Besonderheiten von germanischen Sprachen?

2 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Manche Romanische Sprachen haben auch drei Geschlechter (Neapolitanisch, Ru­mä­nisch), und umgekehrt haben viele germanische nur zwei (Schwedisch, Dänisch) oder sind am Weg dazu — Englisch ist ja schon fast geschlechtslos.

Umgekehrt hat z.B. Bulgarisch einen Artikel, obwohl es slavisch ist.

Du siehst, daß es auch innerhalb dieser Gruppen Ausreißer gibt, entweder durch Bei­behaltung alter Merkmale, die die Mehrheit verloren hat (drei Genera), oder durch Auf­nahme von Elementen anderer Sprachen (im Balkan-Sprachbund haben die mei­sten Sprachen irgendeine Form von Artikel, der dem Substantiv angehängt wird).

Germanische Sprachen haben, außer den ganzen lautlichen Besonderheiten, ein paar Gemeinsamkeiten in der Grammatik, die sich innerhalb des germanischen Zweiges entwickelt haben und die man daher im Rest der indogermanischen Sprachen nicht sieht:

  1. Der Unterschied zwischen starken und schwachen Verben, mit unterschiedlicher Konjugation im Präteritum (er kam vs. er sagte), und ein paar Verben, die es im Präsens so machen wie starke Verben im Präteritum (er kann vs. er sagt).
  2. Der Verb-Zweitstellung im Hauptsatz
  3. Starke und schwache Adjektivdeklination (das große Haus vs. ein großes Haus)
  4. Ursprünglich 5 Kasus und drei Genera, mit einer Tendenz zur Reduktion über die Zeit.
  5. Theoretisch gehört auch das deutsche Perfekt dazu, aber das wurde von all den westromanischen Sprachen übernommen.

In manchen germanischen Sprachen sind diese Merkmale nicht mehr zu sehen, weil sie von späteren Entwicklungen überlagert wurden. Das trifft besonders aufs Engli­sche zu, das soviel Flexion verloren hat, daß von Punkt 1 nur noch he can vs. he says übrigbleibt, und von Punkt 2 und 3 gar nichts. Aber natürlich sieht man all diese Merk­male, wenn man in der Zeit zurückgeht, am besten bis zum Altenglischen (⪅1000 n.Chr.)

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Anonymus4510 
Beitragsersteller
 07.10.2023, 21:24

Über Rumänisch und Bulgarisch war mir bewusst, wollte nur verallgemeinern. Und erkläre mir bitte Punkte 2 und 3.

indiachinacook  07.10.2023, 22:11
@Anonymus4510

Germanische Sprachen haben eine Tendenz, das finite Verb an die zweite Stelle im Satz zu setzen. An erster Stelle steht oft das Subjekt, aber wenn etwas anderes an seine Stelle tritt, dann wandert das Subjekt hinters Verb.

In den Indogermanischen Sprachen werden Adjektive gewöhnlich in Kasus, Numerus und Genus mit dem Substantiv übereingestimmt. Die germanischen Sprachen unterscheiden aber zusätzlich zwischen starker und schwacher Deklination bei Adjektiven, letztere wird ausgelöstt, sobald ein Pronomen o.ä. vor die ganze Wortgruppe tritt (aber die Details sind tricky).

Von Experte indiachinacook bestätigt

Deutsch und Isländisch/Färöisch haben 3 Geschlechter, andere hatten auch mal 3, haben diese aber reduziert, z.B. Schwedisch hat nur noch 2, Englisch nur noch 1 Geschlecht (abgesehen von den Personalpronomina).

Nominativ/Genitiv/Dativ/Akkusativ finden sich im Deutschen (und auch im Isländischen/Färöischen) - andere haben auch das Kasussystem reduziert, im Schwedischen unterscheidet man nur noch Genitiv von den anderen Formen, ähnlich im Englischen (mittels 's gebildet).

Im Schwedischen gibt es bei den Personalpronomina drei Formen (han/hans/honom), diese entsprechen (er/sein/ihm bzw. ihn). Da ist ein "Restbestand" des Dativs erkennbar (honom/ihm), der ansonsten fehlt. Im Englischen ganz entsprechend (he/his/him).

Deutsch hat bestimmte und unbestimmte Artikel. Isländisch kennt keinen unbestimmten Artikel, wohl aber einen bestimmten Artikel. In den norgermanischen Sprachen kann (oder muss) der bestimmte Artikel agglutiniert werden (auch im Schwedischen, was aber auch einen unbestimmten vorangestellten Artikel kennt wie im Deutschen).