Ich habe einen Patienten in seinem Zimmer eingesperrt. Habe ich richtig gehandelt?


16.08.2024, 14:00

Rechtlich gesehen greift hier der rechtfertigende Notstand nach Paragraph 34 StGB. Er besagt, dass Rechte einer Person beschnitten werden dürfen, wenn dadurch größeres Übel von ihr abgewendet wird. Wichtig ist dabei die Einhaltung von Verhältnismäßigkeit und Rechtsgüterabwegung.

Als Rechtsgüterabwegung könnte man in diesem Fall das Recht des Patienten auf freie Fortbewegung vs. das Recht auf seine körperliche Unversehrtheit annehmen. Als Verhältnismäßigkeit die Wahl des kleinsten Zwangs (Einsperren im Zimmer), um sein Rechtsgut zu beschützen.

Nein, du hättest es folgendermaßen machen müssen. 50%
Ja, in der Situation hast du richtig gehandelt. 38%
Keine Meinung. 13%

8 Stimmen

4 Antworten

Nein, du hättest es folgendermaßen machen müssen.

Das hätte meiner Ansicht nach zwingendermaßen einer richterlichen Anordnung bedurft. Freiheitsentziehungen, welche länger als 30 Minuten anhaltend sind, bedürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE) in Karlsruhe ausnahmslos immer einer dementsprechenden, richtetlichen Anordnung-/ Genehmigung. Ob das Einsperren hier gerechtfertigt gewesen ist, das halte ich persönlich für zweifelhaft, denn der "rechtfertigende Notstand" nach §34 Strafgesetzbuch (StGB) greift nur dann, wenn die Gefahr nicht anders abwendbar ist. Ob es hier wirklich keinerlei Alternative zum Einsperren gegeben hat, das halte ich für äußerst fraglich. Die Gefahr hätte auch durch eine ständige Beaufsichtigung ebenso abgewendet werden können. Klar, habt ihr in der Pflege viel zu tun und auch Personalmangel aber eine solche Beaufsichtigung, muss ja noch nichteinmal von einer pflegerischen Fachkraft ausgeübt werden. Sie kann ebenso von Hilfskräften in der Pflege oder auch von entsprechend informierten Angehörigen der pflegebedürftigen Person vorgenommen werden. Ich habe es damals im Bezug auf den Rettungsdienst so gelernt, dass ein vorrübergehendes Festhalten von desorientierten Patienten, welche zum Beispiel auf die Autobahn laufen möchten, im Rahmen des §34 StGB vorrübergehend gerechtfertigt ist. Dann, muss allerdings unverzüglich die Polizei hinzugezogen werden, weil nur diese die Befugnis dazu hat, körperliche Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Patienten anzuwenden. Man darf und muss also vorrübergehend handeln, dann jedoch unverzüglich die zuständigen Institutionen hinzuziehen.

Mfg


MaxMusterman249 
Beitragsersteller
 16.08.2024, 16:49
Freiheitsentziehungen, welche länger als 30 Minuten anhaltend sind, bedürfen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE) in Karlsruhe ausnahmslos immer einer dementsprechenden, richtetlichen Anordnung-/ Genehmigung.

Meine Ausbildung brachte mir bei, dass die längstmögliche Dauer 24h beträgt, sofern es sich um einen Einzelfall handelt und keine Wiederholung erfolgen soll. 30 Minuten kenne ich nur von besonders drastischen Maßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit.

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Rollerfreake  16.08.2024, 19:49
@MaxMusterman249

24 Stunden ohne richterliche Anordnung, sind auf die Polizei in deren Gewahrsam bezogen (Artikel 104 des Grundgesetzes- GG), wobei 24 Stunden hier auch nicht ganz korrekt sind, denn es steht darin: "bis zum Ende des Tages nach der Ergreifung". Im medizinischen Bereich, ist bei einer Dauer von über 30 Minuten die richterliche Anordnung meines Wissens nach dagegen zwingend, so habe ich das in mehreren Entscheidungen des BVerfGE gelesen. Mfg

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AnitaAn  16.08.2024, 21:09
@Rollerfreake

Ichh kenne das mit den 30 Minuten nur bei einer Fixierung, und die auch an mindestens 5 Punkten - ist allerdings aus dem Strafbereich.

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Nein, du hättest es folgendermaßen machen müssen.

Du hast hier eine eindeutig Mangelhafte Leistung eurer Einrichtung durch eine Freiheitsberaubung gelöst. Du kannst dich auf §34 StGB nur für eine akute Handlung im Notfall berufen. Nicht als Dauerlösung, Du hast es offensichtlich versäumt die Unzulängliche Pflegesituation zu eskalieren und dir Hilfe zu hohlen.


MaxMusterman249 
Beitragsersteller
 16.08.2024, 16:45
Nicht als Dauerlösung, Du hast es offensichtlich versäumt die Unzulängliche Pflegesituation zu eskalieren und dir Hilfe zu hohlen.

Eine Dauerlösung war und sollte es nie sein. Nur eine Akutmaßnahme, die ich in einer Situation angewendet habe, in der ich mir nicht anders zu helfen gewusst habe.

Hilfe wurde mir gelinde gesagt nicht anders gegeben. Die Intensivstation lehnte eine Aufnahme ab und der diensthabende Arzt beließ es bei Beruhigungsmitteln, darüber hinaus hatte dieser die Verantwortung über knapp 45 Patienten, die ihm als Honorararzt weitgehend unbekannt waren.

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Keine Meinung.

Moralisch gesehen korrekt, da Du verhindert hast, dass sich der Patient erneut in Gefahr bringt

Rechtlich gesehen fragwürdig, da es vielleicht andere Möglichkeiten gegeben hätte ohne die Freiheitsberaubung.

Ich würde auf jeden Fall den Pflegenotstand dokumentieren und die Fixierung umgehend nachträglich durch einen Arzt bestätigen lassen.

Und auf gar keinen Fall wiederholen, der rechtfertigende Notstand nach §34 StGB ist keine Dauerlösung. Nimm Kontakt mit den Angehörigen auf und kläre die Lage!

An sich finde ich hast du richtig gehandelt, zumindest menschlich gesehen, aber rechtlich selbstverständlich nicht.

Da du alle zehn Minuten nachgesehen hast, ob alles in Ordnung ist, halte ich deine Entscheidung für richtig.

Lg