Themenspecial 24. Mai 2024
Drogen: Suchtprävention und Aufklärung
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Verharmlosung von Cannabis: wieso?

5 Antworten

Von Experte vanOoijen bestätigt

Ich nehme an, deine Frage bezieht sich auf die aktuellen Veränderungen in der Cannabisgesetzgebung. Und tatsächlich sehe ich dabei keine Verharmlosung von Cannabis. Nicht nur aus den Newsartikeln, die du gepostet hast, sondern auch aus einer umfassenden Studienlage geht hervor, dass Cannabis eben nicht harmlos ist (z.B. CaPRis-Studie von 2018). Gleichzeitig hat man aber auch festgestellt, dass das Cannabisverbot nicht funktioniert. Es führt nicht dazu, dass dadurch der Zugang zu Cannabisprodukten erschwert oder gar verhindert wird, insbesondere nicht für junge Menschen. Und weil Cannabis eben nicht harmlos ist und das Verbot messbar nicht funktioniert (vgl. EMCDDA (2023): Cannabis – the current situation in Europe), aber gleichzeitig viele Probleme erst entstehen lässt, weichen immer mehr Länder vom Verbot ab. Sie entscheiden sich also dagegen, Cannabis dem völlig freien Schwarzmarkt zu überlassen, und streben danach, den Markt zu regulieren und Regeln einzuführen. Nur so kann Einfluss auf die Verbreitung genommen werden, z.B. durch Altersgrenzen, Auflagen, Lizenzen,... In der Illegalität dagegen laufen staatliche Maßnahmen quasi ins Leere, sie haben keinen Einfluss auf die Verfügbarkeit, insbesondere nicht für junge Menschen. 

Kurzum: gerade weil Cannabis eben nicht harmlos ist und das Verbot mehr Probleme schafft als löst, sollte dieser Markt meiner Ansicht nach staatlich reguliert werden. In der Illegalität richtet Cannabis mehr Schaden an, als auf einem legalen und regulierten Markt. 

Eine ähnliche Situation gab es bereits schonmal. In den USA wurde Alkohol 1920 verboten, weil man festgestellt hat, dass Alkohol nicht harmlos ist und sowohl auf individueller, als auch auf gesellschaftlicher Ebene großen Schaden anrichtet. Doch auch hier hat das Verbot nicht bewirkt, dass weniger Menschen (problematisch) trinken. Im Gegenteil, stattdessen hat sich in den 12 Folgejahren eine Situation entwickelt, in der deutlich mehr Menschen durch illegal hergestellten Alkohol krank geworden oder verstorben sind, da der Schwarzmarkt keine Regeln und Kontrollen für die Herstellung und den Verkauf beinhaltet. Der Konsum ist nicht zurückgegangen sondern hat sich lediglich in geheime "Speak Easys" verlagert. Gleichzeitig hat sich in der Zeit der Alkoholprohibition die organisierte Kriminalität der Herstellung von Alkohol verschrieben und sich so ein Imperium aufgebaut. Nicht zuletzt aus diesen Gründen ist man 1933 zum Entschluss gekommen, Alkohol zu re-legalisieren, um zumindest besser mit den Risiken umgehen zu können und so den alkoholbedingten Schaden insgesamt zu verringern. 

Viele Grüße,

sandro von mudra / DigiStreet

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich arbeite als Sozialarbeiter in der Drogenberatung

DonkeyShot  26.05.2024, 05:36

Auch zum Thema Cannabis (in Deutschland):

Ich finde es bemerkenswert, dass die staatliche Kapitulation vor der Kriminalität der bessere Weg sein soll, indem sich der Staat sozusagen zum "besseren Dealer" macht. Viel richtiger wäre es gewesen, die Kriminalität stärker zu verfolgen. Härtere Strafen, Null-Toleranz-Politik. Und natürlich im Vorfeld bessere Aufklärung.

Und das noch dazu aus der Motivation heraus, dass der Staat meint, sich um die Befindlichkeit von Drogensüchtigen/-konsumenten kümmern zu müssen, obwohl diese einzig allein selbst dafür verantwortlich sind, sich illegal irgendwelchen Stoff zu besorgen. Entscheidend ist doch: Niemand hat sie zum Konsum gezwungen! Und wenn sie sich dafür entscheiden, dann müssen sie eben auch mit den Konsequenzen leben. Reden wir von essentiellen Lebensmitteln? Nein. Dann sollen sie es eben sein lassen, statt indirekt den Staat dazu zu nötigen, für den "besseren Stoff" zu sorgen, weil sie selbst nicht fähig sind, die Finger davon zu lassen und somit all die Konsequenzen zu vermeiden, vor denen der Staat die armen Menschen nun wiederum paternalistisch schützen muss. Was für eine aberwitzige und doppelmoralische "Lösung" und in gewisser Weise auch Erwartungshaltung.

Oder verteilt der Staat neuerdings auch Schutzhelme für illegale Straßenrennen? Damit die armen Racker sich nicht verletzen. Ist ja die bessere Lösung als illegale Rennen ohne Schutzhelme. - Ernsthaft? Wenn das der eingeschränkte Horizont ist, na dann gute Nacht...^^ Das sind ja nicht die beiden Alternativen, sondern ob diese Rennen legal sind oder eben nicht. Natürlich sind sie es nicht. Der Staat hat illegale Aktivitäten zu unterbinden. Es ist nicht seine Aufgabe, Menschen zu betüteln, die überflüssigerweise Illegales tun.

Entweder man (=die Legislative) hat eine Haltung oder eben nicht. Und diese ist doch ganz offenbar, dass man "eigentlich" gegen den Konsum sei aus den bekannten Gründen. Dann muss man diese Linie auch verfolgen. Niemand kann gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen laufen. So denken, aber anders handeln. Ich würde es anders beurteilen, wenn die Regierung den Konsum als harmlos einstufen würde und deswegen eine (geregelte) Freigabe erfolgte. Das ist aber gerade nicht deren Überzeugung - was ja die Ignoranz der fachlichen Einschätzung bedeutete - zumindest wenn man Lauterbach zuhört.

Nicht persönlich gemeint, sondern meine Meinung zur neuen Gesetzgebung.

....Natürlich bin ich gegen die Legalisierung (als "Genußmittel"). Ich hab da ne klare Haltung: Es gibt mit Abstand nichts Überflüssigeres als diesen ganzen Shit! Das ist so. Das ist keine Meinung. Wer halbwegs klar im Kopf ist, gibt das auch zu. Und wer dennoch meint, deswegen gegen Gesetze verstossen zu müssen, der hat kräftig einen an der Waffel und soll die Konsequenzen dann gefälligst auch selbst ausbaden. Dafür muss man keine Gesetze lockern. Lasst's einfach sein, dann gibt's auch keinen schlechten Mist. Diese Option besteht immer.

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Sandro von mudrastreetwork  26.05.2024, 23:17
@DonkeyShot

Hey DonkeyShot! Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Es ist völlig verständlich, dass die Idee, der Staat könnte sich in den Drogenhandel einmischen, zuerst befremdlich erscheint. Doch wenn man genauer mit dem Thema befasst, bieten marktregulierte Ansätze zur Drogenpolitik durchaus substantielle Vorteile, sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Und das kommt letztendlich allen zu Gute.

Um meine Haltung vielleicht eher nachvollziehen zu können ist es wichtig zu verstehen, dass ich den Konsum bestimmter Substanzen, wie zum Beispiel Cannabis, nicht als moralisches Versagen ansehe. Darin unterscheiden sich unsere Sichtweisen offenbar sehr ;-) Allgemein verstehe ich das Thema Drogenkonsum als ein gesundheitspolitisches Thema. Und die Realität zeigt nunmal, dass Prohibition selten zu einer Verringerung des Konsums führt, sondern eher dazu beiträgt, dass ein Schwarzmarkt blüht, der weder sicher noch reguliert ist (siehe z.B. die gescheiterte Alkoholprohibition in den USA). Durch die Regulierung und Legalisierung des Marktes kann der Staat die Qualität und Sicherheit der Substanzen kontrollieren, Verbraucherschutz bieten und sicherstellen, dass Aufklärung und Hilfe für Konsumierende leicht zugänglich sind.

Zudem ermöglicht die Regulierung, dass polizeiliche und justizielle Ressourcen sinnvoller eingesetzt werden können. Statt enorme Summen in die Verfolgung und Bestrafung von Konsumierenden zu investieren, können diese Mittel in Präventionsprogramme, Bildung und Gesundheitsdienste fließen. Dies führt nicht nur zu einer gesünderen Gesellschaft, sondern auch zu einer Entlastung der Justizsysteme. Jedoch müssen die entsprechenden Begleitmaßnahmen -und vor allem die Prävention- natürlich gut konzipiert, umfassend und aufeinander abgestimmt sein.

Außerdem ist es meiner Meinung nach wichtig, die individuelle Autonomie zu beachten. Auch hier entnehme ich deinem Kommentar, dass du das anders siehst. Natürlich wird niemand zum Konsum gezwungen, trotzdem entscheiden sich viele Menschen in der Realität aus verschiedenen persönlichen Gründen dafür, bestimmte Substanzen zu konsumieren. Wie siehst du das denn bei anderen risikobehafteten Konsumthemen wie z.B. bei Alkohol / Zigaretten / Pornos? Würde du auch in diesen Bereichen einfach sagen: "Selbst Schuld wenn damit jemand ein Problem bekommt?" Die staatliche Regulierung anstelle eines kompletten Verbots respektiert die persönliche Wahl und bietet gleichzeitig einen Rahmen, der die Risiken minimiert.

Die Analogie mit Schutzhelmen für illegale Straßenrennen greift hier leider viel zu kurz. Während illegale Rennen eine unmittelbare Gefahr für andere darstellen, kann der Konsum von Substanzen wie Cannabis in einem regulierten Umfeld weitgehend risikoarm gestaltet werden. Der Vergleich hinkt also, da die gesellschaftlichen und individuellen Konsequenzen nicht vergleichbar sind.

Es ist eine komplexe Debatte, aber die Geschichte hat gezeigt, dass eine Prohibition oft mehr Schaden als Nutzen bringt. Eine einfache Lösung wie "mehr Verfolgungsdruck" hat meines Wissens nach noch nie funktioniert, um so komplexen Themen wie Drogenkonsum und Drogenhandel gerecht zu werden (siehe z.B. die gesteigerte Polizeipräsenz in und um den Görlitzer Park in Berlin, die lediglich zu einer Verschiebung der Problematik in die angrenzenden Gebiete geführt hat und nicht zu einer Verringerung des Drogenhandels - trotz den vielen Ressourcen, die hier investiert wurden). Daher ist es meiner Meinung nach nicht unvernünftig oder moralisch fragwürdig, wenn der Staat regulierend eingreift, um die Gesundheit und Sicherheit seiner Bürger und Bürgerinnen zu gewährleisten. Indem wir das Thema entkriminalisieren und rational angehen, können wir als Gesellschaft besser funktionieren und Menschen, die Hilfe benötigen, effektiver unterstützen. Viele Grüße!

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aXXLJ  09.06.2024, 18:13
@DonkeyShot

Das BtMG existiert länger als 50 Jahre. Ein Gesetz, dass es trotz harter Strafen geschafft hat, dass Angebot und Nachfrage sich seither vervielfacht haben.

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OnkelWillibrot  17.06.2024, 01:08
@DonkeyShot

Ich fasse mal Deinen Text: Du hast Wut gegen Menschen, die Marihuana konsumieren. Wer das macht, hat Deiner Meinung nach sein Existenzrecht eingeschänkt.

Ich finde es ja gut, dass Du auf dieser Plattform aktiv bist und Dir die Chance gibst, weitere Aspekte bei diesem Thema zu berücksichtigen. Du bietest uns eine Betrachtungsweise auf Menschen an, die vereinfacht und damit die Dynamik einer Gesellschaft nicht realistisch kalkuliert. Was genau erhoffst Du Dir? Möchtest Du tatsächlich eine sachgerechte Diskussion? Oder willst „Ja, Du darfst den Canabis-Konsum als Projektionsfläche für Deine Wut benutzen“?

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Vor ab Alkohol ist um ein vielfaches schlimmer als Weed. Von Weed stirbt eine Gesunde Person nicht, selbst der Entzug ist relative einfach.

Bei einem Alkohol Entzug kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit sterben. Und auch vom Konsum, kann man sterben. Alkohol ist reines Gift für den Körper. Und es bringt Aggressionen mit sich. Ebenfalls hat man Übelkeit, Depressionen, Herz/Lungen/Nieren Probleme und wird vergesslich.

Warum verharmlost man Alkohol so sehr, und Weed soll angeblich extrem schädlich sein.

Kein Deutscher beschwert sich über Alkohol, aber über Weed, da können sie Plötzlich alle reden.

Außerdem Können suchtkranke (von Weed), sehr wohl normal und schnell arbeiten, sie haben auch noch ein gutes Gedächtnis und sind vollkommen einsatzbereit.

Meine Nachbarin ist Weed abhängig seit 20 Jahren, und ist erfolgreiche Krankenschwester. Sie ist auch nicht dumm oder so.

Leider alles wahr und ich sehe es genauso.

Ich kenne einige Personen,denen es so geht und denen man den Konsum ankennt .

Leider wird das von den regelmäßigen Konsumenten total verharmlost .

Studie: Kiffen schadet dem Gehirn von Jugendlichen

Nicht umsonst ist Cannabis für Jugendliche verboten.

Das KCang wurde gemacht, um die rechtliche Situation von Erwachsenen zu verbessern.

Prohibition hilft nie, sondern verschlimmert die Problematik.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Blogger zur Drogenpolitik, ehemals Co-Admin im LdT

crimsonfire  26.05.2024, 22:02

sollte dann auch koks, heroin, fentanyl etc. legal gemacht werden?

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OnkelWillibrot  17.06.2024, 01:21
@crimsonfire

Es gibt doch Methadonabgaben. Menschen, die abhängig sind, aber raus der Sucht wollen, bekommen entsprechende Ersatzstoffe vom Staat.

Ob der eigentliche Stoff ebenfalls freigegeben wird, hängt von der Gefährlichkeit und der Verbietbarkeit ab. Fliegenpilze und Tollkirschen (in Süddeutschland) wachsen in der Natur. Die Zutaten zum Herstellen von Ecstasy sind legal, da kann man nicht viel gegen machen.

Aber Heroin und Kokain sind sehr viel gefährlicher als Canabis (bedenke: es gibt keine Letaldosis für Canabis, Kokain und Heroin können tödlich dosiert werden) und die Zutaten kommen nicht in der Umgebung eines Menschen vor.

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