Wie bewertet ihr die ersten Seiten meines Thrillers?

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6 Stimmen

4 Antworten

Schlecht

An sich hast du ein gutes Fundament. Aber du hast auch sehr viel Verbesserungspotential.

Die Erzählzeit finde ich schlecht gewählt. Die Gegenwart macht eine Geschichte nicht spannender. Oft stört sie sogar.

Deinem Text fehlt es noch völlig an Tiefe. Man kann sich nicht in die Figuren oder die Szenen hinein versetzen, weil du praktisch einen Bericht verfasst hast: Sie tut dies. Sie tut das. Sie sagt jenes..." Es fehlt an Schilderungen, insbesondere an solchen über das Innenleben der Figur.

Man weiß zum Beispiel nichts über das Hochhaus. Ist es Sommer? Winter? Ist es sehr warm oder sehr kalt für die Jahreszeit oder genau richtig? Wie ist die Stadt? Ist sie geordnet und linear? Ist sie chaotisch und wild? Leuchtet sie bunt oder ist sie düster? Was hört die Figur? Was sieht sie? Was riecht sie? Was schmeckt sie? Was spürt sie und wie wirkt das alles auf sie?

Findet sie zum Beispiel Gefallen an den erwähnten spitzen Steinchen? Gefällt ihr der Schmerz, oder fühlt sie sich dadurch gekitzelt? Zwingt sie sich hindurch oder findet sie sogar, dass sie das dadurch verursachte Leid verdient hat?

Und so weiter und so fort.

Ich rate in solchen Fällen immer zu üben. Nimm eine Szene mit denselben Requisiten. Zum Beispiel: Die Figur betritt ihr unordentliches Zimmer und holt ihren Rucksack aus einem Stapel Schmutzwäsche.

Nun schreibe daraus 4 verschiedene Szenen mit 4 verschiedenen Figuren. Ändere nichts an den Requisiten. Aber beschreibe sie jedes mal unterschiedlich um sofort deutlich zu machen, dass es sich um 4 verschiedene Personen mit individuellem Charakter handelt.

So lernst du wie du Figuren durch ihre Reaktionen auf eine Umgebung, die von ihnen wahrgenommen und beurteilt wird, darstellst.


MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 11:13

Ich glaube, die Erzählzeit ist irgendwo Ansichtssache. Man kann ja nicht sagen, dass jede Geschichte in Vergangenheitsform geschrieben werden muss. Das würde ja Vielfalt verhindern. Ich persönlich mag den Präsens sehr gerne.

"Sie tut das... sie tut jenes" halte ich eigentlich für gut, vielleicht liege ich auch falsch, aber Handlungen erzählen doch eigentlich am besten eine Geschichte. Das Innenleben von Kiara konnte ich nicht beschreiben, weil dann der Tewist, dass sie runterspringt nicht überraschend wäre. Aber im ganzen sollte man doch nachvollziehen können, wie es ihr wohl geht, oder nicht?

Bei der Beschreibung der Umgebung, habe ich mich auf das Wesentliche konzentriert. Sie ist Nachts auf einem Hochhaus einer Stadt, es ist Vollmond, ruhig und düster. Das beschreibe ich. Ich habe versucht, nicht unnötig viele, langweile Details zu nennen. Eigentlich sollte man doch bei meiner Beschreibung ein klares Bild vor Augen haben. Was sie in dem Moment schmeckt usw. habe ich nicht beschrieben, weil das nicht relevant für die Szene war. Sie hat halt nichts ungewöhnliches geschmeckt. Hm, ich weiß nicht, ob ich das einfach falsch sehe oder die Kritik an mich einfach sehr "Subjektiv" ist.

An den Spitzen Steinchen findet sie keinen Gefallen, sie sind halt einfach nur da und dienen einfach nur der Beschreibung ihres Körpergefühls.

Ich werde mal deinen Ratschlag ausprobieren, danke dafür, das klingt interessant. Ich hoffe, dass ich mit der Zeit Einsicht darüber bekomme, was in der Geschichte nicht passt, weil im Moment kann ich die Kritik leider nicht ganz nachvollziehen.

Andrastor  08.02.2025, 11:40
@MattGhost

Das was du hier machst, ist Mängel zu entschuldigen. Das solltest du dir unbedingt abgewöhnen, wenn du dich verbessern willst.

Handlungen erzählen eine Geschichte. Da hast du Recht. Aber das ist nicht alles worum es geht. Ich gebe ein kurzes Beispiel.

Das ist dein ungefährer Erzählstil:

Sie steht vor dem Direktor. Er sitzt hinter seinem Schreibtisch und schaut sie böse an. Dann ruft er ihre Eltern an.

Und so könnte es klingen:

Ihre Hände waren kalt und klamm. Sie hatte Mühe sich auf den Beinen zu halten, weil ihre Knie butterweich geworden waren. Vor ihr erhob sich drohend der teure Holztisch des Schuldirektors, der sie streng und wütend über seine verschränkten Finger ansieht. Die Regale türmen sich erdrückend über ihr auf. Wie war sie nur in diesen Schlamassel geraten. Er seufzte enttäuscht und griff zum Telefon. Sie begann zu zittern. Sie wollte schreien, wollte, ihn anflehen, auf die Knie fallen und ihn bitten das nicht zu tun, aber sie konnte keinen Muskel bewegen. Siedend heißt stiegen ihr Tränen in die Augen, während er mit ihren Eltern sprach...

Oder so:

Genervt seufzte sie, während sie ihren Blick durch dieses kleine Gefängnis eines Arbeitszimmers gleiten ließ. In Reih und Glied standen Bücher neben Mappen neben Dokumenten und Briefen in den Regalen. Ein eklatantes Zeugnis der Bürokratie-Diktatur. Sie verschränkte die Arme und fragte sich, ob sie sich auf dem Heimweg einen Hotdog gönnen sollte... Vielleicht lieh ihr eine Freundin etwas Geld? Der kleine dicke Mann saß hinter seinem billigen Schreibtisch und schien gerade den Geruch seiner verschränkten Finger zu genießen. Sie wusste nicht, ob sein Blick drohend wirken sollte, aber auch sie machte er den Eindruck eines knurrenden Mops. Er seufzte theatralisch und ergriff sein Telefon. Während er mit ihren Eltern sprach, bemerkte, sie, dass einer ihrer Nägel kurz davor war einen Riss zu bekommen...

Das nur mal als kurze Beispiele. Diese ganze Szene kann man, ohne zu langweilen, länger machen als dein obiges Manuskript.

Und jetzt überlege mal, welche der Versionen spannender und mitreißender ist. Welche mehr über die Figur aussagt und in welche man sich am besten hineinversetzen kann?

Würdest du da wirklich in einem Buch die erste Version bevorzugen?

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 12:11
@Andrastor

Das ist ja nicht vergleichbar, wenn du für meine Version nur 3 kurze Sätze verwendest. Meine Version sähe so aus:

Sie sitzt gegenüber des Direktors und zieht ihren ganzen Körper zusammen und senkt ihren Blick. Der Direktor hält dennoch stillschweigend den Blick intensiv an ihren Augen. Jede weitere Sekunde der Stille kratzt sie unterm Tisch ihre Hände immer stärker auf, bis sie leicht anfangen zu bluten. Der Direktor hämmert plötzlich mit voller Kraft auf den Tisch und brüllt:"So geht das nicht weiter, ich rufe deine Eltern an!" Sie springt vor Schreck kurz auf und setzt sich wieder langsam hin. Er greift zum Telefon und zerdrückt es fast, während er wutentbrannt mit Fingerstößen in die tasten haut. Ihr kullert eine Träne übers Gesicht und schnauft mehrfach auf.

Wenn ich ehrlich bin, finde ich meine Version dramatischer und intensiver. Ich weiß nicht wie du das siehst, aber durch die Aneinanderreihung der Handlungen braucht man nicht das Innenleben zu beschreiben. Die ganze Szene kann sehr gut vom Leser nachvollzogen werden. Oder was meinst du?

Andrastor  08.02.2025, 12:26
@MattGhost

So wäre deine Version nicht geworden und das weißt du so gut wie ich.

Und nein. Du irrst da ganz gewaltig. Die Handlung ist wichtig, das stimmt. Aber die Figuren tragen die Handlung. Wenn du die Figuren nicht so gestaltest und darstellst, dass man gerne liest, was sie erleben, will keiner lesen was sie erleben. Sich nicht in die Figuren hineinversetzen zu können, lässt die Leser das Interesse an ihnen verlieren. Wenn man nicht erfährt, was die Figur fühlt und wer sie ist, will man auch nicht erfahren, was sie erlebt.

Stell dir das wie einen Kinofilm oder ein Videospiel vor. So gut die Geschichte auch sein mag, wenn sie mit nur 4 FPS und einer Auflösung, die jedes Handy erbrechen lässt, dargestellt werden kann, will man sich das nicht antun.

Es geht nicht nur darum die Szene nachzuvollziehen, sondern eben die Figuren nachvollziehen zu können.

Als kleinen Zusatz, wegen deinem obigen Beispiel: Wenn du keinen allwissenden Erzähler benutzt, also einen der alle Gefühle und Gedanken aller Figuren kennt, dann ist es ein grober Fehler, wenn du Dinge von anderen Figuren als der Hauptfigur angibst.

In deinem Beispiel wirkt es wie ein auf die weibliche Figur eingeschränkter Erzähler. Der weiß nur was diese Figur kennt. Ob der Direktor also "volle Kraft" für den Schlag verwendet, kann sie nicht wissen.

Zudem verliert deine Szene an jeglicher Dramatik, eben weil man nichts über die Figur erfährt. Sie ist ein Nichts. Ein uninteressanter Niemand.

Schau zum Vergleich wie ich den beiden Figuren in meinen Beispielen nur durch die Eindrücke des Arbeitszimmers Charakter verliehen habe. Die sind sofort Persönlichkeiten.

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 12:55
@Andrastor

Aber das ist meine Version. Genau so gehe ich auch an die andere Geschichte ran. Die Kritik, die mir entgegnet wurde, könnte man ja auch auf diese Version übertragen. "keine Beschreibung des Innenlebens" "Sie tut dies... dann das, wie ein Bericht" "Keine Beschreibung der Umgebung" usw. trifft hier genauso zu. Aber ich denke, dass du das sagst, weil dir diese Version in Wahrheit doch etwas gefällt? ;)

Um die Figuren besser zu verstehen und sich in ihnen hineinversetzen zu können, müsste man das Buch weiterlesen. Es ist nicht so, dass ich durchgehend so viele Handlungen einbaue. Ich wollte mit diesen Anfang erstmal catchen und dann dem Leser die Protagonisten näher bringen. (Was bei euch allen ja anscheinend nicht so klappt :()

Deine Metapher sagt runtergebrochen: "Auch wenn das Fundament gut wäre, dein Schreibstil ist kake." Ja, darüber reden wir ja gerade.

In meiner Geschichte bin ich ein allwissender Erzähler. Bei einer Situation, wo sich 2 Leute in einer Konversation befinden, priorisiere ich dann lieber die Person, die gerade interessanter ist oder wie es mir halt besser passt.

"Zudem verliert deine Szene an jeglicher Dramatik, eben weil man nichts über die Figur erfährt. Sie ist ein Nichts. Ein uninteressanter Niemand."

Sei ehrlich, hast du in meiner Erzählung nichts an Charaktereigenschaften oder Empfindungen der Personen wahrnehmen können?

Andrastor  08.02.2025, 13:49
@MattGhost

Das kannst du ruhig denken. Es wird dich aber als Autor nicht weiter bringen. Tatsächlich halte ich mich hier sehr zurück...

Und das ist wieder der falsche Ansatz. Die Hauptfigur sollte vom ersten Moment an ein Charakter sein. Wenn du deine Leser nicht von Anfang an fesseln kannst, lesen sie nicht so weit, dass sie zu der Stelle kommen, wo du deine Figur dann vorstellst.

Der Anfang ist kein Hook. Er ist vorhersehbar und langweilig, weil es nichts daran gibt, dass irgendwie fesseln würde. Der Satz "Mädchen springt vom Dach", ist auch noch keine Drama-Geschichte.

Der allwissende Erzähler ist noch einmal eine Herausforderung. Vor allem wenn du es nicht schaffst Figuren unterschiedlich darzustellen. Wenn du als Erzähler zwischen Figuren wechselst, musst du auch zwischen ihren Ansichten und Empfindungen wechseln. Siehe meine obigen Beispiele. Die beiden dort beschriebenen Figuren können ohne Probleme nebeneinander stehen und dieselbe Szene unterschiedlich wahrnehmen.

Du machst die typischsten Anfängerfehler. Das ist an sich nicht schlimm. Problematisch daran ist nur, dass du sie verteidigst.

Und ich bin ehrlich. Zurückhaltend, aber ehrlich.

Schlecht

Du erzählst was passiert, zeigst es aber nicht, was beim schreiben sehr wichtig ist (Show, don't tell). Als Leser kann man sich in keinen Charakter hineinversetzten oder baut irgendeine "Bindung" zu Handlung und Figur auf. Die Handlung an sich ergibt teilweise sehr wenig Sinn, besonders alles was im Krankenhaus passiert. SO funktioniert das absolut nicht.

Ich würde es nicht weiterlesen

Woher ich das weiß:Hobby – Ich schreibe seit jahren

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 12:26

Ich schreibe so viele Handlungen, dass sich Leute schon beschweren und für dich ist es dennoch so, dass zu wenig gezeigt wird? Ich denke, gerade Handlungen "zeigen" etwas. Oder was "zeigt" für dich etwas?

Mich würde aber noch interessieren, was du so meinst, was keinen Sinn ergibt. Vorab: Es gibt tatsächlich Menschen, die von Hochhäusern gefallen sind und es überlebten, dass kann also nicht unlogisch sein. Ich versuche dennoch aus deinem Feedback für mich etwas zu ziehen, womit ich die Geschichte verbessern kann. Würde mich freuen, wenn du darauf eingehen würdest, welche Logikfehler du meinst

WriterChris  08.02.2025, 13:41
@MattGhost

Das ist eher eine Erzählung von Ereignissen, anstatt richtig ausgearbeiteter Szenen. Der Sprung ist eine Szene; danach kommen nur noch Abschnitte, kurze Einblicke, die weder das Geschehen, noch die Charaktere richtig zeigen. Du fängst an den Moment zu beschreiben und wechselst zu schnell zum nächsten. Sie wacht im KH auf, wie sieht das Zimmer aus, wie riecht es, wie fühlt es sich an, dass sie sich nicht bewegen kann, hat sie Angst, usw. Du beschreibst wie ihr Vater sie einpackt, aber nicht was sie davon hält.

Mir ist bewusst, dass Menschen Sprünge von Hochhäusern überleben, darum ging es mir auch nicht. Der gesamte Teil im KH ergibt keinen Sinn. So läuft es nicht im KH ab, kein Arzt kommt direkt, wenn jmd aufwacht, ungerufen rein und redet oder handelt auf so. Besonders bei einem solchen Suizidversuch würde es so passieren. Außerdem wird prinzipiell niemand im KH eingesperrt, solange sie nicht in der "geschlossenen" ist, kann sie sich jederzeit gegen ärztlichen Rat Entlassen können, aber nicht wie du es dar gestellt hast. Wie gesagt, es ergibt keinen Sinn

Mittelmäßig

Da ist noch Luft nach oben. Grund:

Beim ersten Durchlesen hatte ich das Gefühl (ist rein subjektiv - sorry), dass das eine Geschichte ist, die mich an eine Sylvester-Rakete erinnert.

So ungefähr:

  • Geht los, da kommen gleich ein paar Glitzersterne
  • Päng - einige kleine Sterne, kurzes Nachglühen - das war es.

Da schließe ich mich Andrastor an und - da fehlt irgendwie die literarische Welt, in die man abtauchen kann. Da kommt (mehrfach) ein neuer Fact / der Glitzerstern, aber auf einmal Puff - ist er schon wieder weg.

An dieser Stelle fehlt mir wirklich ein bisschen die Möglichkeit, mich in die Situation reinzuversetzen. Das "Warum" fehlt.

Vielleicht mal so umschrieben:

Es ist so dunkel, dass man nichts mehr sieht. Schritt für Schritt steigt die 18-jährige Kira die Treppe hinauf, wie jede Nacht. Mit den Händen tastet sie sich das Geländer nach oben. Etwas außer Atem erreicht sie eine schwere Metalltür, welche sie mit dem ganzen Körper langsam aufschiebt. 

Ja, das ist die Situation (der Glitzerstern) aber warum? Was soll das? Na ja - es ist ja nichts Aufregendes, eine Treppe raufzusteigen - aber ist es dann wert, es zu erzählen? Wo ist der Grund / der Gedanke? Da muss doch was dahinterstecken - das sieht man aber nicht. Dann gleich

Mit dem Öffnen der Tür taucht der Vollmond ihre Umgebung in silbernes Licht. 

Puff - der Glitzerstern ist verglüht.


MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 13:35

Danke für deinen Input. Ich versuche, das nachzuvollziehen.

Aber kam in der Erzählung nicht zum Vorschein, dass Kira die Treppen nach oben geht, aufs Dach, zur Brüstung, um zur Ruhe zu kommen? Das wird ja im selben Absatz sogar noch erwähnt. Also ich verstehe nicht, wieso das "warum" nicht rüberkam, wenn der Grund, warum sie da hochgeht doch beschrieben wurde.

norbertk62  08.02.2025, 13:51
@MattGhost

Ok - mal an deinem Beispiel - das ist übrigens recht gut:

"zur Ruhe kommen" - warum denn? Da geht einem doch was im Kopf rum, sonst müsste man nicht zur Ruhe kommen. Was ist das? Alleine das wäre schon mal einen guten Absatz wert. Hat sie vielleicht Stress mit irgendwem - irgend so was. Geht das schon lange so - wenn ja, dann steckt da eine Geschichte dahinter. Muss man nicht gleich erzählen, aber kann man schön einbauen, wenn jemand sich irgendwo hinsetzt und Gedanken durch den Kopf fließen.

Genau das ist es, was ich meine mit dem Glitzerstern. Der Ansatz ist Ok, aber dann kommt gleich Puff und er ist schon weg.

Deshalb hab ich gezielt die ersten paar Sätze als Zitat reingesetzt - lies die beiden Zitate einfach mal und schau mal, welche Fragen da offen sind. Beispiel: ist sie traurig, depressiv, happy - bedrückt sie was? Man geht doch nicht jede Nacht eine Treppe hoch bis zum Ausgang nach außen. Was hat sie an? Geht sie im Nachthemd hoch oder im Regenmantel? Barfuß oder Bergstiefel - man kann sich die Kira gar nicht vorstellen. Weder physisch noch ihre Gedankenwelt.

Das meine ich mit dem fehlenden Abtauchen in die Gedankenwelt - da komm ich so nicht rein.

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 14:00
@norbertk62

Wenn du dir den ersten Absatz nochmal anschaust, wirst du sehen, dass sie im Nachtkleid und Barfuß rausgeht, der Boden ihre Füße piekst und der Wind ihr Kleid zum Flattern bringt. Also ich habe dadurch ein Bild von ihr im Kopf.

Hm, ich kriege langsam das Gefühl, dass ich dem Leser offene Fragen nicht zumuten kann. Ich verstehe irgendwie nicht, warum man in den ersten Augenblicken sofort alles wissen muss und offene Fragen negativ bewertet werden.

norbertk62  08.02.2025, 14:16
@MattGhost

Nicht als negativ sehen - das ist nur meine subjektive Idee - da gibt es noch viele andere Sichtweisen.

Das Problem mit den offenen Fragen - ja - stimmt schon. So manches folgt dann danach (dein Beispiel mit dem Nachthemd kommt später - ist kein gutes Beispiel) aber - für mich - bräuchte ich das Bild von Kira am Anfang der Geschichte, damit ich mich in sie reinversetzen kann.

Die Frage ist dann aber auch: warum brauchst du gleich in den ersten Sätzen schon offene Fragen? Da hat man noch gar keine Ahnung, worum es geht.

Das meine ich so: ich würde den Anfang (logisch) umstellen.

  • wer ist Kira, wie sieht sie aus? Hatte sie schon geschlafen oder konnte sie nicht einschlafen?
  • was geht ihr im Kopf rum?
  • diese ersten Details bekommt der Leser schon beim Raufsteigen der Treppe. Vielleicht stößt sie sich den Fuß an einer Stufe an - Zack: kurze Story, dass sie barfuß ist und warum. Mit ein bisschen Witz in Szene gesetzt "Leise vor sich hinfluchend rieb sie sich bla... Gut, dass das niemand hören konnte weil bla..."
  • die kann ja ruhig die Treppe hochgehen, aber schon alleine dabei könnte man eine kleine Gedankenwelt aufspannen. Dazu braucht man aber zuerst ein paar grundlegende Infos.

darauf dann ganz genüsslich aufgesetzt den Rest der Geschichte.

PS: nimm das bitte nicht als Kritik - das steht mir nicht zu - da bin ich zu wenig Profi. Sind einfach meine Gedanken dazu.

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 14:39
@norbertk62

Ich fühle mich gerade ein bisschen dumm :D

"(dein Beispiel mit dem Nachthemd kommt später - ist kein gutes Beispiel) aber - für mich - bräuchte ich das Bild von Kira am Anfang der Geschichte, damit ich mich in sie reinversetzen kann."

Also im allerersten Absatz, in der Mitte dieses Absatzes wird die Optik von Kira beschrieben und das ist dir zu spät? Ich check das nicht. Ist für dich zwingend notwendig, dass mit den ersten Wörtern der Geschichte die Optik beschrieben wird?

Es ist in Ordnung, was du schreibst. Ich bin sehr kritikfähig und dankbar, dass du mir das Ganze aus deiner Perspektive erzählst. Du machst dir ja auch Gedanken mir etwas konstruktives mitzugeben und nimmst dir dafür Zeit. Ich freue mich immer über Feedback und versuche etwas für mich mitzunehmen, auch wenn es so wirkt, als wenn ich mich nur verteidigen möchte.

norbertk62  08.02.2025, 15:09
@MattGhost

Mmmh - ich glaube, was ich geschrieben habe, war nicht verständlich genug. Ist nicht ganz leicht zu umschreiben, was ich meine.

Ich versuch mal anders ranzugehen

  • ganz am Anfang weiß man doch noch gar nicht, was deine Geschichte bezwecken will. Der Leser geht ran und beginnt, zu lesen. Damit er sich vorstellen kann, was da abgeht, braucht er aber einen klaren Gedankenstrang, an dem er sich festhält und in die Geschichte einzutauchen. Er weiß noch gar nichts.
  • also kann man so rangehen: jeder Satz / Fact, der jetzt kommt, wirft keine Fragen auf, sondern gibt Infos rüber. Das ist wie ein kleines Bild, das jetzt aufgebaut wird - das ist wie ein Mosaik. Das löst man nicht, indem man die einzelnen Elemente beliebig in seinem Bild verstreut, sondern
  • du fängst mit der zentralen Idee an. Das ist der erste Stein.
  • jeder Stein, der jetzt folgt, muss sich an den ersten nahtlos anpassen lassen. Lücken sind nicht erlaubt. Das Gleiche mit den Folge-Ideen: alles muss einen Zusammenhang mit dem haben, was bereits an Steinen auf dem Tisch liegt. Nicht die Idee: "das kommt später"
  • Daher würde ich es als angenehm empfinden, wenn du Kira als Erstes loslaufen lässt: sie grübelt, kann nicht schlafen. [Gedanken um Eltern, Freunde usw.].
  • aha - kann nicht schlafen, also steht sie auf (da erklärt sich, warum barfuß und im Nachthemd - aber nicht, warum sie sich nichts anzieht) und geht die Treppe rauf.
  • Warum nimmt sie aber ihr Kuscheltier mit? Dann sollte sie jünger sein - das konnte man bisher noch nicht erahnen - Ok - nimmt sie halt mit.
  • "im Vorbeigehen blickte sie in den Spiegel im Gang. Leise musste sie lachen - ihr schulterlanges blondes Haar stand in wirren Zotteln von ihrem Kopf ab und verlieh ihr das Aussehen einer (Vogelscheuche). Egal - es war schon so spät und niemand würde sie in der Dunkelheit sehen."
  • und jetzt kommt die Tatsache, dass sie im Nachthemd ist und keine Schuhe an hat usw.

Was ich da versuche, rüberzubringen: ganz am Anfang der Story finde ich es wichtig, dass der Leser die Person und sie Situation erfassen kann, ohne nochmal nachzugrübeln.

  • so - jetzt geht sie die Treppe rauf, es ist finster, aber die Gedanken an (ja wen eigentlich) lassen sie nicht los.

Wenn oben die Tür aufgeht, dann sollte der Leser schon eine Idee haben, was sie da oben will - nachdenken, frische Luft schnappen wegen Hitze, irgendwas.

Genau mit diesen Mosaiksteinchen würde ich mal ein bisschen spielen und die Geschichte wirklich wie ein (Anfangs-) Bild sehen, das man liebevoll aufbauen muss. Ruhig ggf auch mal umstellen.

norbertk62  08.02.2025, 15:40
@norbertk62

Noch eine Unsauberkeit in meiner Argumentation:

Warum nimmt sie aber ihr Kuscheltier mit? Dann sollte sie jünger sein - das konnte man bisher noch nicht erahnen - Ok - nimmt sie halt mit.

Kira ist ja 18 - warum das Kuscheltier? Das wäre der richtige Ansatzpunkt.

Sehr gut

Ich finds richtig geil, das einzige was du noch ändern könntest ist der aller erste satz, also anstat: "Es ist so dunkel, dass man nichts mehr sieht" vl

"Es ist so dunkel, dass man seine eigenen hände nicht mehr sehen konnte"

"es ist stock duster"

oder so was ähnliches

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

MattGhost 
Beitragsersteller
 08.02.2025, 13:09

Vielen Danke für das Lob unter den ganzen kritischen Kommentaren. Das motiviert mich ein wenig :)