Entstand das Leben mehr als einmal?

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Leider sind die spannendsten Fragen auch die, die man nie mit vollständiger Sicherheit beantworten können wird. Wir wissen nicht genau, ob das Leben mehrmals unabhängig voneinander entstanden ist oder ob das ein einmaliger Vorgang war. Allerdings gibt es einige Indizien, auf denen die Lehrmeinung aufbaut.

Zunächst einmal sind die Unterschiede zwischen Wirbeltieren und wirbellosen Tieren für diese Frage irrelevant. Es können aus anorganischer Substanz ja nicht einfach so vielzellige Organismen entstehen, sowohl Weichtiere und Insekten als auch Wirbeltiere gehen also auf wenigzellige und davor auf einzellige Organismen zurück. Da ihr innerer Zellaufbau nahezu deckungsgleich ist, liegt es nahe, dass die Vorfahren der Insekten und der Wirbeltiere bis zu einem bestimmten Punkt identisch waren. Insekten und Wirbeltiere unterscheiden sich, vereinfacht gesehen, lediglich in ihrem Erbgut und der Anordnung ihrer Zellen, während ihre Zellen selbst von innen her identisch sind (auch wenn ihre Form variiert, denn das tut sie selbst innerhalb eines einzelnen Tieres).

Man kann auch weiter zurückgehen. Pilze ähneln den Tieren immer noch ziemlich stark, auch wenn es erste Unterschiede gibt. Zwischen Tieren und Pflanzen treten dann größere Unterschiede auf, was den Zellaufbau angeht. aber dennoch gibt es zwischen tierischen und pflanzlichen Zellen immer noch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede (sie alle enthalten Zellkerne, Mitochondrien und diverse andere Apparate).

Richtig relevant wird die Frage nach dem gemeinsamen Ursprung, wenn man Eukaryoten (Lebewesen mit Zellkern, also Tiere, Pflanzen, Pilze sowie einige andere Stämme) mit einfacheren einzelligen Lebensformen vergleicht, den Bakterien und Archäen. Deren Zellaufbau weicht vom unsrigen recht stark ab, aber wenn man genauer schaut, gibt es dennoch viele Gemeinsamkeiten. So codieren alle Lebewesen ihre Erbinformation mithilfe der DNA, und ihre Proteinbiosynthese läuft immer gleich ab. Auch die unterschiedlichen Formen des Stoffwechsels, z.B. Gärung und Zellatmung funktionieren mit denselben Enzymen. Auch kommt in allen lebenden Zellen das Molekül ATP (Adenotriphosphat) vor, dass immer als Energieträger fungiert. Die Lebewesen stimmen sogar in der Händigkeit ihrer grundlegenden Moleküle überein (viele Moleküle gibt es zwei Ausführungen, die sich verhalten wie Bild und Spiegelbild, das nennt man Händigkeit), die Mehrzahl aller Aminosäuren in Lebewesen sind L-Aminosäuren und keine D-Aminosäuren, obwohl das auch möglich wäre.

Angesichts all dieser Gemeinsamkeiten wäre eine parallele Entwicklung sehr unwahrscheinlich. Wieso sollte sich exakt dergleiche Proteinbiosyntheseapparat  bei zwei verschiedenen Lebensformen ausbilden, obwohl rein theoretisch auch andere Methoden möglich wären?

Es ist deswegen anzunehmen, dass Bakterien, Archären und Eukaryoten auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen. Viren sind ein Sonderfall, da man sich noch nicht sicher ist, wie ihr Ursprung genau aussieht. Es könnte sich dabei um degenerierte Einzeller handeln, die sich auf intrazellulären Parasitismus spezialisiert haben, oder sie könnten ein früh abgehender Zweig des Lebens sein, der von Anfang an parasitisch lebte. Oder sie könnten sich parallel zu den Lebewesen entwickelt haben, aber dann sind sie zumindest aus der gleichen Quelle hervorgegangen, denn auch sie benutzen DNA oder zumindest ihr Vorläufermolekül, die RNA, die bei den echten Lebewesen andere Aufgaben übernimmt. Aber da sie keinen eigenen Stoffwechsel und damit auch kein ATP, keine Enzyme oder einen Proteinbiosyntheseapparat besitzen, kann man auch keine weiteren Übereinstimmungen mit Lebewesen finden. Aber Unterschiede gibt es eben auch keine weiteren.

Wenn nun alle Lebewesen (und die Viren) vom selben Vorfahren abstammen, ist aber immer noch nicht geklärt, ob das Leben mehrmals entstand. Schließlich könnten die anderen Lebensformen einfach im Laufe der Zeit ausgestorben sein. Das kann man nicht widerlegen, und die Einwände sind theoretischer Natur.

Gegen die mehrfache Entstehung von Leben spricht, dass es zu erwarten wäre, dass einzelne Abkömmlinge eines zweiten Lebensstammbaumes bis heute überlebt haben. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass fast immer einzelne Vertreter einer ausgestorbenen Gruppe bis heute überleben konntne, indem sie sich eine Enklave suchten, wohin ihnen keine Konkurrenten folgen konnte, zum Beispiel auf Inseln oder in der Tiefsee. Da es aber keine Lebewesen gibt, die von den uns bekannten grundsätzlich abweichen, da sie z.B. keine DNA benutzen, liegt der Schluss nahe, dass es solche Lebewesen auch nie auf der Erde gab.

Der zweite Punkt ist, dass vorhandenes Leben eine zweite Lebensentstehung nahezu unmöglich macht, da es die Vorläufermoleküle des Lebens (freischwimmendes Erbgut, Mikrosphären etc.) ohne Gegenwehr auffressen kann. Wenn der zweite Stamm von Lebewesen nicht zur selben Zeit wie unserer entstanden ist, ist er wahrscheinlich auch gar nicht möglich gewesen. Die Frage ist hier allerdings, wie lange die Vorformen der Bakterien brauchten, um den gesamten Planeten zu erschließen und damit eine zweite Lebensentstehung überall auf der Erde unmöglich zu machen. Je kürzer das gedauert hat, desto kürzer war auch das mögliche Zeitfenster für eine zweite Lebensentstehung, und desto unwahrscheinlicher wird sie.

Als Quellen könnte ich nur allgemeine Texte über die Abiogenese angeben. Wie ich ja geschrieben habe, gibt es kaum greifbare Erkenntnisse über eine mögliche zweite Lebensentstehung, deshalb kann man darüber auch keinen Artikel schreiben, der für Laien interessant wäre. In den meisten Texten wird die Möglichkeit einer parallelen Entwicklung aber zumindest angesprochen.


DasMueh 
Beitragsersteller
 22.12.2015, 08:24

Danke, super Antwort. Jetzt muss nur die ESA endlich mal Susi auf den Mond Europa schießen und dann will ich wissen, was da unter dem Eis wartet. Aber das ist ein anderes Thema  ;-)

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DiegoderAeltere  23.12.2015, 19:15
@DasMueh

Danke für den Stern! Ja, auf neue Erkenntnisse zu Europa darf man gespannt sein. In der Astronomie muss man auf neue Erkenntnisse aber nun mal etwas länger warten.

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Das Leben ist mindestens 3,8 Mrd. Jahre alt und alles Leben hat die gleiche Grundlage - die DNA bzw. RNA bei einigen Viren.

Für den Ursprung der Viren, die oft auch nicht als klassische Lebewesen eingestuft werden gibt es drei große Theorien https://de.wikipedia.org/wiki/Viren#Ursprung

Es ist natürlich auch möglich, dass Leben parallel an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten unabhängig von einander entstanden ist. Bei der Zeit die es aber schon Leben gibt bzw. gegeben haben kann (bis zu 4,4 Mrd. Jahre) halte ich es auch nicht für sehr unwahrscheinlich, dass sich alles heute bekannte Leben aus nur einer anfänglichen DNA-Struktur entwickelt hat.

Die zufällige Bildung von Aminosäuren, die Grundbausteine von Proteinen und damit auch vom Leben, hat man inzwischen auch unter Urzeitbedingungen nachstellen können.

Ich würde darauf tippen, dass es "mehrfach" geschehen ist und noch immer geschieht....überall dort (sowohl auf der Erde als auch sonstwo im Universum) wo die Bedingungen dafür optimal sind. Ich denke nicht, dass sich die Vielfalt des Lebens aus "einer Urbakterie" entwickelt hat, sondern schon eher, dass es diverse "Hotspots" dafür gab und gibt, an denen fortwährend "neues Leben" entsteht, wenn auch in primitivster Form....

Das wäre theoretisch möglich, ich könnte mir aber vorstellen, dass man dann irgendwann und irgendwo Fossilfunde gemacht hätte, die das belegen. Das Leben entsteht ja nur dann neu, wenn es global vollständig zerstört worden ist. Eine Katastrophe, die keinerlei Fossilfunde zurücklässt, hätte wahrscheinlich auch den Erdball vollständig zerstört (z.B. ein Crash von zwei Planeten).

Wie kommst Du auf die Idee, dass die Menschen sich gravierend unterscheiden, die Unterschiede sind doch so gering, wie wenn eine Vogelart gelb gefiedert und eine andere orange gefiedert wäre. Sind verschiedene, an das Klima angepasste Hautfärbungen wirklich eine genetisch gravierende Abweichung?

Aber vielleicht leben ja Aliens unter uns, die sind übrigens immer Montags in Dresden unterwegs. :-)

Wenn man sich mal das Leben sehr genau anguckt, ist es garnicht so verschieden. Pflanzen haben teilweise die selben Zellorganellen wie Tiere. Wenn sich Pflanzen und Tiere unabhängig von einander entwickelt hätten, wäre der Zellaufbau nicht so ähnlich.

Erstaunlich ist, dass alle Lebenwesen (Tiere, Pflanzen, Pilze, Bakterien) einen DNA-Strang haben. Die Proteinbiosynthese funktioniert bei allen Lebewesen sehr ähnlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein komplexer Mechanismus gleich zwei mal völlig unabhängig von einander entstehen kann, halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Im übrigen: Für "Leben" gibt es noch keine einheitliche Definition. So werden Viren von den meisten Wissenschaft nicht als Lebewesen angesehen. Das liegt daran, dass sie keinen eigenen Stoffwechsel haben.