Was ist das Gute, Wahre und Schöne?

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Bei den antiken Griechen gab es die Kalokagathia (καλοκαγαθία), wörtlich Schön- und Gutheit, eine ästhetische und ethische Vortrefflichkeit, als Bezeichnung und angestrebte Eigenschaft. Dies hat als Konzept einer schönen Seele und Bildungsideal weitergewirkt.

Bei dem Philosophen Platon ist daraus ein vertiefter Gedanke über das Gute, Wahre und Schöne geworden. Er nennt das Wahre (Singular τὸ ἀληθές; Plural τὰ ἀληϑῆ), das Schöne (τὸ καλὸν) und das Gute (τὸ ἀγαθόν) als Ideen, wie auch andere Begriffe (z. B. das Gerechte). Bei ihm sind die drei Ideen miteinander verbunden und gehen auf ein einziges Prinzip, etwas Absolutes zurück. Daher soll bei ihm auch die Kunst der Erkenntnis der Wahrheit dienen.

Das Gute stellt eine wesensgemäße Ordnung (τάξις) dar. Das Gute ist Einheit von Ebenmaß/Symmetrie (συμμετρία), Schönheit (κάλλος) und Wahrheit (ἀλήθεια), vgl. Philebos 64 – 66. Das Gute ist das richtige Maß und vermeidet Übertreibung und Mangel.

kurzer Überblick zum Guten bei Platon:

Hans Reiner, Gute (das) I. 2 Philosophische Bestimmungen im Griechischen. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3: G – H. Basel ; Stuttgart: Schwabe, 1974, Spalte 941 – 942

Das Wahre (τὰ ἀληϑῆ) bzw. die Wahrheit (ἀλήθεια) bei Platon ist vorrangig ein auf Wissen/Erkenntnis bezogener Begriff (Parmenides 134 a) – als Inbegriff der erkennbaren geistig erfaßbaren Wirklichkeit.

Wissen/Erkenntnis (ἐπιστήμη) meint eine das Wesentliche erschließende, bleibend gültige und von (argumentativ aufweisbarer) Einheit getragene kognitive Vergegenwärtigung eines Gegenstandes oder ideenhaften (eidetischen) Gehalts.

Das Wahre ist durch Reinheit, Unvermischtheit und Urbildhaftigkeit gekennzeichnet und bildet einen idealen Maßstab. Die Auszeichnungen der Seinsweise versteht Platon zugleich als Gesichtspunkte von Sach-oder Wesens-Wahrheit. Die Wahrheit einer Sache ist ihr wirkliches oder wesenhaftes (So-)Sein. Einer Sache wird Wahrheit/Echtheit zugesprochen, insofern sie ihren Begriff tatsächlich oder in ausgezeichneter Weise erfüllt oder insofern es sich um die echte Sache handelt, das Original und nicht nur um eine Nachahmung.

kurzer Überblick zum Wahren bei Platon:

kurzer Überblick zum Wahren bei Platon:

Jan Szaif, Wahrheit I. Antike A. Anfänge bis Hellenismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel- Schwabe, 2004, Spalte 49 – 50

Spalte 50 (aus Sophistes 240 e abgeleitet). „Ein Aussagesatz ist wahr, wenn er von dem, was ist, aussagt, daß es ist, oder von dem, was nicht ist, aussagt, daß es nicht ist.“

Jan Szaif, Wahrheit. In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 347 – 35

im Rahmen einer ausführlichen Untersuchung:

Jan Szaif, Platons Begriff der Wahrheit. 3. Auflage, Studienausgabe, unveränderter Nachdruck der 2., durchgesehenen Auflage. Freiburg (Breisgau) ; München : Alber, 1998, (Symposion ; Band 104), S. 530:
„Sofern Wahrheit (oder das Wahre) als Inbegriff jener uneingeschränkt erkennbaren, uneingeschränkt seienden und für alles übrige maßstabgebenden Wirklichkeit fungiert, steht sie in der Antithese zu der unserem gewöhnlichem Wahrnehmen und Meinen vertrauten Wirklichkeit und ist in dieser Weise das Leitwort des philosophischen Bemühens, das Leitwort der geforderten Umwendung vom Vertrauen in das sinnlich-doxastisch Gegebene zur dialektisch-argumentativen Erkenntnisarbeit, die den Bereich der reinen Gegenstände des Denkens und damit des Seienden erschließen soll. Sie markiert den eigentlichen, »göttlichen« Bestimmungsort der Seele, oder das Muster, nach dem die Seele sich selbst formen soll, um die beste ihr mögliche Verfassung zu erreichen. Und da in den Bereich der kognitiv transparenten und unveränderlichen Wahrheit auch und gerade die Wesensgehalt des Guten, des Gerechten etc. eingeschlossen werden, drückt sich in diesem Wahrheitsbegriff zugleich das Vertrauen darin aus, daß es überhaupt unveränderlich gültige und rational vollkommen einsichtige Maßstäbe der Evaluation gibt.“

S. 531 (zum zweiten Gesichtspunkt beim Begriff der Wahrheit, der Urteilswahrheit): „Und als wesentliches Merkmal des Begriffs von Wahrheit unter dieser Perspektive kristallisiert sich heraus, daß Wahrheit hier als die Leistung des Urteilenden begriffen wird, wenn er in Übereinstimmung mit dem vorgegebenen prädikativen Sein oder Nichtsein (das sich auf Gegenstände gleich welcher ontologischen Verfassung beziehen kann) assertorisch affirmiert oder negiert.“


Albrecht  10.11.2011, 06:27

Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀρχή = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“; darunter ein öffentlicher Vortrag „Über das Gute „ [Περὶ τἀγαθοῦ]) und mit anderen erörtert. Als Prinzip der Einheit verleiht das Eine (ἕν) als Idee des Guten allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte Zweiheit (ἀόριστος δυάς), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικρόν) bezeichnet.

ingesamt zum Thema hilfreich:

Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2006, S. 392 – 429

zum Einen als absolutes Prinzip:

Jens Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen : Untersuchungen zu Platon und Plotin. 2., um einen Forschungsbericht erweiterte Auflage. München ; Leipzig : Saur, 2006, S. 220 – 265

S. 237: „Gutsein bedeutet Geordnetsein als Bestimmtheit durch Einheit.“

S. 240 – 241: „In der intelligiblen Ordnung des Seins, die eint und zugleich entfaltet, manifestiert sich die einheitsstiftende Macht des Guten, des überseienden Guten selbst; wie der Spätdialog “Philebos“ andeutet, der damit nur eine Konzeption der “Politeia“ und des “Parmenides“ weiter ausfaltet und darum in diesem Zusammenhang wohl herangezogen werden darf, zeigt sich die Macht des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ δύναμις) als das Schöne in der Dreiheit seiner Wesenscharaktere Maßbestimmtheit (συμμετρία), Vollkommenheit (κάλλος) und Intelligibilität (ἀλήθεια), die den Ideenkosmos durchgängig bestimmen und in allen seinen Bezügen durchwalten (vgl. Phileb. 64 C- 65 A). Die einheitsstiftende Mächtigkeit des Einen zeigt sich im Seienden durch Maßhaftigkeit (μετριότης) und Maßbestimmtheit (συμμετρία), durch die das Viele, das an sich selbst unbegrenzt (ἄπειρον) und unbestimmt (ἀόριστον) ist und so ins Nichts zergehen müßte, ins Sein geeint wird und Grenze (πέρας) und Bestimmtheit (ὅρος) erhält. Die Maßbestimmtheit seiner Teile, dergemäß jeder Teil jeden andern zum Vorschein kommen läßt, erhält das Viele im Sein, indem sie Einheit in der Vielheit verbürgt, in welcher Einheitt die Teile sich auf das Ganze und das Ganze sich in seinen Teilen auf sich selbst bezieht (vgl. Parm. 157 C – 158 D, spez. 157 C7 - E 3 und 158 C7 – D 2). Das ist aber das Wesen der Schönheit (κάλλος), der Vollkommenheit des κόσμος νοητός, der sein Wesen in vollständiger Ausgeprägtheit und Artikuliertheit besitzt, indem das Ganze und die Teile sich wechselseitig durchdringen und ineinander sind; und dies ist als die Durchlichtetheit, durch die alles Seiende intelligibel ist, zugleich die Wahrheit (ἀλήθεια). Die reinen, harmonischen Verhältnisse zwischen den Ideen selbst aber begründen die Ordnung unserer Welt und die je besondere Arete der einzelnen Seienden in ihr, wie schon aus dem “Gorgias“ erhellt: κόσμος τις ἄρα ἐγγενόμενος ἐν ἑκάστῳ ὁ ἑκάστου οἰκεῖος ἀγαθὸν παρέχει ἕκαστον τῶν ὄντων (Gorg. 506 E 2 – 4). Die Ideen begründen das Gutsein aller Dinge, indem sie mit der spezifischen Ordnung jedes Einzelnen zugleich seine Einfügung in die umfassende Ordnung des Weltganzen bestimmen; in ihr hat jedes Einzelne seinen sinnvollen, festbestimmten Platz.“

Albrecht  10.11.2011, 06:23

Das Schöne ist bei Platon eine Beschaffenheit des Seienden.

Bei der Liebe gibt (nach Symposion 201 d - 212 c) es verschiedene Stufen, das Begehren nach einem schönen Körper, nach einer schönen Seele und schönen Handlungen, nach der Schönheit der Wissenschaften und nach dem Schönen an sich (Einsicht in die Idee).

Das Schöne ist das Sinnlich Anziehende, moralisch Vorzügliche, in seiner Erkenntnis- und Seinsweise besonders Ausgezeichnete.

kurzer Überblick zum Schönen bei Platon:

Glenn W. Most, Schöne (das) I. Antike In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 8: R – Sc. Basel : Schwabe, 1992, Spalte 1344 –1345 Hartmut Westermann, Schönes/Schönheit: In: Platon-Handbuch : Leben, Werk, Wirkung. Herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2009, S. 320 - 323


Um voll zu erfassen, was das Gute, Wahre und Schöne bei Platon bedeutet, ist ein Versuch zum Verstehen seiner Ideenlehre notwendig.

Die Welt der Ideen ist ein Bereich des Seienden, zeitunabhängig, unkörperlich, unwandelbar. Eine Idee kann als innere Form, die spezifische (besondere) Natur (das Wesen) einer Sache verstanden werden.

Ohne Ideen gibt es nach Platons Lehre kein Wissen, keine Erklärung der Wirklichkeit und kein begründbares moralisches Handeln. Das Denken kann nur etwas erfassen, das etwas Bestimmtes ist. Platon versteht diese bestimmte Wesenheit, die Idee (ἰδέα oder εἶδος genannt), als grundlegend. Die Idee ist vom Sein her vorrangig.

Nach der Lehre Platons sind die Ideen wirklich Seiendes, in sich selbst gleiche (mit sich selbst identische) Wesenheiten. Sie gehören zu einer Welt der Ideen, einem Bereich für das Denken einsehbarer Objekte. Die Ideen bilden einen nur geistig erfaßbaren Bereich, an dessen Spitze die Idee des Guten steht. Nach einer Aussage bei Platon ist die Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα Politeia 517 c) sogar kein Sein, sondern das Gute liegt jenseits des Seins und übertrifft es an Alter und Kraft (οὐκ οὐσίας ὄντος τοῦ ἀγαθοῦ, ἀλλ’ ἔτι ἐπέκεινα τῆς οὐσίας πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει ὑπερέχοντος Politeia 509 b).

Im denkbaren Bereich (νόητος γένος/τόπος), einer durch Vernunft einsehbaren Welt, verleiht die Idee des Guten Wahrheit und Sein/Existenz und gibt insofern als Ursache dem Subjekt (eine Person mit Erkenntnisvermögen in der Seele) die Fähigkeit zu Wissen/Erkenntnis. Ein geistiges Licht (in einer Doppelnatur als Wahrheit und Sein) ist das vermittelnde Dritte, das Bedingung der Möglichkeit von Erkennen ist.

Die Idee des Guten verursacht als begründende Kraft:

1) Erkennen der Seele

2) Erkanntwerden des Denkbaren/Einsehbaren

3) Einheit von Denkendem und Gedachtem (den Ideen), Denken und Sein, im Erkenntnisvorgang

In Wahrheit und Erkenntnis wie auch im Erkenntnisvermögen in der Seele (Geist/Vernunft) ist etwas von der Art der Idee des Guten enthalten. Dem Erkannten wird von der Idee des Guten Dasein und Wesen zuteil, die Idee des Guten übersteigt aber noch Wesen/Seiendheit/wesenhafte Bestimmtheit (οὐσία) und überragt sie an Alter/Würde und Kraft/Macht. Sie ist Seinsgrund der Ideen wie diese Seinsgrund der Dinge sind.

Die Idee des Guten verleiht nach Platon den Tugenden/Vortrefflichkeiten Funktion und Zweck. Für die das Gerechte Wählenden ist sie das Ziel allen Sterbens und Handelns. Sie ermöglicht ein wertvolles Leben, ein Erfüllungsglück mit objektiv gegebener sittlicher Lebenswahl.

Die Voraussetzung dafür, daß ein Seiendes zu seinem Wesensvollzug brauchbar, tauglich, nützlich und heilsam ist, liegt in seiner Einigkeit und Übereinstimmung mit sich selbst.

Kernstellen sind Platon, Politeia 508a – 509d (Sonnengleichnis); 509d – 511 e (Liniengleichnis); 514 a– 521 b und 539 d – 541 b (Höhlengleichnis):.

Eine Andeutung im „Sonnengleichnis“ (Platon Politeia 508e – 509a):

„Das nun, was dem Erkannten Wahrheit verleiht und dem Erkennenden das Vermögen, sage, sei die Idee des Guten: Denke sie dir als Ursache der Erkenntnis und der Wahrheit, sofern sie erkannt wird; und obwohl beide, Erkenntnis und Wahrheit, etwas so Schönes sind, wirst du sie selbst zu Recht für etwas noch weit Schöneres halten; wie es vorhin richtig war, Licht und Gesichtssinn für sonnenartig zu halten, sie für die Sonne zu halten aber nicht richtig ist, so ist es auch hier richtig, jene beiden für gutartig zu halten, aber unrichtig, eine von beiden sich für gut zu halten, sondern die Beschaffenheit des Guten ist noch höher zu schätzen.

Von einer unvorstellbaren Schönheit, sagte er, sprichst du da, wenn sie Erkenntnis und Wahrheit ermöglicht, selbst aber noch an Schönheit über diesen beiden steht; denn Sinnenlust meinst du damit doch wohl nicht.“

Auch wenn der ehrenwerte Platon diese hehren Begriffe benutzt hat, sind sie unbedingt zu relativieren, weil sie von - fehlerbehafteten - Menschen kreiert wurden. Zudem gäbe es ohne das Schlechte das Gute nicht, ohne das Unwahre nicht das Wahre usw. Und, eine den Menschen übergeordnete, qualifizierte Instanz gibt es nicht. Wenn doch, dann kann sie uns nicht vermitteln, was ethisch gesehen wirklich gut oder schlecht ist. Oder gibt es sie etwa doch ?