Angst vorm tschüss sagen, warum?
Hallo, Hallo, Hallöchen.
Seid einiger Zeit versuche ich mich mit mir selbst Stück für Stück auseinander zusetzen. Ich habe schon viel erlebt sowohl gutes als auch schlechtes, doch in letzter Zeit fallen mir immer bewusster Ticks auf, die schon länger vorhanden sind mir nur noch nie bewusst gewesen sind.
Mir ist jedenfalls aufgefallen das ich mich nicht verabschieden kann. Sobald ich telefoniere beende ich das Gespräch, und lege einfach auf ohne das einer von beiden sich verabschieden konnte.
Oder bei regulären treffen, gehe ich lieber sofort anstatt mich zu verabschieden, aber so richtig aufgefallen ist es mir seid dem ich einen neuen Freund habe.
Er macht gerade seine Ausbildung und muss für seine Berufsschule einige Zeit und einige Kilometer weit weg, bis auf heute konnte ich eine Verabschiedung immer vermeiden, doch heute kam es dazu. Ich war im ersten Moment klar traurig das er geht, doch als er dann weg war wahren alle meine emotionen weg, herunter gefahren.
Ich habe nicht das Gefühl ihn wieder sehen zu müssen, und sämtliches schreiben fällt mir schwer. Obwohl wir absolut nie Streit haben, alles super easy läuft und wir immer verdammt Glücklich sind und wahren.
Eine kleine Erklärung woher dies kommen könnte wäre super hilfreich, dass einzige was ich weiß ist das es definitv nicht an ihm liegt. Ich verabschiede mich nur selten.
Liebe Grüße und danke im voraus.
2 Antworten
Das jetzt psychologisch aufzuarbeiten ist mir nicht möglich. Aber ich hatte die Diskussion mit meinen Kindern: warum muß man denn "Guten Morgen" sagen, warum "Danke" oder eben auch "Tschüß"? Das geht doch auch ohne.
Ich habe meinen Kindern erklärt, dass Höflichkeitsfloskeln der Kitt sind, der uns zusammenhält. Es ist nur eine sehr kleine Mühe, morgens beim betreten des Raumes "Guten Morgen" zu sagen, aber es zeigt den schon anwesenden Personen: "ich habe Euch wahrgenommen, Ihr seid mir wichtig, ich möchte mit Euch in Kontakt treten". Man kann solche Grußfloskeln ja auch sehr unterschiedlich aussprechen: vom durch die Zähne geknurrten "morg'n" bis zum mit einem strahlenden Lächeln gesprochenen "Guten Morgen" liegt eine große Spannweite an Gefühlen.
Dieses "wahrgenommen zu werden" ist für uns Menschen extrem wichtig. Menschen, die ignoriert werden, gehen psychisch daran zu Grunde. Aus Beschreibungen von Gefangenenlagern kennt man die Methode, dass Gefangene niemanden ansehen dürfen, nicht ihre Aufseher, aber auch keine Mitgefangenen. Man nimmt ihnen hier genau das: die Möglichkeit, sich gegenseitig wahrzunehmen, das eigene Gefühl, wahrgenommen zu werden. Das ist höchste Grausamkeit.
Eine Verabschiedung ist genau so wichtig. Es signalisiert dem Anderen: "Ich war gern mit Dir zusammen, ich bin traurig, dass wir uns jetzt trennen müssen. Ich würde Dich gern wiedersehen." Leider ist unsere Kultur des Verabschiedens ja sehr verarmt, so ein "Tschüß" ist sehr flüchtig. Das hat etwas mit unseren schnellen Transportmitteln zu tun, der Häufigkeit von Abschieden und dem häufigen Wechsel von Kontakten an jedem Tag. Gab man früher einem gehenden Freund noch einen Segenswunsch mit auf den Weg, sagte man in meiner Kinderzeit noch "Auf Wiedersehen", so ist es heute eben nur noch "Tschüß". Aber wenigstens das ist noch wichtig, diese kleine Anerkennung der Trennung, diese kurze Wertschätzung der gemeinsamen Zeit, des Gehens und hoffentlich Wiederkommens.
Vielleicht denkst Du für Dich einmal darüber nach, was in Dir eine Rolle spielt, wenn Du Dich nicht verabschieden kannst: Eine innere Weigerung, den Abschied anzuerkennen? Ein Gefühl von Leere? EIn Gefühl von Unsicherheit der Situation gegenüber? Oder eine Unsicherheit, wie Deine Gefühle dem sich Verabschiedenden gegenüber sind?
Verabschieden zeigt einen gewissen Respekt vor der Person ist also immer hilfreich inwieweit du dich verabschieden willst ist dir überlassen aber alles andere ist sehr unfreundlich