Thema: Drehtürpatienten. Immer wieder in die Psychiatrie... warum ist das so und was kann helfen?
Trotz Therapie und Medikamenten landen viele psychisch Kranke immer wieder in stationären Einrichtungen.
Auf Phasen zu Hause folgen Klinikaufenthalte – ein Teufelskreis.
„Das Wort Drehtürpsychiatrie erweckt ja beim Zuhörer zunächst negative Emotionen. Also: Psychiatrien behandeln nicht qualitätsvoll, deshalb gehen die Patienten raus und rein und kommen immer wieder.
Einmal in der Psychiatrie gewesen, kommt man immer wieder in die Psychiatrie. Das macht ja zunächst einmal Vorurteile, nicht nur den Kliniken gegenüber, sondern gegebenenfalls auch den Betroffenen gegenüber.“
zitiert aus diesem Link, den ich für sehr lesenswert halte
https://www.deutschlandfunkkultur.de/drehtuerpatienten-in-der-psychiatrie-immer-wieder-auf-100.html
In dem Link geht es noch weiter um folgende *Schlagwörter*
Von der Abschottung psychisch Kranker zur Integration
Ein Drittel der Betroffenen sind suchtkrank
Experten für die eigene Krankheit werden
Wiedereingliederungshilfe ist wichtig
Gefahr, dass Patienten Medikamente ohne Absprache absetzen
Individueller krisenfokussierter Behandlungsplan
Vom psychisch Kranken zum Genesungsbegleiter
5 Antworten
Das Problem besteht meines Erachtens darin, dass sich viele Patienten nicht wirklich helfen lassen wollen und die Klinik immer nur als Lebensretter ansehen, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Zum anderen - und das hängt zusammen - neigt die Psychiatrie dazu, Verhaltensweisen zu psychologisieren, die nicht medizinisch, sondern sozialthereapeutisch behandelt werden müssten. Aber das traut man sich den Patienten oft nicht zu sagen, da diese das nicht hören wollen und dann ohnehin die Kooperation verweigern.
Es fällt schon auf, dass bei vielen Patienten die Ursachen der Erkrankungen relativ klar aus den Lebensumständen hervorgehen. Therapiert werden aber die Symptome oder - noch schlimmer - der Patient entwickelt Coping-Strategien, die seine Situation weiter verschlimmern.
Aber Lösungen sind nicht einfach. Eine Gesellschaft, die wieder ehrlich Dinge beim Namen nennt, statt für alles eine Rechtfertigung zu finden, ist nicht in Sicht. Solange der Patient aber einfach ins Internet geht und dort eine Community vorfindet, die ihm erklärt, dass selbst die abwegigsten Neigungen anerkannt und toleriert werden müssten, erreicht man eben nichts, da die meisten Menschen immer dazu neigen, die Schuld für ihr Elend bei anderen zu suchen.
lies mal in dem Link...der ist leider recht lang, aber wirklich sehr gut. Den Anfang kann man überlesen, aber zum Ende hin ist er sehr gut !
Ich habe (leider) genügend Erfahrung im privaten Bereich, was das Thema betrifft. Ich muss somit keinen Artikel lesen, um von der Richtigkeit deiner Behauptung überzeugt zu sein. Es ist traurig, aber wahr.
Ist ja nicht *mein* Artikel....der über diese Drehtürpatienten noch viel weiter hinaus geht...
Von der Abschottung psychisch Kranker zur IntegrationEin Drittel der Betroffenen sind suchtkrankExperten für die eigene Krankheit werdenWiedereingliederungshilfe ist wichtigGefahr, dass Patienten Medikamente ohne Absprache absetzenIndividueller krisenfokussierter BehandlungsplanVom psychisch Kranken zum GenesungsbegleiterUnser System ist nicht auf wirkliche (nachhaltige) Hilfe ausgelegt sondern auf Fallabarbeitung und Statistik-Schönkriegen (KEIN Vorwurf an die Psychiatrien oder die Psychiater).
Daher kommen viele Patienten wieder in ihre Probleme rein oder waren nie (richtig) raus.
Gleiches gilt ja auch für Schmerzpatienten, chronisch Kranke, Kuren, Sprachtherapien etc. wo immer nur so viel gemacht wird / gezahlt wird bis ein bestimmter Grenzwert grade so erreicht ist und dann wird man damit allein gelassen und fällt irgendwann halt wieder unter einen willkürlich gesetzten Messwert. Im Fall psychischer Krankheiten besonders dramatisch.
Auch für Gefängnisinsassen und Rehabilitation gilt ein ähnliches kurzsichtiges Prinzip (wenn auch hierzulande nicht so krass wie in manch anderen).
Oder im Falle von Arbeitslosigkeit und zugehöriger Fallarbarbeitung..
Kommt davon wenn ein Land / ein Krankenversicherungs-/Sozialsystem (und hintergründig auch grundlegend das Wirtschafts-, Gesellschafts- und Politiksystem und die gesellschaftliche Denkweise) nur auf kurzfristiges Problem-aus-dem-Weg-haben ausgelegt ist und nicht darauf dass den Menschen wirklich etwas gebracht oder wirkliche Hilfe gegönnt wird. :(
PS Auf die Frage nach Lösungsvorschlägen - da wird man wenn man dieses generelle / dieses Meta-Problem wirklich lösen will nicht um ein langfristiges gesamtgesellschaftliches Umdenken und große Systems-Änderungen rumkommen. Das wird komplex.
Oder man ist so ehrlich und steht dazu dass einem dieses Problem und was daraus alles folgt nicht wichtig genug ist um zu großen Veränderungen bereit zu sein.
Das Problem ist, dass Therapie meistens nur auf der Offenen Station stattfindet. Die geschlossene Station ist dafür da eine Krise abzuwenden. Dann werden Patienten wieder entlassen.
Die offenen Stationen fordern oft Stabilität und Motivation für die Therapie. Wenn man gerade aus der geschlossenen kommt und/oder sich zum Beispiel ritzt oder so ist man nicht stabil genug und bekommt nicht die Hilfe, die man eigentlich braucht. Also wird man wieder instabiler, hat ne Krise muss auf die geschlossene und so beginnt der Kreislauf wieder von vorne
es muss mehr an der Begleitung / Versorgung NACH einer Entlassung gearbeitet werden. Auch in Bezug auf Kontrolle der Medikamenteneinnahmen und weiterführender, begleitender Therapie.
Ja und auch an dem Konzept der geschlossenen Station.
Ganz vereinfacht dargestellt: Es ist nicht sinnvoll Leute 'einzusperren', ihnen alles schädliche weg zu nehmen und sie nach drei Tagen zu entlassen.
Gleichzeitig ist es natürlich auch schwierig, das System zu ändern, da Therapie länger Dauer dauert, als diese Verwahrung und die Akut-Stationen natürlich Plätze für akute Fälle braucht.
Ich glaube es wäre gut, wenn es eine Zwischenlösung gäbe. Also nach der Geschlossenen Station erstmal die Option auf eine "halb offene" Station zu gehen, woman für die richtige Therapie stabilisiert wird.
Oder eben durch eine bessere ambulante Versorgung.
Ich kann als Betroffener antworten. In psychiatrischen Kliniken wird man nicht geheilt, man muss nach der Entlassung weiter an seiner Erkrankung arbeiten, mit weiterführenden Therapien, wobei Psychotherapie-Plätze heute sehr schwer zu finden sind. Ein großes Hindernis. Ich fand zuletzt über drei Jahre keinen Psychotherapeuten, jetzt besuche ich eine Therapeutin ohne Kassenzulassung mir fairen Preisen, die ist besser als alle zugelassenen Therapeuten, die ich im Lauf der Jahre hatte und hilft mir echt weiter.
Trotzdem wird der nächste Psychiatrieaufenthalt kommen, die Drehtür steht nie still. Und wieder werde ich viele bekannte Gesichter sehen.
Du sagst: In psychiatrischen Kliniken wird man nicht geheilt
Nicht alle psychiatrischen Erkrankungen sind überhaupt HEILBAR.
Manche sind nur behandelbar.
Das ist wohl auch die Krux bei der Sache
Psychiatrische Erkrankungen sind so vielschichtig wie alle anderen somatischen Erkrankungen.
Es gibt akute Erkrankungen, die nach dem Abheilen nicht mehr auftreten. Der Grossteil der psychischen und somatischen Leiden wird jedoch auf einer bestimmten Verletzlichkeit oder Veranlagung basieren und deshalb immer wieder auftreten.
So ist es z. B auch bei Diabetes, Bluthochdruck, Herzklappenfehler, Allergien, Bronchitis usw. Man kann einige Medikamente einsetzen und die Funktionen unterstützen oder "gut einstellen". Aber ganz weg sind solche Erkrankungen nie. Man muss sein Leben danach richten, zum Teil dauerhaft Medikamente einnehmen.
Dazu kommt es noch sehr auf das Verhalten und den Lebenswandel der Patienten an, ob und wie häufig es zu Rückfällen kommt. Man muss als Patient die eigene Erkrankung verstehen und dann auch Verantwortung für das eigene Tun übernehmen. Das ist auf Dauer sehr anspruchsvoll.
Beispiele: Diabetes verlangt nach einer verantwortungsvollen Ernährung, Lungenkranke sollten nicht rauchen, psychisch labile Menschen keinen Alkohol trinken, keine Drogen nehmen und keine sozialen Medien konsumieren. !
Viele Menschen leben mit sehr ungesunden Lebensweisen, obwohl sie wissen, dass sie damit früher oder später Probleme bekommen. Manch alter Aberglauben wird ebenso kritiklos angenommen, wie unsinnige TikTok-Tipps oder neue Verschwörungstheorien.
Dann geht's schief und die Medizin soll Wunder vollbringen.
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Du hast offenbar wirklich Ahnung von den Hintergründen.