Cicero, de re publica?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Also zwei Sachen vorweg:

1. (in dieser <=> in welcher) ist, wenn man Cicero im Original übersetzt, nicht mehr wirklich diskussionswürdig. So viel übersetzerische Freiheit sollte man euch (in Klasse 11? 12?) einräumen.

Um es am Beispiel zu belegen:

Deshalb hat die Freiheit in keiner Bürgerschaft - wenn nicht die Macht des Volkes in dieser sehr groß ist - ...

=

Deshalb hat die Freiheit in keiner Bürgerschaft - außer in welcher die Macht des Volkes sehr groß ist - ...

Das ist inhaltlich gleichwertig und die erste Variante (mit "dieser") ist im Deutschen für mein Sprachempfinden sogar die idiomatischere. D.h. für dieser/welcher dürfte man dir keinen Fehler geben.

Wenn man es ganz genau nimmt, müsste man sogar für beide Varianten einen Fehler geben, weil "in qua" hier eigentlich ein "in aliqua" ist, dessen Präfix aufgrund des vorangegangenen nisi entfallen ist.

2. Deine Übersetzung verdient definitiv keinen Literaturnobelpreis. Da sind wir uns sicher einig. Die ist ziemlich schwurbelig und nicht ansatzweise so elegant wie das lateinische Original.

Zur Sache:

Deine Übersetzung hat tatsächlich einen Fehler: Dein Demonstrativpronomen "in dieser" ist weiblich und hat deswegen ein weibliches Bezugswort. Das ist in der deutschen Sprache dann das letztgenannte weibliche Substantiv (=> die Wohnstätte).

Und das ist der Fehler: Es muss sich auf civitas (=> die Bürgerschaft) beziehen.

Du hättest in deiner Übersetzung also entweder:

• den Kondtionalsatz direkt hinter "Bürgerschaft" einpflegen müssen oder

• das Wort "Wohnstätte" (weiblich) durch Zuhause (neutrum) oder Domizil (neutrum) ersetzen müssen, um wieder die Bürgerschaft zum letzten weiblichen Substantiv vor dem Konditionalsatz zu machen.

Mein Rat:

Ich weiß nicht, wie es in deinem Bundesland geregelt ist: Bei uns (NiSa) sind derartige sog. "Beziehungsfehler" i.d.R. halbe Fehler. Erst Recht, wenn sie wie hier auf einem muttersprachlichen Fehler und nicht unbedingt auf einem Übersetzungsfehler beruhen.

Sprich, wenn dieser halbe Fehler deine Note verbessern würde, noch einmal mit deinem Lehrer und stell ihm den Satz vor. Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Wenn ich denselben Unsinn 25x gelesen habe, unterlaufen mir beim Korrigieren bisweilen auch Fehler. Errare humanum est.

VG

Von Experten Willy1729 und Miraculix84 bestätigt

Deine Übersetzung ist ein wenig falsch.

Eigentlich steht da:

Deshalb ist nur in einem Staat, in dem die Gewalt des Volkes die höchste (aller Gewalten) ist, die Freiheit zuhause.

Ich glaube, ich habe dein Problem gefunden: Du darfst nisī hier nicht als "wenn nicht" verstehen, denn dann müsstest du das qua tatsächlich als relativen Satzanschluss auffassen. Aber nach nōn (oder nūllus) heißt nisī häufig, wie auch hier, "außer", und "nicht" + "außer" ergeben zusammen die Bedeutung "nur", und so sollte man hier auch übersetzen, um sich bei der Einleitung des Relativsatzes nicht verrenken zu müssen.

Wenn du die doppelte Verneinung beibehalten wolltest, müsstest du etwa wie folgt übersetzen:

Deshalb hat in keinem Staat, außer in einem, in dem die Gewalt des Volkes die höchste ist, die Freiheit eine Wohnstatt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich studiere lateinische Philologie.

Miraculix84  23.03.2022, 21:34

Der korrigierende Kollege hat, wenn er sich hier an "in dieser" stört, aber "in welcher" durchgehen lässt, völlig verkannt, dass es im Original eigentlich ein "nisi in [ali]qua" sein müsste. Ich habe dazu nur diesen politisch inkorrekte Merkspruch aus meiner Jugend im Ohr, aber im Menge oder RHH wird es sicher auch drinstehen. 😂

Ob man nun...

[...], wenn nicht in irgendeinem [Staat] die Gewalt des Volkes sehr hoch ist, [...]

oder

- außer in irgendeinem [Staat] ist die Gewalt des Volkes sehr hoch -

übersetzt, ist inhaltlich eigentlich egal. Einmal ist's ein Nebensatz; einmal ist's eine Parenthese.

Ich finde die Übersetzung des Fragestellers, wenn man vom Beziehungsfehler absieht, ok.

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vxkey  23.03.2022, 22:01
@Miraculix84

Bei Powell (Oxford) findet man Folgendes (der Text ist sonnenklar, ohne Varianten)

Itaque nulla alia in civitate, nisi in qua populi potestas summa est, ullum domicilium libertas habet;

Mir scheint hier das alia eine Deutung des qua als Indefinitpronomen eher auszuschließen.

Das Ganze übersetzte Moser (1828) wie folgt:

Darum hat (im Grunde) die Freiheit in keinem anderen Staat ihre (eigentliche) Heimat, als wo das Volk der Souverän ist.

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Miraculix84  23.03.2022, 22:07
@vxkey

Ja, mit alia wird's anders. Ich hatte nicht nach dem Original gegoogelt.

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