Wann verschwanden die Feldschlachten?

11 Antworten

Das war ein fließender Übergang, der mit der Entwicklung der Waffentechnik zu tun hat. Offen in Reihen mussten sich die Soldaten gegenüberstehen, weil ihre Vorderladergewehre nur im Stehen zu laden waren.

Beim Deutsch-Dänischen Krieg 1864, in der Schlacht bei den Düppeler Schanzen, traten die Dänen nach alter Manier in offener Feldschlacht mit Vorderladergewehren an, während die preußische Armee bereits mit den neusten Hinterladergewehren ausgerüstet war. Die hatten meherer Vorteile, aber der wichtigste war, dass man sie auch liegend hinter einer Deckung nachladen konnte. Dadurch traten die preußischen Soldaten erstmals nicht mehr in offenen Reihen stehend gegen den Gegner an und brachten der dänischen Armee eine verheerende Niederlage bei.

Schnell rüsteten alle europäischen Armeen ihre Infanterie ebenfalls mit Hinterladergewehren aus. So auch die Franzosen. So trat bei den ersten Schlachten im Krieg 1870/71 die Infanterie nicht mehr offen in geschlossenen Reihen an, sondern die Verteidiger suchten liegend Deckung. Es fanden aber immer noch Sturmangriffe nach alter Manier statt, indem die Angreifer nach vorne rannten, um die Verteidigungslinien zu überrennen und im Nahkampf mit Bajonetten den Gegner zu bekämpfen. So z.B. auch noch bei der Schlacht von Weißenburg im August 1870.

So fing auch die Schlacht bei Sedan an. Im Laufe dieser Schlacht fand dann aber das Ereignis statt, nach dem du suchst. Die Preußen hatten ihre Artillerie mit den ganz neu erfundenen Hinterladerkanonen aus Stahlguss von Krupp ausgerüstet, während die Franzosen noch mit alten Vorderladerkanonen aus Bronzeguss ausgerüstet waren. Die Vorderladerkanonen waren Teil offener Feldschlachten, da sie nur eine geringe Reichweite hatten und mit massiven Kugeln schossen. Die Hinterladerkanonen von Krupp wurden mit Explosivgeschossen mit Aufschlagzündern oder mit Kartätschen (Schrottgeschosse) geladen und hatten eine Schussentfernung von über 3 km.

So blieben die Preußen und die Bayern weit genug entfernt von den französischen Linien, sodass es gar nicht mehr zu einer offenen Feldschlacht kommen konnte, bei der man dem Gegner noch ins Auge blicken konnte. Die Preußen und Bayern versammelten mehrere hundert dieser neuen Kanonen und begannen um die Mittagszeit des 1. September 1870 massiv und im Kreuzfeuer die französischen Linien und Verteidigungstellungen zu beschießen. Die Franzosen hatten dem nichts mehr entgegen zu setzen und flüchteten in Panik vom Schlachtfeld, sodass die deutschen Armeen einen großen Sieg errangen.


Likatier  15.08.2024, 14:17

Ausgezeichneter und fundierter Beitrag. 👌

Nur eine kleine Berichtigung/Ergänzung:

Kartätsch-Geschosse (oder auch Traubenhagel) waren "Schrotschüsse" aus Kanonen und wurde auf kurze Distanz, etwa zur Sturmabwehr oder Selbstverteidigung der Artilleristen geschossen. Diese gab es auch schon bei den Vorderladern.

Das Schrapnellgeschoß hingegen war mit einem Zeitzünder versehen und sollte Kugeln oder Splitter erst kurz über dem Einschlagpunkt in größerer Distanz freisetzen und dort wie eine Kartätsche aus der Luft wirken.
Auch dieses wurde bereits mit Vorderladern eingesetzt, funktionierte aber erst so richtig mit gezogenen Läufen/Hinterladern und mit Fortschreiten der Zündertechnik (einstellbare Zeitzünder).

https://de.wikipedia.org/wiki/Schrapnell

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Hamburger02  15.08.2024, 14:58
@Likatier

Danke für die Ergänzung. Soweit ich weiß wurden bei dem entscheidenden Artillerieschlag bei Sedan keine Kartätschen wegen der Entfernung eingesetzt und Schrapnells für die Hinterlader wurden erst kurze Zeit später entwickelt. Die spielten dann im 1. WK eine große Rolle.

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Likatier  15.08.2024, 15:29
@Hamburger02

Gerne.

Das mag sein. Ich kenn mich mit dem Krieg 1870/71 nicht so gut aus wie Du, aber auch meines Wissens erlangten Schrapnellgeschosse ihre Bedeutung erst durch die Entwicklung von zuverlässigen und rel. präszise verstellbare Zeitzündern ("tempirbare" Satzring-Brennzünder) und Doppelzündern im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, was Deine These bestätigt.

Mir ging es um die, zumindest im Deutschen, begriffliche Unterscheidung zwischen Kartätsche (=direkter "Schrotschuß" aus dem Kanonenrohr) und Schrapnell (=weitreichend mit Luftsprengpunkt zur Splitterwirkung über dem Ziel).

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Hamburger02  15.08.2024, 16:20
@Likatier
Mir ging es um die, zumindest im Deutschen, begriffliche Unterscheidung zwischen Kartätsche (=direkter "Schrotschuß" aus dem Kanonenrohr) und Schrapnell (=weitreichend mit Luftsprengpunkt zur Splitterwirkung über dem Ziel).

Da bin ich auch manchmal etwas ungenau.

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Das Verschwand je nach Erfahrung der beteiligten Länder/Armeen früher oder später im Laufe des 19. Jahrhunderts, spätestens jedoch im ersten Weltkrieg.

Grund dafür war einserseits die Weiterentwicklung der Artillerie, wo Hinterlader und Rohrbremsen (Rückstoßdämpfung) eine schnellere Schußfolge ermöglichten, gezogene Rohre präziseres und weitreichenderes Feuer, sowie die Entdeckung der Sprengstoffe, die die Wirkung der Geschosse vervielfachten.

Andererseits für die Infanterie die Erfindung der Patrone, die von hinten (= im Liegen) geladen werden konnte ("Dreyse-Zündnadelgewehr", zuerst von den Preussen eingeführt und entscheidender Faktor zu deren Gewinnen der Schlacht bei Königgrätz 1866 im "Deutschen Bruderkrieg"), was die Feuergeschwindigkeit um etwa das fünffache erhöhte und ein Laden in Deckung ermöglichte, und später die Erfindung des Maschinengewehres, perfektioniert in Anwendung mit Stacheldrahtsperren.

Ein Ende dieser Ära ("offene Feldschlachten") war, wenn ich mich recht erinnere, eigentlich schon im Deutsch-Französichen Krieg 1870/71 absehbar, wo geschickt eingesetze neuartige Artillerie fürchterliches anrichtete, doch die "alten" Taktiken und Vorstellungen von "ehrenvollem Kämpfen" war immer noch in den Köpfen der militärischen Führer.

Die Briten lernten ihre Lektion in den Burenkriegen (Südafrika, Unabhängikeitskämpfe), wo die Buren äußerst erfolgreich die Konzepte/Taktiken wie Deckung/Tarnung (auch unauffällige Kleidung), Feuer und Beweglichkeit, lose Formationen gegen sie anwandten.

Die Deutschen bzw. ihre mil. Führer und Ausbilder, und auch andere, lernten diese Lektion erst nach furchtbarem Blutzoll während der ersten Monate des ersten Weltkrieges.
Neben den Repetier- und Maschinengewehren i. V. mit Stacheldrahtsperren sorgte der druch die Industrialisierung mögliche massenhafte Einsatz von Artillerie, Grabenmörsern sowie die Erfindung der Handgranate dafür, daß ein Angriff in Formation über eine längere Distanz einem Selbstmordkommando gleich kam, und zwang letztendlich die Truppen in die Gräben.

Erst der Panzer sorgte wieder für etwas Bewegung auf dem Schlachtfeld.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – pensionierter Berufssoldat

Mit Aufkommen des Maschinengewehrs, da machte das keinen richtigen Sinn mehr.

Das Töten wurde perfektioniert; da braucht es nicht mehr so viele Tote auf einem Schlachtfeld.

Man Pulverisiert einfach Städte mitsamt der Bevölkerung.

Durch zunehmende Industrialisierung konnte man grössere Armeen aufstellen, auch dank verbesserter Hygiene und Logistik.

Den Übergang bilden der Russisch-Japanische Krieg 1904/05 sowie die Balkankriege und die ersten Monate des 1. Weltkrieges.

Danach waren die Armeen schlicht zu gross, um noch von einzelnen Feldschlachten zu sprechen. Schlachten wie Verdun waren Teil einer Front.