Abduktion?

7 Antworten

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Deduktion: ok

Induktion: Stimmt, da kann man einen Fehlschluss erleiden.

Vollständige Induktion: Das wird in Mathe für Beweise gerne verwendet. Mit der Annnahme, dass eine Gleichung für eine natürliche Zahl N gelte, zeigt man durch Umformungen, dass sie dann auch für N+1 gilt. Wenn Du dann noch die Gleichung für den Spezialfall N=1 beweist, der Spezialfall ist oft einfach, dann weißt Du, sie gilt auch für N=2, daraus folgt sie gilt auch für N=3 und so weiter. Also gilt die Gleichung für alle natürlichen Zahlen. Das nennt sich dann vollständige Induktion. Die ist logisch sicher und wenn Du keinen Rechenfehler gemacht hast gibts auch keine Fehlschlüsse.

Abduktion: Der Versuch, aus der Kombination einer Beobachtung mit Wissen, eine Regel abzuleiten. Das macht jeder Wissenschaftler, insbesondere wenn er von einer Beobachtung überrascht ist: Beispiel: Ich beobachte, alle Kugeln auf dem Tisch sind rot. Ich weiß, dass alle Kugeln in der Urne rot sind. Abduktion: Die Kugeln auf dem Tisch kommen aus der Urne. Das ist logisch nicht sicher, die Kugeln könnten auch woanders herkommen, wo auch rote Kugeln liegen. Aber es liegt nahe, dass sie aus der Urne mit den roten Kugeln kommen könnten und liefert so eine Hypothese. Diese Hypothese kann man jetzt als Arbeitsgrundlage verwenden, man kann sich Experimente ausdenken, mit der die Richtigkeit überprüft wird, etc. Insofern hat die Abduktion trotz ihrer fehlenden logischen Schlüssigkeit einen wichtigen Platz in der Wissenschaft.

Falls du englisch kannst gibt es hier einen ausführlichen Artikel zum Thema:

http://plato.stanford.edu/entries/abduction/

Bei deinem Beispiel fällt mir keine Möglichkeit ein, Abduktion anzuwenden. Die Farbe der Kugeln müsste einen Erklärungswert haben. Ein Beispiel, das nichts mit Kugeln zu tun hat, wäre Differenzialdiagnose.


DarkSepia  07.04.2013, 00:42

Dieses Szenario hat mit Kugeln zu tun:

Stell dir vor, dir erzählt jemand, dass das Glas nur rote Kugeln enthält. Wie kannst du diese Aussage am besten erklären?

Vielleicht ist sie eine Lüge.

Vielleicht ist sie ein Scherz.

Vielleicht versteht der Behaupter nicht, was er meint und hält Wasser für rote Kugeln.

Vielleicht befinden sich wirklich rote Kugeln im Becher.

Vielleicht fällt uns die richtige Erklärung nicht ein.

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Man muss hin und wieder zugeben, dass Philosophie ein besserer Name für Erbsenzählerei ist oder das unendliche Entwickeln von Ordnern und Unterordnern. Das ist beim Sortieren der Realitätsbeobachtungen sicher hilfreich, kann aber auch immer mal übertrieben werden, wenn die Zahl der Unterordner so unübersichtlich wird wie die Fülle der Realitätsbeobachtungen selbst.

Charles Sander Peirce hat also den Prozess des wissenschaftlichen Schlussfolgerns statt in zwei (Induction, Deduction) nun unter Einführung von Abduction in drei Teile zerlegt. Wenn man im wissenschaftlichen Forschen nie vor völlig neuen Problemen steht, sondern oft relativ gesicherte Theorien hat und ein Problem, das ein mit einer bekannten Theorie Verknüpftes sein könnten, kann ich, statt das Problem mit neuen Theorien anzugehen prüfen, ob es sich um eine Situation handelt, in der ein Sonderfall einer bekannten Theorie vorliegt. Defaetist hat das im zweiten Abschnitt seiner Antwort mit dem Kugelbeispiel beschrieben.

Jetzt ist aber die Frage, was die Frage ist. Will ich überhaupt wissen, wo die roten Kugeln auf dem Tisch herkommen oder reduziere ich die Frage auf den Aspekt, ob sie aus dem Becher mit den roten Kugeln stammen. Wenn ich aber generell wissen will, woher die roten Kugeln auf dem Tisch kommen, ist die Frage, wie weit sie auch aus dem roten Becher stammen, darin eingeschlossen. Jetzt stellt sich die Frage, warum ich dazu eine Extraschublade machen sollte, wenn diese Frage sowieso mitgeklärt wird. So lieb mir Charles Sander Peirce ist, in diesem Fall hat er die Philosophie nur um eine überflüssige Frage bereichtert mit dem Vorteil, dass über dieses unnütze Thema wieder viele aufgeblähte Doktorarbeiten geschrieben werden können.

Abduktion ist in medizinischen Begriffen eine Bewegung vom Körper weg im Gegensatz zur Adduktion. Während die Adduktoren unseres Körpers mit zu den stärksten Muskeln gehören, weil sie verhindern, dass wir "die Grätsche machen" sind Abduktoren im Normalfall schwächer ausgebildet. Abduktion scheint im lateinischen Ursinn etwas wegführendes zu besitzen, ähnlich der Abstraktion. Die Bedeutung die der Erfinder dieser Kategorie ihr beimisst sollte also eher im englisch amerikanischen Wortsinn gesucht werden. Nun hat schon jemand "Entführung" übersetzt. Eventuell mit Pons Da bekomme ich das gleiche Ergebnis. Aus dem Latein übersetzt ebenfalls, aber auch auch Zurückgezogenheit und Einsamkeit oder das Abführen während einer Verhaftung. Soviel zu Wörterbüchern.

Wenn ich Defätists Erklärung der Abduktion hernehme, beweist sie nichts, sondern stellt eine Wahrscheinlichkeit auf. Eine Wahrscheinlichkeit die wir Menschen im beschriebenen Fall als Faktum nehmen würden. Die Abduktion stellt also den Automatismus dar, der die Panik eines Einbrechers mit seiner Beobachtung von Polizeiautos mit Blaulicht in seiner Nähe verbindet, selbst wenn heute die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass nur eine Verkehrskontrolle statt findet. Das Induzieren einer (irreführenden) Abduktion im Verstand eines Gegenüber ist die maßgebliche Tätigkeit von Zauberkünstlern aber auch Trickbetrügern, Filmregisseuren und Romanautoren, Politikern und anderen Berufsgruppen. In sofern erscheint mir die Abduktion als Element der Erkenntnis eher ungeeignet. Das klingt wie auf Sand bauen... Dort wo sie wissenschaftlich funktioniert, also in den Fällen wo der Wissenschaftler eine Beobachtung mit seinem gesamten relevanten Erfahrungsschatz abgleicht ist das doch wieder eine Deduktion. Mag sein ich habe die Funktion begriffen, aber der Sinn entgeht mir.


Defaetist  07.04.2013, 20:56

In der Anatomie kennst Du Dich besser aus, ich denke Du hast da Recht. Im zweiten Abschnitt hätte ich gesagt, beschreibst Du etwas, dass ich eher als Assoziation bezeichnen würde.

Zur Bedeutung in der Logik: Die Abduktion beweist nichts, das ist korrekt. Sie stellt nichteinmal eine Wahrscheinlichkeit auf, sondern eine Hypothese. Woher sollte man wissen, wie wahrscheinlich eine geratene Aussage zutrifft?

Vielleicht wirds mit einem Beispiel klarer: Du erinnerst Dich an Newtons Apfel? Dieser fiel ihm aufs Haupt und er fragte sich, warum der Apfel nach unten und nicht seitwärts fällt. Er abduzierte, dass sich möglicherweise Massen gegenseitig anziehen.Diese Hypothese kann man jetzt anhand von Fakten verifizieren. Jetzt kann man verstehen, warum man auf der Südhalbkugel nicht von der Erde fällt, man kann die Keplerschen Gesetze, die damals empirisch beobachtet wurden, mit Hilfe des Gravitationsgesetzes herleiten, und je mehr Beispiele man findet, die mit dieser Hypothese im Einklang sind, desto sicherer wird man, dass sie stimmt. Wenn Du den Abduktionsschritt weglässt, gibt es keine Theorie, die Du überprüfen kannst...

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kahalla  09.06.2013, 14:38
@Defaetist

Ja, das erklärt die Abduktion wesentlich besser als dein obiger Text. Danke!

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