehr komplexe Interpretation sowohl unterschiedlichster Sinneseindrücke wie auch intersubjektiver Kommunikation. In Epikurs Philosophie und das setzt sich bei Locke fort, gibt es längst bereits die Vorstellung der evolutionären Entwicklung.
Von wegen "Sprachfähigkeit" geht inzwischen die Wissenschaft davon aus, dass bereits der Neandertaler die Fähigkeit der Sprache hatte. Dieser evolutionäre Prozess beginnt ist also bereits von dem "modernen Menschen". Ich zitiere: "Bei beiden ist das einzige bislang bekannte für die Sprache zuständige Gen, ein Erbgutabschnitt namens Foxp2, identisch. Das schließt ein europäisches Forscherteam um Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig aus einem Genvergleich von Neandertaler und Homo sapiens. Bislang waren Experten davon ausgegangen, dass nur der Mensch diese besondere Form von Foxp2 hat."
Es wird somit diskutiert, dass die Entwicklung der Sprache mindestens 200.000 Jahre auf dem Buckel hat, evtl sogar mehr, gekoppelt mit der Fähigkeit von Hominiden, kompliziertere Werkzeuge herzustellen und dieses Wissen in einer Kombination von Gebährden und Sprache weiterzugeben. Wenn das stimmen würde, könnte unsere Sprache bereits rudimentär vor 4 Millionen Jahren begonnen haben bei hominiden Vorläufern des modernen Menschen.
Puh, mein Philosophie-Unterricht ist jetzt schon etwas her, aber ich glaube, ich kriege das noch zusammen...
Also, Locke geht von der tabula rasa aus, also von einem unbeschriebenen Blatt. Kommt der Mensch zur Welt, ist er genau dieses unbeschriebene Blatt, das erst dann mit Ideen etc. gefüllt wird. Der Autor fragt nun, woher es denn kommt, dass dieses leere Blatt auf einmal gefüllt wird, läuft da ein Programm ab, oder wie hat man sich das vorzustellen? Die Frage stellt sich vor allem deshalb, weil Locke sagt, der Anlass, Ideen zu produzieren, kommt nicht von außen. Ja, woher dann?
1.) Platon ist ein (vermutlich der erste) Vertreter der "angeborenen Ideen", eine phil. Theorie, die seither immer wieder neu aufgelegt wurde. In unserer Zeit hat Noam Chomsky diese Theorie auf die Sprache bezogen. Chomsky behauptet, dass Kinder niemals so schnell eine Sprache lernen würden, wenn sie nicht bereits ein Grundgerüst dessen, was Sprache ausmacht, im Kopf hätten (und bringt dafür einige Argumente). Dieses Grundgerüst wird dann natürlich mit der konkreten Sprache ausgefüllt.
Also man darf es sich nicht so vorstellen, dass z.B. Englisch oder Portugiesisch - also diese konkrete Sprache - angeboren ist, sondern allgemein die Fähigkeit, sprechen zu können und Sprachen zu lernen.
2.) Die Kritik an Locke geht so: Locke behauptet "es ist nichts im Verstand, was nicht vorher durch die Sinne hineingelangt ist". Leibniz hat gekontert: "Aber immerhin doch der Verstand selbst". Die Kritik liegt darin, dass Locke nicht erklären kann, wie sich Ideen bilden, da sie ja offenbar nicht durch die Sinne kommen. Z.B. wie kommt der Verstand dazu, die Idee der Zahl 2 zu bilden? Nach Locke müsste diese Idee irgendwie über die Sinne in den Verstand hineingelangt sein, aber das ist sehr unplausibel.
Kant hat daher später das synthetische Apriori angenommen, dass sind genau die Ideen, die schon vorher (a priori) im Verstand sind.
Auch, dass wir überhaupt Ideen bilden, kommt nicht von den Sinnen. Z.B. wir sehen mehrere Katzen und bilden irgendwann die Idee "Katze". OK, man kann sagen, dass der Inhalt dieser Idee aus den Sinnen stammt (alles Katzen-Bilder), aber woher kommt die Motivation, überhaupt eine Idee zu bilden? Warum lassen wir nicht einfach die einzelnen Katzen-Sinneseindrücke so für sich stehen? Warum müssen wir sie zu einer Idee vereinigen? Auch dieser Trieb/Anstoß (wie man es nennen mag) kommt nicht von den Sinnen selbst.
Kant hat dies später "Spontaneität des Verstandes" genannt: Wir können gar nicht anders, als solche Ideen bilden, das erledigt der Verstand für uns ohne unser Zutun.
Locke ist eine Gegenposition zu Platon, da er angeborene Ideen ablehnt. Das ist der Sinn der "unbeschriebenes Blatt"-Metapher. Nach Platon ist der Geist eben kein unbeschriebenes Blatt, da stehen nämlich die angeborenen Ideen drauf.