Locke, Montesquieu, Rousseau, Burke: Freiheit, Gleichheit, Gewaltenteilung

Sandlerkoenig07  01.09.2024, 12:04

Und was ist deine Frage?

Jens2468 
Beitragsersteller
 08.09.2024, 20:04

Hallo, der Beitrag war nicht unter der Rubrik Frage sondern sondern unter der Rubrik Diskussion - implizite Frage, ob die Zusammenfassung so ok ist..

1 Antwort

Vermutlich zielt die Frage auf Verbesserungsvorschläge. Im Rahmen einer kurzen Übersicht ist es nicht möglich, die politische Philosophie der Aufklärung vollständig darzustellen. Hingewiesen werden könnte beispielsweise auch auf Thomas Paine, der mit „The Rights of Man“ (1791 – 1792; „Die Rechte des Menschen“) eine Gegenschrift gegen Edmund Burke veröffentlicht hat, und Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden (1795).

absolutistischer Staat

„Der absolutistische Staat übte Zensur, regelte den Zugang zu Bildung und zahlreichen Berufen, baute einen umfangreichen Beamtenapparat auf, verhinderte Kontrollinstanzen, die seine Machtfülle hätten beschränken können und stellte sich selbst über das Gesetz.“

Zu den staatlichen Machtmitteln hat auch die Aufstellung »stehender Heere« gehört.

Nicht der Staat hat sich über das Gesetz gestellt, sondern wenn so etwas geschah, tat es der Herrscher (der Herscher von Gesetzen losgelöst – lateinisch: legibus absolutus).

Locke

mögliche Ergänzung: John Locke ist ein Befürworter des Parlamentarismus gewesen. Die Entwicklung in England verlief mit einer Stärkung der Befugnisse des Parlaments gegenüber dem Königtum in Einklang mit seiner Auffassung.

ausführlicher zu einigen Gesichtspunkten:

Natürliches Gesetz (englisch: law of nature) bei John Locke ist ein natürlich (mit Hilfe der Sinne und des Verstandes/der Vernunft) erkennbares und den Gegebenheiten der menschlichen Natur entsprechendes Gesetz, das inhaltliche Normen hat: aus einer Pflicht zur Selbsterhaltung wird Eigentum als Recht abgeleitet, nämlich ein Recht auf Leben, Gesundheit/körperliche Unversehrtheit, Freiheit und materielles Eigentum, wobei (ein sozialer Gedanke) auch das Leben anderer möglichst erhalten werden soll. Diese Rechte sind vorstaatlich, gelten auch schon im Naturzustand. Der Verstand/die Vernunft lehrt, wenn befragt, die Menschheit, da alle gleich und unabhängig seien, solle niemand einem anderen an seinem Leben und Besitz, seiner Gesundheit und Freiheit Schaden zufügen. Denn alle Menschen seien das Werk eines einzigen allmächtigen und unendlich weisen Schöpfers, die Diener eines einzigen souveränen Herrn, auf dessen Befehl und in dessen Auftrag sie in die Welt gesandt wurden.

John Locke unterscheidet in der Hauptsache die gesetzgebende Gewalt (Legislative) und die vollziehende/ausführende Gewalt (Exekutive); rechtsprechende Gewalt (Judikative) wird von der Legislative oder einer von ihr ernannten Obrigkeit ausgeübt, Rechtsanwendung ist der Exekutive zugeordnet, Locke fordert unabhängige und unparteiliche Richter; Locke nennt noch die föderative Gewalt (Vertretung des Gemeinwesens nach außen) und die prärogative Gewalt (Macht, ohne Gesetzesvorschriften nach eigener Entscheidung für das öffentliche Wohl zu handeln, wenn schnelle Maßnahmen nötig sind; eine Art Notstandsrecht) als weitere Staatsfunktionen. Da diese nach der Darstellung in der Praxis bei der Exekutive angesiedelt sind, wird üblicherweise von 2 Gewalten bei Locke gesprochen, nicht von 4.

Nach John Locke geht alle Staatsgewalt vom Volk aus, direkt oder indirekt (über Wahlen und Abstimmungen bzw. ein vorhandenes Vertrauen), sie wird damit legitimiert. Dabei vollzieht sich die rechtmäßige Entstehung der politischen Gesellschaft, indem die mündigen Personen ihre naturrechtliche Handlungs- und Strafkompetenz teilweise bzw. völlig denjenigen übergeben, die von der neuen Vereinigung, der demokratischen Urversammlung, mit der Legislative und Exekutive betraut/beauftragt sind. Die „höchste Gewalt“ (englisch: supreme power) ist die gesetzgebende Institution. In ihr vollzieht sich mit bestimmten Zeitabständen die Urteilsbildung aller, sei es unmittelbar, sei es mittelbar durch Repräsentanten (Volksvertreter) aufgrund von Mehrheitsbeschlüssen. Nach John Locke kann die Staatsform sowohl eine (konstitutionelle) Monarchie als auch eine Republik sein.

Bei Locke ist unter Berufung auf vorstaatliche natürliche Rechte Widerstand gegen die Regierung (Legislative und Exekutive) gerechtfertigt, wenn das in sie gesetzte Vertrauen schwer verletzt wird und keine andere Abhilfe möglich ist.

Montesquieu

Etwas verwirrend ist, wenn sein französischer Adelstitel einmal mit „Baron“, ein anderes Mal mit dem im deutschen Sprachraum vorkommenden „Freiherr“ wiedergegeben wird.

Gewaltenteilung soll der Verhinderung von Machtmissbrauch und damit dem Schutz von Freiheit dienen.

Ergänzt werden sollte, dass bei Montesquieu eine getrennte Souveränität der Träger der Gewalten vorgesehen ist, also nicht nur ein Ausgehen der Legislative vom Volk (über Repräsentanten), sondern auch eine davon unabhängige Machtgrundlage für Exekutive und Judikative mit einem anderen Souverän als Träger.

ausführlicher zu einigen Gesichtspunkten:

Montesquieu hat die Lehre von der Gewaltenteilung weiterentwickelt. Bei ihm gibt es 3 Gewalten: Exekutive, Legislative und Judikative (bei Locke gibt es als Ansatz immerhin auch schon den Gedanken einer Unabhängigkeit der Richter). Die Gewalten sind nebeneinander geordnet. Wichtig ist eine Verteilung zur Verhinderung von Machtanhäufung. Eine Balance schaffende Hemmung der Gewalten sorgt für die Bewahrung eines Gleichgewichts. Es gibt eine getrennte Souveränität der Träger der Gewalten. Montesquieu steht auch in der alten Tradition einer gemischten Verfassung.

Die Haupttypen bei den Staatsformen/Regierungsformen (französisch: régimes/gouvernements) sind:

  • Republik (französisch: république)
  • Monarchie (französisch: monarchie)
  • Despotismus (französisch: despotisme)

Bei der Republik gibt es als Unterformen die Demokratie/demokratische Republik und die Aristokratie/aristokratische Republik. Bei der Demokratie liegt die souveräne Macht beim Volk, bei der Aristokratie bei einem Teil des Volkes. Die Monarchie ist im Grunde eine gemischte Verfassung, weil es mit dem Adel Zwischengewalten zwischen Herrscher und Volk gibt, die eine unabhängige Machtgrundlage haben.

Als Träger der Staatsgewalten gibt es Adel, Volk und (wenn der Staat keine Republik, sondern eine Monarchie ist) Monarch (Monarchie als durch Verfassung/Gesetze begrenzt – also eine konstitutionelle Monarchie - unterscheidet Montesquieu von Despotismus, bei dem die willkürliche Laune eines Einzigen alles entscheidet).

Montesquieu sieht eine politische Mitwirkung des Volkes (neben der Körperschaft des Adels) an der Gesetzgebung nicht unmittelbar vor, sondern indirekt, in einem Repräsentativsystem (eine gewählte Körperschaft, die das Volk repräsentiert). Montesquieu hält das Volk für wenig geschickt, die Angelegenheiten zu verhandeln (zu erörtern, zu beraten und zu beschließen), was seiner Meinung nach einer der großen Nachteile der Demokratie ist.

Rousseau

„Die Motivation sich zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen besteht bei Rousseau darin, dass die Mitglieder der Gesellschaft ihre „volonté de tous“, ihren persönlichen Einzelinteressen, der „volonté générale“, dem Gemeinschaftsideal unterordnen, letztlich aus der Einsicht heraus, dass sie zusammen mehr erreichen können.“: Die genannte Unterordnung der persönlichen Einzelinteressen ist etwas, das mit dem Zusammenzuschließen zu einer Gemeinschaft verbunden ist, aber nicht die Motivation dazu. Motivation ist die am Ende genannte Einsicht, zusammen mehr erreichen zu können. Nach Auffassung von Rousseau gibt es in der menschlichen Natur eine Fähigkeit zur Selbstentwicklung in Richtung Vervollkommung (französisch: perfectibilité), die den Menschen aus dem Naturzustand herauslöst. Es wird zu einer höheren Stufe hingestrebt im Verhältnis von Wünschen/Bedürfnissen und der Fähigkeit, sie zu erfüllen.

ausführlicher zu einigen Gesichtspunkten:

Jean-Jacques Rousseau legt als Zweck eines Gesellschaftsvertrages nicht bloß Sicherheit zugrunde, sondern es geht um eine Ausweitung der individuellen Freiheit mit einem Zusammenleben in gegenseitiger Anerkennung.

Der Gesellschaftsvertrag geschieht freiwillig und ist allgemein zustimmungsfähig.

Es gibt unveräußerliche Rechte.

Die Lehre vom allgemeinen Willen (französisch: volonté générale) zielt auf eine gute, gerechte und auch freie Gemeinschaft. Die Gesetze sollen Ausdruck des allgemeinen Willens sein.

Bei Rousseaus Staatsphilosophie besteht allerdings eine Schwierigkeit, den allgemeinen Willen festzustellen. Rousseau unterscheidet zwischen dem allgemeinen Willen und dem Willen aller (französisch: volonté de tous) bzw. dem Willen der Mehrheit (französisch: volonté de majorité). Der allgemeine Wille ist nach Rousseau ein auf das Allgemeinwohl ausgerichteter. Der Wille aller kann mit ihm auch nicht übereinstimmen.

Rousseau vertritt Volkssouveränität als Prinzip. Diese wird in einer Republik verwirklicht. Dabei werden in der Gesetzgebung allgemeine Regeln aufgestellt und so ein Rechtsstaat errichtet. Die Volkssouveränität kann nicht an Repräsentanten (also z. B. gewählte Abgeordnete in einem Parlament) abgetreten werden. Als Exekutive (als Umsetzung des Willens des Volkes gedacht) wirkt eine Regierung. Verschiedene Regierungsformen (z. B. Monarchie, Aristokratie und Demokratie) sind möglich. Rousseau erörtert dies nach praktischer Zweckmäßigkeit (es gibt Gründe dafür, dass eine Demokratie für eine Republik am besten geeignet ist, aber nicht unter allen Umständen die einzige Möglichkeit). Über Gesetze wird vom Volk abgestimmt (ein Element direkter Demokratie).

Weil die Souveränität Ausdruck des allgemeinen Willens, ist, kann sie nicht übertragen, weitergegeben oder veräußert werden. Auf die Regierung lassen sich Handlungsbefugnis und Macht übertragen, aber nicht der allgemeine Wille. Aus diesem Grund, den allgemeinen Willen nicht teilen und veräußern zu können, ergibt sich bei Rousseau auch die Unteilbarkeit der Souveränität. Daher gibt es in seinem Staatsentwurf keine Gewaltenteilung in Form einer Verteilung, bei dem die Macht auf mehrere Machträger verteilt ist. Denn dies würde bedeuten, den allgemeinen Willen zu zerstückeln.

Rousseau unterscheidet Gewalten nach ihren Funktionen, vertritt aber keine Gewaltenteilung als Verteilung der Macht auf verschiedene Machtträger.

Die Staatsgewalten sind der Souveränität (also letzlich dem allgemeinen Willen) unterstellt und werden durch Gesetze begründet und kontrolliert.

Burke

mögliche Ergänzungen:

Bei Edmund Burke sind sowohl Bewahrung als auch Verbesserung vorgesehen (daher wird er einem Typ »Reformkonservativismus« bzw. »liberaler Konservativismus« zugeordnet), aber nur innerhalb des Rahmens einer vorgegebenen Ordnung mit Hierarchie.

Edmund Burke hat - in einer Ausrichtung gegen rationale allgemeine Prinzipien - Menschen- und Bürgerrechte (wie in ihrer Erklärung bei der Franzöischen Revolution 1789) als abstrakt abgelehnt.

Bei der Gemeinschaft denkt Burke nach seiner Auffassung zum Gesellschaftsvertrag auch an vergangene Generationen. Edmund Burke, Reflections on the Revolution in France (1790): „As the ends of such a partnership cannot be obtained in many generations, it becomes a partnership not only between those who are living, but between those who are living, those who are dead, and those who are to be born. Each contract of each particular state is but a clause in the great primeval contract of eternal society."


Jens2468 
Beitragsersteller
 08.09.2024, 20:02

Vielen Dank für den sehr ausführlichen Kommentar...ich sehe, Du bist wirklich Experte!