Ellipse und Wegfall von "es" — wird dadurch das Komma vor der Infinitivgruppe fakultativ?

4 Antworten

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Als Kind der alten Rechtschreibung, das Infinitivgruppen grundsätzlich mit Komma(s) abtrennt, weil es besser aussieht und den Satz wunderbar strukturiert, und dem es nie in den Kopf gegangen ist, warum eine eindeutige, umfassende, ausnahmslose Regel ausgetauscht wird gegen einen Mix aus Pflicht und Beliebigkeit, durch den die wenigsten durchblicken, setze ich das Komma natürlich: Schön, dich zu sehen! (Übrigens kein Zweifel bei der alten Rechtschreibung!)

Deine Frage treibt mich seit gestern um – danke dafür! Deine Frage macht der Plattform alle Ehre! (Und das tun nicht so viele...)

Dass ich das Komma setzen darf, ist klar. Ob man das Komma aber auch weglassen könnte, wenn man denn wollte, weiß ich tatsächlich nicht.

Ich habe das Amtliche Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung in der aktuellen Fassung quergelesen und die Kapitel zur Kommasetzung genauer, habe auf den Seiten des Duden und auf diversen anderen Seiten recherchiert – nichts.

Ungekürzt wäre die Antwort klar: Es ist schön, dich zu sehen! Das Hinweiswort "es" macht die Abtrennung der Infinitivgruppe notwendig. Verkürze ich allerdings den übergeordneten Satz zu einer Ellipse, verschwindet das Hinweiswort. Muss ich es mir nun dazudenken oder gehe ich nur von dem aus, was mir der Satz bietet (bzw. hier nicht bietet, nämlich das Hinweiswort)?

Auf der Komma-Seite des Duden finde ich unter D120 nur 

Sonst gelten für verkürzte Teilsätze dieselben Richtlinien wie bei vollständigen Sätzen.
ZUM BEISPIEL
- Vielleicht, dass er noch eintrifft.
- Ende gut, alles gut.

Wenn ich dies nun auch auf verkürzte Teilsätze in Verbindung mit Infinitivgruppen beziehe, stellt sich mir weiterhin die Frage, ob ich von einem vollständigen Satz ausgehen muss, den ich im Geiste vervollständige (und in den ich dann das Komma setzen muss), oder ausschließlich vom Material des Satzes.

Ich habe deshalb den Rechtschreibrat um Rat gebeten und werde dir die Antwort zukommen lassen, wenn ich eine bekomme! Bis dahin im Zweifel mit Komma, das ist auf jeden Fall richtig! =)

Schön, dich zu lesen!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Es gibt keinen Anspruch auf Dank. Ich freu mich nur darüber.

Caurus 
Beitragsersteller
 17.01.2022, 19:02

Danke für deine Mühe, LottaKirsch! Ich hoffe, ich hatte dich nicht unter Druck gesetzt, mir zu antworten, denn es war ja sehr viel Recherche dafür nötig.

Ich finde das weiterhin ein sehr spannendes Thema und hoffe, dass der Rechtschreibrat antwortet. (Mit der Vergabe der "hilfreichsten Antwort" werde ich noch auf deine eventuelle zweite Antwort warten.)

Kannst du dir erklären, warum das mit den Kommas bei Infinitivgruppen mit der Rechtschreibreform überhaupt geändert wurde?

Schön, einen solchen Experten wie dich auf gutefrage zu haben!

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LottaKirsch  20.01.2022, 16:13
@Caurus

Tadaaaaa! Ich hab Antwort:

Das Thema der Ellipsen ist in der Tat sehr komplex und erlaubt in der Regel einen gewissen Spielraum, da es eben häufig unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten und auch -spielräume gibt. Daher sind auch so klare Regeln [...] kaum zu geben. Denn auch bei Ellipsen ist keineswegs so klar gesagt, dass sie als verkürzte Sätze immer mit Komma abgetrennt werden müssen: § 76 besagt, dass man „bei formelhaften Nebensätzen“ das Komma weglassen kann (etwa „Wie bereits besagt(,) …“ oder „…(,) wenn möglich(,) …“). Auch in anderen Fällen gibt es oft einen Interpretationsspielraum, sodass das Setzen der Kommas im Einzelfall abgewogen werden muss (etwa bei mehrteiligen Konjunktionen oder bei Zusätzen und Nachträgen).
In Ihrem Beispiel liegt die Interpretation als Auslassungssatz (entsprechend mit einem hinweisenden Wort) allerdings so nahe, dass man das Komma setzen sollte, wie Sie es ja auch intuitiv tun würden. Da das Kapitel der Zeichensetzung im Amtlichen Regelwerk aber ohnehin zurzeit grundsätzlich überarbeitet wird, werden wir Ihre Anregung aufnehmen und in der Überarbeitung berücksichtigen.

Also musst du noch kein Komma setzen, aber vielleicht bald =)

Den letzten Rechtschreibreformen wurde auf die Fahnen geschrieben, das Schreiben zu erleichtern, und das offenbar ganz nach dem Motto "Weniger ist mehr." Ich persönlich halte die Reform der Kommasetzung bei Infinitivgruppen aber für ein Erschwernis beim Schreiben, zumal die obligatorische Kommasetzung gelehrt wird und die fakultative nur erwähnt.

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LottaKirsch  20.01.2022, 21:01

Danke für den Stern! 🍒

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Ein erweiterter Infinitiv mit Hinweiswort wie "es" muss mit Komma abgetrennt werden.

Dies gilt auch für Ellipsen, bei denen das Hinweiswort fehlt, aber gedanklich ergänzt werden muss. Verkürzte Sätze folgen hier den gleichen Regeln wie die vollständigen Sätze.

Im Zweifel also mit Komma.


Caurus 
Beitragsersteller
 17.01.2022, 19:27
Dies gilt auch für Ellipsen, bei denen das Hinweiswort fehlt, aber gedanklich ergänzt werden muss. Verkürzte Sätze folgen hier den gleichen Regeln wie die vollständigen Sätze.

Danke. Mich würde interessieren, woher du diese Information beziehst.

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Kajjo  17.01.2022, 19:42
@Caurus

Hm, ich habe das einfach ohne Recherche aus meinen Wissen entnommen.

Aber ich folge dem Duden-Zitat von LottaKirsch, der bei D120 den Zusatz gefunden hat:

Sonst gelten für verkürzte Teilsätze dieselben Richtlinien wie bei vollständigen Sätzen.



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Du hast in soweit Recht, als dass das "es" das Komma vor einem erweiterten Infinitiv nötig macht. Dein Beispiel ohne das "es" ist aber ein wenig anders. Du lässt ja nicht einfach das "es" weg, sondern den ganzen Satz, inklusive des Verbs. Für solche eher mündlichen Äußerungen gibt es meines Wissens keine expliziten Regeln im aktuellen Regelwerk, von daher würde ich immer empfehlen, das Komma wie im "vollständigen" Satz zu setzen.

Wenn du deinen Satz aber so umstellst, dass das "es" wegfällt und der Ganzsatz erhalten bleibt, dann wäre das Komma plötzlich fakultativ - Magie! ;)

--> Dich hier anzutreffen[,] ist schön!

Egal, ob Ellipse oder Satz: Der erweiterte Infinitiv mit zu wird mit Komma abgetrennt.


Caurus 
Beitragsersteller
 16.01.2022, 17:59

Das muss nicht immer so sein, manchmal ist es fakultativ. Aber danke trotzdem.

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Koschutnig  16.01.2022, 18:07

Leider ist dieses vernünftige, weil grundlegende Prinzip durch die Rechtschreibreformer außer Kraft gesetzt worden, s.a.§ 75 https://www.rechtschreibrat 2018.pdf

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Nadelwald75  16.01.2022, 18:17
@Koschutnig

Stimmt leider.

In deinem Link steht aber zumindest:

E2: In den Fällen, die nicht durch § 75(1) bis (3) geregelt sind, kann ein Komma gesetzt werden, um die Gliederung deutlich zu machen bzw. um Missverständnisse auszuschließen.

Im genannten Fall oben ist es also freigestellt.

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Koschutnig  17.01.2022, 10:40
@Nadelwald75

Für einen Deutschlehrer, der schriftliche Arbeiten zu korrigieren hat, müssen solche undeutlichen Regelungen grauenhaft sein!

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