Suizid

10 Antworten

Nun denn ...

Suizidenten nein .. Selbstmörder ... nein Menschen ohne Ausweg und Chance werden in der Gesellschaft grundsätzlich immer als feige, egoistisch, rücksichtslos, unmutig und vor allem unfair bezeichnet. Bestes Beispiel ist das folgende Lied der Deutschrock-Gruppe PUR: NOCH EIN LEBEN

https://www.youtube.com/watch?v=TffaNocLe6g

Der Text spricht für sich.

Und jedes mal, wenn ich diesen grundsätzlich guten Song höre, möchte ich laut herausschreien und dem Hartmut Engler entgegenschleudern:

DU bist derjenige, welcher egoistisch und unfair bist. DU denkst mit diesem Lied nämlich erst einmal nur an DICH SELBST.

Und genau das ist das Problem der Gesellschaft: Die Hinterbliebenen bedauern sich selbst am meisten im Falle eines Suizid und versuchen nur, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen - das schlechte Gewissen, welches entstanden ist, weil sie genau wissen, dass sie dem Menschen hätten helfen können - es aber nicht getan haben!

Aber zuerst noch etwas ganz wichtiges für mich: Jemand, der freiwillig aus diesem Leben verschwindet ist MUTIG - und tut wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben etwas ausschließlich FÜR SICH!!!

Ich habe im letzten Jahr einen Arbeitskollegen verloren. Er hat sich von einem Felsen gestürzt. Obwohl ich Anti-Religiös bin, war ich in der Kirche und habe mir das Geseiere vom Pastor angehört. Tatsächlich hat er mit jedem Satz nur eines gesagt: "WIR WISSEN NICHT, WARUM ER GEGANGEN IST".

Und genau DAS ist der springende Punkt der Gesellschaft: Niemand, der zurückbleibt, weiß, warum ein ein Menschen gehen will und niemand versteht, dass es nichts gibt, was diesen einsamen Menschen auf der Welt hält.

Ja - einsam sind diese Menschen - grundsätzlich IMMER! Sie haben niemanden, der sie versteht, so wie sie sind. Sie haben maximal ein paar Leute drum herum, welche ihm aufschwätzen wollen, wie er sein soll, wie er zu sein hat und wie er vor allem nicht zu sein hat.

Doch das funktioniert eben so nicht - und hat diesen bestimmten Menschen eben in den Tot getrieben.

Meine Meinung (welche ich nicht weiter diskutieren möchte):

  • Jeder Mensch hat das Recht, diese Welt zu verlassen, wann er dies für richtig hält.
  • Niemand hat das Recht, ihn daran zu hindern.
  • Niemand hat das Recht, ihn deswegen für Verrückt zu erklären, einzusperren und mit Gewalt in einen anderen "Menschen" umzuformen.
  • Menschen, welche freiwillig gehen, bringen mehr Mut auf (wenn auch unbewusst) als jeder Trottel, der sich an einem Bungee-Seil von einer Brücke stürzt.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Menschlichkeit ist mein persönlicher Grundsatz!

LaveaNova  21.06.2024, 21:41

Das ist das erste Mal, dass ich wirklich beeindruckt bin von dieser Argumentation. Danke dir dafür. 🤔👏🏻

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Traveller5712  22.06.2024, 13:37
@LaveaNova

Ich danke Dir, auch für Dein Kompliment.

Ja, es ist schwer, sich mit diesem Thema zu befassen - und jene, welche zurückbleiben denken immer nur: ICH hätte helfen könne, er hat MIR keine Chance gegeben und lässt MICH zurück.

Natürlich ist das egoistisch - aber eben nicht von demjenigen, welcher gegangen ist, sondern von demjenigen, der diesem Menschen hinterhertrauert.

Man kann sich als Hinterbliebener durchaus dir Frage stellen, ob man nicht mitschuldig ist an dem Suizid - ob man diesen nicht verhindern hätte können. Nur hilft das leider auch nichts, da diese Fragen niemals beantwortet werden können im Leben des Hinterbliebenen.

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LaveaNova  22.06.2024, 13:56
@Traveller5712

Ich war ehrlich gesagt bisher auch immer der Meinung, dass Suizidalität egoistisch ist, was man den Mitmenschen da antut, denen, die die Leiche finden. Aber ich hab in Kliniken auch immer nur diese Sichtweise vorgepredigt bekommen. Mich hat deine Ausführung so tief berührt, dass ich auch heute noch drüber nachdenken musste. Und ich finde für mich eine einzige Einschränkung: ich habe mittlerweile einen Sohn und sich als Elternteil aus der Welt zu stehlen und ein Kind zurück zu lassen, das geht in meinen Augen nicht. Ich würde das meinem Sohn einfach nicht antun wollen, denn der kann keine Schuld tragen und müsste dann einfach damit leben.

Ansonsten hab ich meine Meinung aber tatsächlich durch dich geändert. Wenn jemand keine Kinder hat, dann ist es für manche wohl die humanste Lösung. Es ist auch letztendlich egal, ob er eine psychische Erkrankung hat und es später bereuen könnte, denn tot kann man nicht bereuen, sondern nur ruhen. 🙏🏼

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Traveller5712  22.06.2024, 15:41
@LaveaNova

Aber tatsächlich bist Du immer noch auf dem richtigen Weg. Denn: DU hast für DICH entschieden, dass DIR DEIN Kind so wichtig ist, dass DU es nicht alleine lassen willst. Prima ... super ... tolle Einstellung!

Auch wenn ich meine Meinung natürlich nicht geschrieben habe, weil ich ich irgend jemanden beeinflussen will, so freue ich mich doch, dass meine Meinung etwas Positives für Dich bewirkt hat.

Und ich möchte mir erlauben, Dir noch eines zu schreiben:

DU bist richtig, so wie DU bist - ganz egal, wie DU bist!

Lasse Dir niemals etwas von irgendjemand anderem erzählen - auch von Ärzten und Mitpatienten in Kliniken.

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BlueVelvet45 
Beitragsersteller
 21.06.2024, 22:05

Du sprichst mir so aus der Seele

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Empfindet ihr es als egoistisch? Welche „Voraussetzungen“ müssten für euch erfüllt sein? Oder ist der Suizid bedingungslos gerechtfertigt, wenn man unerträgliche Qualen erleidet.

Ich finde, es kommt sehr darauf an, warum sich jemand umbringt. Wenn es deshalb ist, weil man einer finanziellen Verantwortung, etwa als Schuldner einem Schuldenausgleich entgehen will, so finde ich einen Selbstmord in der Tat egoistisch, denn die Probleme wälzt man dadurch nur auf Andere ab.

Begeht man aber Selbstmord, weil man beispielsweise emotionale oder körperliche Qualen ertragen muss und keine Besserung sieht oder es beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen zeit des Lebens vermutlich nie eine Besserung geben kann, dann finde ich einen Selbstmord nicht egoistisch, sondern als nichts anderes als eine persönliche Entscheidung zur Verminderung von Leid. Und wer in einer solchen Situation meint, die Entscheidung zum und Handlung des Selbstmordes sei egoistisch, insbesondere wenn jemand der betreffenden Person nahe stand, so finde ich dass nicht die Person, die sich umbringt egoistisch handelt, sondern die Person egoistisch ist, welche die Person verurteilt, die sich umgebracht hat.

Suizid ist nie gerechtfertigt. Egoistisch ist es auf alle Fälle, unter anderem. Aber aus meiner Sicht wird der Mensch immer von Gott geprüft. Das Leben an sich ist eine Prüfung, die aus Hoch- und Tiefpunkten besteht. Genauso, wie der Mensch mit Qual und schwierigen Zeiten geprüft wird, genauso wird er auch mit guten Zeiten und Wohlstand geprüft. Beides kommt von Gott und beides kommt aus einer Weisheit heraus. Eins ist sicher, keins davon ist ewig, sondern vorübergehend. Der Mensch sollte sich deshalb nicht von etwas unterlegen und überwältigen lassen, was vergänglich und vorübergehend ist, sondern sich immer und zu jederzeit an den Einen wenden, der unvergänglich und ewig ist. Nämlich Gott dem Barmherzigen. Sowohl in Guten, als auch in schlechten Zeiten. Aus dieser Überlegung ergibt sich, auch schlechte Zeiten sind vergänglich, so hart sie auch sein mögen. Wenn Gott dazu imstande war, die Schwierigkeit dir aufzuerlegen, warum sollte er nicht dazu imstande sein, sie dir wegzunehmen?


BlueVelvet45 
Beitragsersteller
 21.06.2024, 20:40

Das ist ja fruchtbar

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Gryffindor123  21.06.2024, 22:34
@BlueVelvet45

nun ja durch Suizid bekommst du das selbe Leben nicht nochmal. Warum das also nicht wertschätzen und versuchen diese gut zu nutzen?

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Gryffindor123  22.06.2024, 10:47
@BlueVelvet45

Ist es auch nicht. Aber du bist nicht schwächer als die Qual, die dich begegnet. Du unterschätzt dich nur, du musst bloß dagegen ankämpfen.

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Ich würde sehr über den Tod der Person trauern. Suizid ist etwas schreckliches und es ist unglaublich traurig, wenn Menschen sich das Leben nehmen.

Suizid ist für mich nicht "gerechtfertigt" oder nicht und man kann auch nicht sagen, dass Personen, die Suizid begehen, egoistisch wären. Suizidgedanken haben immer eine psychologische Ursache, dementsprechend ist man nicht selbst daran Schuld, dass man Suizidgedanken hat und solche Kategorien wie gerechtfertigt oder nicht passen deswegen auch überhaupt nicht dazu und gehen einfach in die komplett falsche Richtung.

Niemand ist mit Suizidgedanken geboren und wenn man sich umbringen möchte, sollte man sich auf jeden Fall Hilfe suchen.

Egoistisch und heucherlisch sind die umliegenden Menschen, die plötzlich auf empört sind.

Suizid ist vollends nachvollziehbar und das Konzept/die Idee sollte früh in den Schulen unterrichtet o nahgelegt werden! Suizid auf deutsch auf Freitod genannt, gibt einem in einer verklärten Art und Weise Kontroll im Leben. Man kann immer austreten und dadurch erlangt man eine existenzielle Freiheit.

Selbstmord selbst ist abzulehnen, aber man sollte verständnisvoller dagegen sein und was gerechtfertig oder nicht ist, entscheidet immer noch das Individuum. In unserer optimistischen Kultur müsste man erstmal das Grundaxiom anerkennen, dass das Leben Leid ist.